Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Als zur Roseninsel noch zwei Brücken führten

Die Gemeinde Feldafing hat die bisher älteste Landkarte des Lieblingsorts von König Ludwig II. ersteigert.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Ludwig II. hat die Roseninsel im Starnberger See als Rückzugsort genutzt oder auch seine Cousine, die österreichische Kaiserin Elisabeth, zu romantischen Diners im Casino eingeladen. Sein Vater Maximilian II. hatte den Rosengarten von Peter Joseph Lenné anlegen lassen. Lenné gestaltete vier Jahre später auch den Landschaftspark am Seeufer, auf dem heute der Golfplatz liegt.

Bislang galt eine Landkarte aus dem Jahr 1810 als die älteste Vermessung der Roseninsel. Ein Faksimile liegt im Feldafinger Gemeindearchiv. Nun konnte die Gemeinde eine historische Landkarte aus dem Jahr 1794 erwerben, die Bürgermeister Bernhard Sontheim und Gemeindearchivarin Martina Graefe bei der Vorstellung als "Glückstreffer" bezeichneten.

Laut Archivarin handelt es sich um die älteste Manuskriptkarte von der Roseninsel und vom gegenüberliegenden Uferbereich, die bisher gefunden worden ist. Rostflecken weisen darauf hin, dass die Karte mit dem Titel "Die Insel im Würm-See und das nächste Land von der Hofmarck Garazhausen. Abgemessen im Monat July 1794" früher mit Nägeln in einem Bilderrahmen befestigt war. Den Vermerk "das nächste Land" führt Graefe darauf zurück, dass damals wohl noch eine weitere Landkarte erstellt worden ist. Das historische Stück hat der Münchner Architekt Arne Schacht entdeckt, der sich auch für den Denkmalschutz der Hans-Albers-Villa eingesetzt hatte. Er gab Graefe den Tipp, dass die Karte von einem Antiquariat in einer Online-Auktion angeboten werden soll. Bürgermeister Sontheim zeigte sich begeistert und stockte den Etat für das Gemeindearchiv auf, um den außergewöhnlichen Fund für 2250 Euro erwerben zu können.

Die Karte stammt aus einer Schlossauflösung. Um welches Schloss es sich handelte, ist unbekannt. Laut Graefe weist vieles auf Schloss Garatshausen hin, das damals der Familie La Rosée gehörte. Aber das seien nur Vermutungen, sagt Graefe, denen sie nachgehen wolle. In dem äußerst fein ausgearbeiteten Aquarell sind viele Details vermerkt, Bäume, Zäune und Gebäude, etwa die Ruine der 1632 im 30-jährigen Krieg zerstörten Kirche auf der Insel und Fischerhütten. Als "besondere Sensation" bezeichnet die Archivarin, dass auch die zwei Brücken eingezeichnet sind, die früher vom Festland zur Roseninsel führten. Es wird vermutet, dass die Bauwerke zusammen mit der Kirche zerstört worden sind. Wie der Vermerk "eine vor Zeiten gewesene Fahrtbrücke, von welcher die Pfeile im Wasser noch sichtbar sind" zeigt, waren die Reste bei der Erstellung der Karte offenbar noch deutlich zu sehen. Heute kann man die Pfeiler nur noch bei niedrigem Wasserstand erahnen. Die Insel selbst war damals mit 1,3 Hektar viel kleiner als heute (2,56 Hektar). Das liegt daran, dass sie langsam verlandet und unter König Ludwig II. Aufschüttungen vorgenommen worden waren.

Da eine genaue Kartierung erst 1808 auf Weisung von König Maximilian I. eingeführt worden war, sind auf der Manuskriptkarte noch alte Maße vermerkt wie "Boind" (eingezäunter Gemüsegarten), "einmahdige Wiesen", "Ruethen" oder "Quadratschuh" (1,3 Hektar) auf der "Scala von 1000 Bayerl Schuhen". Nur das "Tagwerk" gibt es heute noch. Besonders interessant für die Archivarin sind die alten Flurgrenzen am Seeufer. Auf den Grundstücken sind die Hausnamen der Bauern-Familien eingetragen, denen die "See-Äcker" gehörten, etwa Blauwanger (heute Kindergarten), Fischkäufler (Haus gegenüber von Friseur Kögl) oder Hofbauer (später Villa Bonn). Auch über ihre eigenen Vorfahren hat Graefe etwas in Erfahrung gebracht. Das Grundstück der Fischer von Außerwörth hat ihr Ur-Ur-Großvater Jakob Sedlmair 1835 an König Maximilian II. verkauft, als dieser sein Schloss plante und für den Bauplatz 13,5 Tagwerk Grund kaufen ließ. Das Projekt wurde nie verwirklicht, doch die Bevölkerung profitiert noch heute vom Lenné-Park. Die Karte ist nicht im Original zu besichtigen, weil sie fachgerecht gelagert werden muss. Bevor sie in den klimatisierten Archivschränken verschwindet, soll eine Reproduktion in Originalgröße angefertigt werden, die Graefe dann für ihre Forschung verwenden will.

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SZ vom 06.02.2021
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