Süddeutsche Zeitung

Jubiläum am Starnberger See:"An der Basis passieren oft erstaunliche Dinge"

Der Politologe, Autor und Kommunalpolitiker Johano Strasser zieht über 50 Jahre SPD in Berg Bilanz.

Interview von Susanne Hauck, Berg

Er hat sich einen Namen als der "SPD-Vordenker" der Nation gemacht, er ist ein renommierter Autor, und er war langjähriger Vorsitzender des inzwischen zerstrittenen Schriftstellerverbands P.E.N. Der bundesweit bekannte Schriftsteller und Politologe Johano Strasser, 83, ist sich aber nicht zu fein für die Kommunalpolitik. Als er 1987 nach Berg zog, schloss er sich gleich dem Ortsverein an. Natürlich ist er auch dabei, wenn die SPD Berg an diesem Wochenende ihr 50. Jubiläum feiert.

SZ: Herr Strasser, was ist das Besondere an der Berger SPD?

Johano Strasser: Als ich noch gar nicht hier lebte, hat mich das Engagement der Berger SPD schon sehr beeindruckt. Anfang der 1980er-Jahre hatte ich auf einem Parteitag die Aufgabe, einen bundesweiten Preis an besonders initiativenreiche Ortsvereine zu verleihen. Darunter war auch der Ortsverein Berg. Ich wusste damals gar nicht, wo Berg überhaupt liegt. Zu einer Zeit, als die Grünen gerade begannen, sich zu formieren, war die SPD Berg bereits besonders ökologisch engagiert. Das weiß heute kaum noch jemand. Erika Laurent und Maja von Rosenbladt, die Frau des langjährigen Vorsitzenden Bernd von Rosenbladt, haben sich schon damals sehr für die ökologische Erneuerung eingesetzt. Ich fand das sehr bemerkenswert. Als ich später hierher nach Berg zog, war mir zunächst gar nicht bewusst, dass ich den Ort und die dortige SPD schon kannte. Bemerkenswert finde ich auch, dass es in der Berger SPD nie heftige interne Querelen gab. Der Umgang miteinander ist sehr freundlich.

Was motiviert Sie, sich nach wie vor für einen kleinen Ortsverein zu engagieren?

Hm, ganz ehrlich, ist es mit dem Engagement nicht so weit her. Aber ich gehe auf die Ortsvereinssitzungen, wenn ich terminlich kann, und manchmal referiere ich auch. Man sollte aber immer nicht übersehen, dass an der Basis, in den Ortsvereinen oft erstaunliche Dinge passieren, die die Bundes-SPD oft gar nicht oder erst später wahrnimmt. Die großen Themen auf Bundesebene sind oft weit von den Erfahrungen der Menschen am Ort entfernt. Hier ist vieles anschaulicher, hier geht es um die Fragen, wie wir unser Zusammenleben im Alltag gestalten können. Eine Partei kann nur dann eine realistische Politik betreiben, wenn sie die Stimmung und die Sichtweise der Menschen in den kleinen Ortsvereinen versteht. Wir haben viele Bürger in Berg, die interessante Dinge machen, besonders in ökologischer Hinsicht.

Was waren die spektakulärsten Erfolge der Berger SPD in 50 Jahren?

So richtig spektakuläre Erfolge gibt es vielleicht nicht. Aber es gibt folgenreiche kleinere Dinge wie der Bau von Radwegen, wofür sich die Berger SPD sehr engagiert dabei. Und auch beim sozialen Wohnungsbau hat sie manches durchgesetzt. Berg hat wie viele Orte am Starnberger See ein Problem mit erschwinglichem Wohnraum. Die Berger SPD hat in einer parteiübergreifenden Koalition einen neuen Bürgermeister durchgesetzt, der auch auf diesem Feld eine interessante Arbeit macht. Also alles in allem ist das für einen kleinen Ortsverein eine erfolgreiche Bilanz.

Was ist das dringlichste Problem, dem sich der Ortsverein stellen muss?

Für mich ist das der erschwingliche Wohnraum. Das betrifft Berg, Starnberg und die ganze Gegend hier. Es darf nicht sein, dass Kinder von Einheimischen aus dem Ort verschwinden müssen, weil sie sich hier keine Wohnung find, die sie sich leisten können. Da kann man noch sehr viel mehr in punkto sozialem Wohnungsbau tun. Das wissen auch die meisten Politiker in der Region, aber ob sie es umsetzen, ist die andere Frage. Das Problem ist allen Politikern geläufig, aber wir wissen, wie groß der Einfluss von Investoren ist, die meistens lieber Luxuswohnungen bauen, die sich normale Leute nicht leisten können.

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