Bayerische Seenschifffahrt:Ein Elektrodampfer feiert Geburtstag

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Deutschlands größtes elektrisch betriebenes Passagierschiff: Die MS Berg befährt seit 2021 den Starnberger See. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die EMS Berg kreuzt seit gut einem Jahr über den Starnberger See. Ein strombetriebenes Schwesternschiff wird sie wohl nicht so schnell bekommen - und das liegt nicht an den kleinen Unzulänglichkeiten beim Pionierbetrieb.

Von Tim Graser, Starnberg

Drei kurze Hornstöße ertönen, dann läuft die EMS Berg aus - und das bei deutlich besserem Wetter als bei ihrer Taufe vor gut einem Jahr. Lautere Töne wird man an diesem Tag von ihr nicht mehr erleben. Sanft und leise gleitet das Passagierschiff aus dem Hafen und hinaus auf den See, ganz ohne störende Geräusche oder starke Vibrationen.

Nordspitze des Starnberger Sees, ein brennend heißer Augustmorgen: Bestes Geburtstagswetter für ein Schiff, das hier seit einem Jahr als vollelektrischer Pionier unterwegs ist. Die EMS Berg ist der erste Elektrodampfer in der Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt. Aus diesem Anlasse tummeln sich an diesem Tag auch keine Touristen an Bord, als Gratulanten gekommen sind stattdessen der Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) und seine Parteikollegin, die Feldafinger Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig. Zusammen stehen sie ganz oben, auf dem Aussichtsturm des Oberdecks und posieren bedacht für die Kamera - vielleicht erkennt man im Hintergrund ja sogar eines der Windräder in den Wadlhauser Gräben. Symbolpolitik kann nicht nur der baumumarmende Ministerpräsident.

Alle an Bord (von links): Bergs Altbürgermeister Rupert Monn, sein Nachfolger Rupert Steigenberger, Michael Grießer, der Chef der Bayerischen Seenschifffahrt, die Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig und Heimatminister Albert Füracker. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Der E-Dampfer wird mit einem dicken Stromkabel geladen, dann kann das Schiff wieder zehn Stunden lang über die Wellen schippern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

35 Meter lang, 8,20 Meter breit, 173 Tonnen schwer: Die "Berg", wie sie sie hier liebevoll nennen, ist das größte elektrische Seeboot Deutschlands und das fünfte Passagierboot am Starnberger See. Zwei große Elektromotoren, deren Akkus zusammen so viel Ladekapazität wie 20 E-Autos vom Modell BMW i4 haben, bewegen die Berg über den See. Zehn Stunden Fahrt seien damit am Stück möglich, sagt Michael Grießer, der Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, der die Geburtstagsfeier im kühlen Fahrtwind auf dem Freideck genießt.

Von einem eigens für die Berg errichteten Trafohäuschen verlaufen dicke Kabel an den Anlegersteg der Starnberger Werft, wo das Schiff über Nacht geladen wird.

"Manitu" heißt der Gabelstapler, auf dem der Minister grinsend Platz nimmt

Die Werft am Nepomukweg in Starnberg, 2015 neu gebaut, macht einen modernen Eindruck: Ein holzvertäfeltes Gebäude mit großer begrünter Dachfläche, etwa so groß wie ein Fußballfeld. Gekühlt und beheizt wird die Werft, die von einem massivem Zaun mit motorisiertem Torgatter geschützt ist, mit Wärmepumpen. Neueste Technik ist auch im Gabelstapler mit dem Spitznamen "Manitu" verbaut, auf dessen Sitz Füracker bei einem Rundgang noch vor der kleinen Geburtstagsausfahrt grinsend Platz genommen hatte.

Probesitzen auf "Manitu": Albert Füracker und Ute Eiling-Hütig. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Die Starnberger Werft der Bayerischen Seenschifffahrt am Nepomukweg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Alles State of the Art, alles nachhaltig, so die Botschaft. Auch der Betrieb des Schiffs: Es wird ausschließlich mit Ökostrom geladen, fährt also emissionsfrei und leise. Mit eigens produzierter Energie läuft der grüne Vorzeigedampfer allerdings noch nicht. Solaranlagen, sagt Grießer, würden die Bootsfahrer zu sehr blenden. Immerhin: E-Radlfahrer können ihre Räder gleich auf dem Schiff aufladen.

Ähnlich wie bei E-Autos bringt der grüne Fortschritt auch praktische Nachteile mit sich. Wer in Starnberg an Bord gehen will, muss Glück haben, auch am Anlegesteg der namensgebenden Gemeinde Berg hält das neue Schiff nur selten. Die EMS Berg befährt hauptsächlich die südliche Rundfahrt zwischen Tutzing, Ambach, Seeshaupt und Bernried. Für die große Rundfahrt um den kompletten See reicht der Akku nicht aus. Hier fahren weiterhin ausschließlich Schiffe mit Verbrenner.

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Einmal musste sogar die kürzere Südrundfahrt abgebrochen werden, um mit der Berg das Ufer wieder zu erreichen. Das Problem mit der Reichweite macht auch Kapitän Wolfgang Fischer zu schaffen: "Den Dieselschiffen langt eine Tankfüllung für die ganze Woche." Volle Passagierauslastung in Kombination mit starkem Wind sei für die Berg hingegen problematisch. "Da kann's dann schon eng werden", sagt Fischer.

5,3 Millionen Euro hat die Berg, der Stolz der bayerischen Flotte, gekostet. Ein herkömmliches, dieselbetriebenes Passagierboot sei in der Anschaffung zwar circa 750 000 Euro günstiger, allerdings sei der E-Dampfer nach aktuellen Berechnungen weniger teuer im Unterhalt.

Wirtschaftlich seien die Stromer-Schiffe in der Anschaffung mittlerweile nicht mehr zu schlagen, so Lindner

Luis Lindner vom Verband für Elektroschifffahrt und Ladeinfrastruktur in Berlin, ein Experte für Elektromobilität auf dem Wasser, sagt, neue Fahrgastschiffe in dieser Größenordnung würden mittlerweile fast ausschließlich mit elektrischem Antrieb gebaut. Auch wirtschaftlich seien die Stromer-Schiffe in der Anschaffung mittlerweile nicht mehr zu schlagen, so Lindner, da der Bund die elektrischen Antriebe mit einer 80-prozentigen Förderung unterstützt. Auch die Umrüstung von herkömmlichen Schiffen auf Elektroantrieb werden mit der gleichen Quote gefördert.

Zwar könnte das Trafohäuschen am Werftgelände neben der Berg noch ein zweites Elektroschiff aufladen. Eine strombetriebene Schwester wird die EMS Berg in nächster Zeit aber nicht bekommen. Die Bayerische Seenschifffahrt hat während der Corona-Pandemie zwei Jahre lang rote Zahlen geschrieben. "Es muss erstmal wieder Geld verdient werden", sagt Geschäftsführer Grießer.

Nach 20 Minuten dreht der Kapitän das Steuerrad bereits wieder. Die Berg wendet gen Starnberger Bucht, die Geburtstagsrundfahrt der einsamen Pionierin ist beendet. Am Nachmittag wird sie wieder auf der südlichen Runde unterwegs sein - und hoffentlich nie auf halber Strecke liegenbleiben. Der Staatsminister gibt den Mutmacher. "Wenn man Pionier ist, braucht es manchmal eine erhöhte Frustrationstoleranz", sagt Füracker.

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