Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Wie sich der Klimawandel auf den Fischbestand auswirkt

Die Netze der Fischer am Starnberger See bleiben oft leer. Verantwortlich dafür machen sie die Auswirkungen der Erderwärmung.

Von Astrid Becker

Fast 2, 50 Meter lang und stolze 68 Kilogramm schwer: Außergewöhnlich groß ist der Waller, der in diesem Jahr den Fischern im südlichen Starnberger See ins Netz gegangen ist. Überhaupt: Spricht man in diesen Tagen mit den Berufsfischern über "Waller", wird man ohnehin nur wenige Klagen hören. Als "weiterhin hoch" bezeichnet die Fischereigenossenschaft Würmsee den Fang dieser Fischart. Geht es hingegen um andere Arten, ist schnell eines klar: Grund zum Jubeln haben die Berufsfischer derzeit nicht. Erneut haben sie eine nur mäßige Fangsaison hinter sich gebracht. Der Klimawandel dürfte dabei eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Aber auch Biber und Kormorane machen ihnen nach der langen Zeit der Ruhe erheblich zu schaffen.

"Es ist sehr schwierig, eindeutige Aussagen zu treffen, was nun zu unseren Ergebnissen wirklich führt", sagt beispielsweise Andreas Gastl-Pischetsrieder, der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft Würmsee. Eines jedoch wollen er und seine Kollegen auf dem Starnberger See eindeutig festgestellt haben: Die kühle und feuchte Witterung im Frühjahr und Frühsommer blieb nicht ohne Auswirkung auf das Laichverhalten etwa von Schleien, Barschen und anderen Weißfischen. Deutlich später als normal laichten sie ab, andere Arten wie beispielsweise Karpfen fingen gar nicht erst damit an. Normalerweise wird die Bilanz der Fischer auf ihrem Jahrtag vorgestellt, doch auch in diesem Jahr konnte er pandemiebedingt nicht in der gewohnten Form abgehalten werden: Es gab nach zwei Jahren Corona nur eine kleine Mitgliederversammlung Ende September, aber ganz ohne Ehrengäste aus der Verwaltung und den Behörden. Über die Saison wurde also erst jetzt schriftlich informiert.

Und eines ist darin sehr deutlich geworden: Der Renkenertrag, der über den Erfolg einer Saison entscheidet, blieb deutlich unter den Erwartungen zurück. Seit 2011 wird der Rückgang des "Brotfisches", was die Bedeutung der Renke für die Berufsfischer umschreibt, beobachtet. Erst in den vergangenen zwei Jahren deutete sich eine leichte Besserung der Lage an, wie es auch Michael Schubert vom Institut für Fischerei in Starnberg sagt. Mehrere Versuchsfänge, seit 2019 im Rahmen des auf drei Jahre angelegten EU-Projekts "Alpine Space Eco-Alps Water", hätten eindeutig einen guten Renkenbestand im Starnberger See bewiesen - und dass die Tiere langsam wieder etwas größer würden.

Beides hatte in den Jahren zuvor große Sorgen verursacht. 2020 zogen die Fischer erstmals wieder eine leicht positive Renkenbilanz, was die Hoffnung nährte, es könnte heuer noch ein klein wenig besser werden. Doch bereits im Januar, nach einer "erfreulich guten Renkenlaichfischerei im Dezember", seien die Fänge nur sehr mäßig ausgefallen, berichten die Berufsfischer. Der Februar sei dann zwar noch "durchschnittlich" gewesen, danach jedoch folgten drei Monate "Durststrecke für uns", so Gastl-Pischetsrieder. Die Fänge waren sogar so schlecht, dass es "keinen Sinn mehr machte, die Renkennetze noch einmal auszulegen."

Etwas aufwärts ging es dann den Fischern zufolge von Mitte Juni an, im Juli und August habe es gelegentlich sogar "Spitzenfänge" gegeben. Das Durchschnittsgewicht der ausgenommenen Renken jedoch bewegt sich offenbar noch immer unter 200 Gramm, allerdings fingen die Fischer auch ein paar größere Exemplare. Für die geringe Renkenausbeute sind nach Ansicht der Fischer auch die Wassertemperaturen verantwortlich. Weil sich der See trotz kühler und feuchter Witterung im ersten Halbjahr dann rasch erwärmt habe, hätten sich die Renken die meiste Zeit in tiefere Seeregionen zurückgezogen, in Bereiche also, in denen nicht mehr so gefischt werden kann.

Auch Saiblinge gab es heuer nur sehr vereinzelt. Die meisten davon hätten nur knapp die 28 Zentimeter erreicht, die hierzulande laut Gastl-Pischetsrieder als Schonmaß gelten. Als wenig und recht klein beschreibt er auch die Ausbeute an Zandern, die in diesem Jahr aus dem Starnberger See gezogen wurden, ein großes Exemplar sei jedoch dabei gewesen - mit einem Gewicht von zwölf Kilogramm. Überschaubar fielen die Fänge auch bei Barschen und vielen anderen Weißfischarten aus. Brachsen wurden kaum mehr gefangen, einige Schleien gingen zumindest im Sommer ins Netz. Kummer bereitet ihm und seinen Kollegen auch die Seeforellen, die nur noch vereinzelt zu fischen sind. Gründe dafür seien verbaute Zuflüsse, die den Fischen den Weg zum Laichen versperren, etwa durch Wehranlagen im Lüßbach oder Biberbauten im Röthelbach in Unterzeismering. Kormorane seien wieder ein Riesenproblem: "Eine Zeitlang war Ruhe. Aber wenn sie uns jetzt fischen sehen, stehlen sie gezielt Fische aus unseren Netzen und beschädigen sie dabei auch noch."

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SZ vom 26.10.2021
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