Rechtzeitig zum Beginn der Sommerferien erscheinen die „Starnberger Hefte“ mit einem groß angelegten Plädoyer für den Müßiggang. Schon das wundersam merkwürdige Titelfoto mit der schlafenden Katze macht Lust, auf der Stelle den Schreibtisch zu verlassen und selbst die kommenden sechs Ferienwochen irgendwo auf einer Bank im Schatten zu verschlafen. „Untätig“ lautet das Motto der 37. Ausgabe der feinen Starnberger Literaturzeitschrift – für die Redaktion und Autoren jedoch alles andere alles untätig waren.
Herzstück des aktuellen Hefts ist ein ausführlicher Spaziergang durch die Literaturgeschichte von Roger Schöntag. Der Leser begegnet zuerst den frühzeitlichen Jägern und Sammlern, bei denen Arbeit als Konzept ebenso wenig definiert war wie Freizeit. Schon Aristoteles kommt aber dann zu dem Schluss: „Die Glückseligkeit scheint weiterhin in der Muße zu bestehen.“ Jedoch weder bei den alten Griechen noch im christlichen Mittelalter waren Müßiggänger gut angesehen: Faulheit, Genusssucht „und andere schöne Dinge“, so Schöntag, galten damals als Todsünden und führten unweigerlich in die Hölle.
Weiter geht es durch Renaissance und Aufklärung bis in die Romantik. Und bald treten die professionellen Taugenichtse, Nichtstuer, Flaneure, Casanovas, Bohemiens, Dandies und schließlich Hippies auf – es ist ein ebenso kundig angelegter wie vergnüglicher Parcours. Die Gegenwart aber sieht laut Schöntag so aus: „Wenn die Kaffee- und Mittagspause eigentlich zum ,Social Networking’ genutzt werden sollte, die kleinen Verschnaufpausen im Büro entweder für einen leistungssteigernden ,Power Nap’ oder zumindest zur ,Muscle Relavation’ auf einem bunten Riesengummiball, damit man noch länger an seinem Arbeitsplatz durchhält, und man schließlich nach dem verdienten Büroschluss nicht zum Feierabendbier abbiegen darf, sondern möglichst direkt in ein Fitnessstudio oder zumindest zu einer Yoga- oder Meditationssession, dann beginnt der noch denkende Mensch sich unweigerlich die Sinn-Frage zu stellen.“
Die übrigen zwölf Textbeiträge könnte man sozusagen als Repliken auf dieses Lob der Faulheit verstehen. Patricia Czezior etwa reagiert mit ihrem Gedicht „Tag der Arbeit“ skeptisch auf die Verheißungen der Untätigkeit: „Die Freiheit / macht den Kopf / schwer. Selbst / portioniert eine fremde / Last.“ Thomas Keil setzt sich mit der Überlebenskunst des Faultiers auseinander und Sonja Haanraads entwickelt im Gedicht „Auf meinem Weg“ den Gedanken, ob nicht Innehalten statt hektischem Getriebensein bei manchen Lebensentscheidungen von Vorteil gewesen wäre.
Jürgen Protz’ Erzählung „Die Prügelei an der Mehrzweckhalle“, die von einem Campingurlaub in Frankreich berichtet, macht Lust, möglichst bald Zelt und Gaskocher einzupacken und sich auf den Weg zu machen. Oder vielleicht doch nur ein kleines Köfferchen mitzunehmen und in dem Hotel mit dem schönen, verglasten Schwimmbad einzuchecken, das Annette Girke am Morgen, bei Sonnenuntergang und noch einmal spät nachts gemalt hat. Die so entstandene Bildserie „Inside Outside“ ist die perfekte Illustration für dieses sommerliche Faulenzerheft.
Die Präsentation der 37. Ausgabe der „Starnberger Hefte“ findet am Donnerstag, 18. Juli, um 19 Uhr im Evangelischen Gemeindesaal in Starnberg, Kaiser-Wilhelm-Str. 18, statt. Als Begleitung spielen Maria Bernhard (Klarinette) und Anton Bernhard (Klavier) Fantasiestücke von Niels Wilhelm Gade. Sophie Vigano (Flöte) trägt die Allemande und die Courante aus Johann Sebastian Bachs Partita für Flöte Solo vor. Johanna Gehlen (Violoncello) beschließt den Abend mit Preludio und Fantasia aus der Suite für Violoncello Solo von Gaspar Cassado.