Wenn Marco Seeba sagt: "Wir setzen alles daran, dass Corona nicht aufs Gelände kommt", dann klingt das nach einem frommen Wunsch. Doch sobald der Geschäftsführer von "Wort des Lebens" (WDL) das strikte Konzept, das auf der zwischen Berg und Münsing gelegenen Seeburg herrscht, erläutert, denkt man sich: Es könnte funktionieren, Corona auszusperren. Das Virus auf der Burg zu haben, wäre für Seeba und seine Mannschaft der Gau. Schließlich verleben hier seit Jahrzehnten Tausende Kinder und Jugendliche ihre Ferien.
Burgherr Seeba, 46, wirkt entspannt. Auch seinem Pressesprecher Stefan Petersen ist nichts anzumerken von der Anspannung der vergangenen Monate. Vom vielen Grübeln und den Sorgen in Verbindung mit der Pandemie. "Wir setzen alles daran, Kindern und Jugendlichen weiterhin eine Hammer-Zeit zu machen", sagt der 34-jährige Petersen. Eine Zeit, in der Ungezwungenheit und Freundschaften die Hauptrolle spielen, und Corona allenfalls eine Nebenrolle. "Denn die Belastungen im Lockdown haben", nach Peters Erfahrung, "etwas mit den Kindern gemacht". Doch um den Aufenthalt zu einer tollen Zeit für sie zu machen, braucht es Regeln. Klare Regeln.
Das Konzept, das sich "Wort des Lebens" zusätzlich zur Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auferlegt hat, ist ebenso strikt wie eingängig. Wer bei "Wort des Lebens" seinen Urlaub verbringen will, muss einen negativen Corona-Test vorweisen, dessen Ergebnis nicht älter als drei Tage ist. Wer den nicht vorlegen kann, braucht gar nicht erst anzureisen. Mitarbeiter, die hier arbeiten, verpflichten sich dazu, sich vor jeder Kinder- und Jugendfreizeit, also alle paar Wochen, neu testen zu lassen. Das gilt auch für ihre Familienangehörigen. Sie alle sind ferner dazu bereit, ihre persönlichen Kontakte zu reduzieren und diese darüber hinaus genau zu dokumentieren. Einschränkungen sind das, die den Familien der Mitarbeiter und vor allem deren Kindern einiges abverlangt.
"Das lässt sich nur durchhalten, wenn man ein höheres Ziel hat", sagt Petersen, der mit seiner Frau und den drei Kinder einen Ort weiter lebt. "Wir wollen einfach einen guten und sicheren Job machen." Sein Chef Marco Seeba lebt mit seiner Frau und den vier Kindern direkt auf der Seeburg. Dem Führungsteam ist bewusst: "Würden wir nicht in Bayern leben und könnten wir uns und unsere Angehörigen nicht regelmäßig testen lassen, gäbe es derzeit keine Freizeiten auf der Seeburg."
Doch mit den konsequenten Tests und mit wenigen Privatkontakten ist es nicht getan. Es wird auch jeden Tag bei allen Personen auf dem Gelände - egal ob Personal oder Jugendliche - die Temperatur gemessen. 70 digitale Thermometer hat Seeba eigens dafür angeschafft. Sie liegen verteilt in allen Schlaf- und Verwaltungsräumen. Auf der Burg sind die Kinder untergebracht, und im etwas nördlich gelegenen Schloss in Unterallmannshausen die Jugendlichen. Darum wird die Burg intern auch "Kinderburg" genannt und das Schloss "Jugendschloss". Die Schlösser hat der Freistaat dem Verein vermietet. Die jungen Gäste sind in Mehrbettzimmern untergebracht und bleiben in dieser Konstellation auch beim Mittagessen zusammen. Sie bilden eine Minieinheit. Draußen spielen und am Lagerfeuer grillen, dürfen sie in größeren Gruppen. "Mehrmals die Woche sitzen wir zusammen, überlegen, wie wir unsere Arbeit in Einklang mit allen neuen Bestimmungen bringen", sagt Petersen.
Apropos Bestimmungen und Konzepte: Davon gibt es auf der Seeburg jede Menge. Da wären das Beherbergungs-, das Gastronomie-, das Veranstaltungs-, das Sport- und das Gottesdienst-Konzept. Dahinter verbergen sich so viele Regeln, was spaßfrei klingt. Sei es aber nicht, finden Seeba und Petersen. "Die Teilnehmer machen super mit." Zum Beispiel bei der Maskenpflicht in den Gängen, am Büfett im Speise- und Gottesdienstsaal. Erst am Platz dürfen die Masken abgenommen werden. Gebetet wird auf der Seeburg zweimal täglich, morgens und abends.
Doch hier wird auch Aktion gemacht. Bereits am zweiten Tag jeder Ferienfreizeit steht "Tough Mudder" auf dem Programm. Das ist ein einzigartiger Hindernislauf, bei dem es recht wild und auch mal schlammig zugeht. Das Spiel fördere Teamgeist und Nervenstärke, heißt es. Kleinere Verletzungen sind da keine Seltenheit. Aber es macht allen Spaß, ähnlich wie Bogenschießen und Fußball spielen.
Jede Jugendfreizeit dauert zwischen sieben und elf Tagen. Die Organisatoren haben die Teilnehmerzahl bei den Jugendfreizeiten um ein Drittel reduziert, von 150 auf 115. Bei den Kinderfreizeiten sind es 80, statt wie bisher 110. Normalerweise nehmen pro Sommer rund 2000 Kinder und Jugendliche an den Freizeiten teil, und die Wartelisten sind fast ebenso lang. In diesem Jahr durften nur 1000 junge Menschen kommen. Das bedeutete 70 Prozent Umsatzeinbußen für den gemeinnützigen Verein. "Hätten wir nicht unseren Freundeskreis und die Eltern, die uns unterstützen, gäbe es uns nicht mehr", stellt Seeba unumwunden fest. "Unsere Unterstützer haben uns über Wasser gehalten." Denn der Geschäftsführer musste im Lockdown Kurzarbeit anmelden und die Mitarbeiter nach Hause schicken. "Das war hart."
Nun sind die Anmeldelisten voll. Die Eltern vertrauen darauf, dass es den Betreuern gelingt, das Virus von ihren Kindern fern zu halten und ihnen eine unvergessliche Zeit zu bereiten. So ist auch die Silvesterfreizeit bereits ausgebucht. Im kommenden Jahr sind insgesamt 45 Freizeiten und Klassenfahrten auf der Seeburg geplant - wenn Corona draußen bleibt.