Starnberger Marionettentheater:Feiger, fauler Held

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Das Ensemble spielt "Das tapfere Schneiderlein" mit dem Kasperl Larifari

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Da steht er auf der Bühne, im typischen Franz-Graf-von-Pocci-Stil, wie ihn die Kinder lieben: Der Kasperl Larifari in roter Jacke, grünem Brustlatz mit einem riesigen Hosenknopf, einem weißen, gezackten Kragen und einen spitzen Hut. Er braucht immer ein frisches Bier. Doch sein Eheweib sei gegen diesen Zeitvertreib, jammert er. "Sie schimpft bloß, das ist vieler Männer Los." Seine Frau kontert, dass er nur ein fauler "Gschaftlhuber" sei. Eigentlich ist Poccis Kasperl gar nicht der Held, wie ihn Kinder erwarten. Er ist schreckhaft und zuweilen feige, versucht sich vor der Arbeit zu drücken, wann immer es möglich ist. Dennoch zieht er die Kinder während der Aufführung von "Das tapfere Schneiderlein" des Starnberger Marionettentheater in seinen Bann. Sie hängen an seinen Lippen und zittern mit ihm mit, wenn er beim Anblick eines bösen Einhorns, eines Wildschweins und zweier Riesen schlottert vor Angst. Das Marionettentheater ist beliebt, die Nachmittagsvorstellung am Samstag im Gebäude der Volkshochschule war mit knapp 100 Besuchern ausverkauft.

Seit 1986 gibt es das Starnberger Marionettentheater. Damals hatte Arnulf Gnam der Stadt seine Marionettensammlung vermacht unter der Auflage, dass mit ihnen gespielt wird. Daher hatte die VHS damals Spieler gesucht. Einer der Mitbegründer war der im vergangenen Jahr verstorbene Egon Blädel, der für seine Verdienste um das Marionettentheater 2007 den Kunst- und Kulturpreis Pasing erhielt und 2009 mit dem Pocci-Preis sowie 2010 mit der Bürgermedaille der Stadt Starnberg ausgezeichnet wurde. "Das tapfere Schneiderlein" war 1986 die erste Aufführung des Marionettentheaters und zu Blädels Ehren wird das Grimm-Märchen nun wiederholt.

In den mehr als 33 Jahren sind viele Ensemblemitglieder aus Altersgründen ausgeschieden und neue kamen hinzu. Die Puppenstimmen sind jedoch noch immer in der damaligen Besetzung zu hören mit Blädel als Kasperl Larifari. Uwe Mertsch ist einer der wenigen Mitglieder, die von Anfang an dabei waren. Wie er erklärt, ist es allgemein üblich, dass die Stimmen vom Band abgespielt werden. Denn die Spieler haben genug zu tun, um die Fäden zu ziehen und die Glieder der Puppen zu bewegen. Eins bis zwei Jahre Erfahrung braucht ein Spieler laut dem Regisseur Mertsch, bis er mit den vielen Fäden zurechtkommt und sich an der Aufführung beteiligen kann. Die Anzahl der Puppen ist mittlerweile auf etwa 320 Stück angewachsen. Hinter der Bühne hängen sauber aufgereiht die Marionetten, die für die Aufführung benötigt werden. In Regalen sind die liebevoll bemalten Kulissen und Accessoires ordentlich gestapelt.

Normalerweise werden die Pocci-Stücke im Original aufgeführt. Da sie aus der Zeit um 1850 stammen, müssen sie jedoch angepasst werden, um Ausdrücke, die in der heutigen Zeit nicht mehr korrekt sind, abzumildern und zu entschärfen. Doch manches lässt sich laut Mertsch nicht umschreiben, wie beispielsweise die vorurteilsbehafteten Dialoge des Kasperls. Die Kinder stört das nicht, sie sind so begeistert, dass sie nach der Vorstellung geduldig anstehen, um ein Selfie mit ihrer Lieblingspuppe zu machen.

Für das Ensemble beginnt nach den Aufführungen die neue Saison. Manche Stücke werden im Sinne Poccis neu geschrieben. Schon jetzt schreibt Margit Hofstetter ein Stück für die Saison 2021 um. Heidi Janicek malt dann die Kulissen und stellt, falls erforderlich, neue Puppenskelette her. Rund 100 Stunden benötigt sie dafür. Für den Kasperl Larifari wird übrigens eine neue Stimme gesucht. Interessenten können sich bei den Aufführungen oder im Kulturamt melden.

Karten im Kulturamt unter 08151/772-170 oder -136 und per E-Mail an veranstaltungen@starnberg.de oder bei der Touristeninformation touristinfo@gwt-starnberg.de, Telefon 08151/906000. Vorstellungen jedes Wochenende im Januar im VHS-Gebäude, Bahnhofsplatz, Starnberg, samstags um 15 und 17.30 Uhr sowie sonntags um 11 und 14 Uhr

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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