Süddeutsche Zeitung

Starnberger Haushalt:Kröten schlucken

In seltener Eintracht beschließen die Stadträte den Etat über 88 Millionen Euro. Doch ihnen graut schon vor den kommenden Jahren

Von Peter Haacke, Starnberg

In seltener Einigkeit hat der Starnberger Stadtrat den Haushalt 2021 und die Finanzplanung für 2022 bis 2024 mit einer Gegenstimme verabschiedet. Nach nur zwei Sitzungen war das insgesamt 88,3 Millionen Euro schwere Gesamtpaket der Kreisstadt, das durchaus als "Sparhaushalt" bezeichnet werden kann, erarbeitet worden. Zum Abschluss folgte am Donnerstag das große Schaulaufen der Gruppierungen mit den Abschlussreden der Chefs der acht Fraktionen. Zwar überwog das Lob angesichts der erstaunlich reibungslosen und harmonischen Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Stadtrat. Dennoch gab es auch kritische Zwischentöne - insbesondere von den Grünen, die laut Franz Sengl "dicke Kröten schlucken" mussten und Ex-Bürgermeisterin Eva Pfister (vormals John), die den Entwurf als "ganz bestimmt nicht außerordentlich toll" bezeichnete.

554 Seiten umfasst der Starnberger Haushalt 2021, dessen Eckpunkte Kämmerer Stefan Deller mit 73,9 Millionen Euro im Verwaltungs- und 14,4 Millionen im Vermögenshaushalt skizzierte. Die größten Ausgaben stellen Kreisumlage (18,9 Mio.) und Personal (18,4 Mio.) dar - mehr als die Hälfte des Verwaltungsetats. Der Schuldenstand der Stadt wächst zum Jahresende voraussichtlich auf 12,3 Millionen, sofern ein Kredit in Höhe von 3,9 Millionen notwendig sein sollte. Die Pro-Kopf-Verschuldung steigt auf 525 Euro und entspricht damit dem Landesdurchschnitt für bayerische Gemeinden bis 20 000 Einwohner. Durch die weitgehende Auflösung von Haushaltsausgaberesten steigt die Rücklage der Stadt - das Sparkonto - auf 3,6 Millionen. Statistisch betrachtet hat jeder Starnberger 1611 Euro Steuern entrichtet. Wichtigste Einnahmen bleiben Gewerbesteuer (16,9 Mio.), Einkommensteuer (20,1 Mio.) und Grundsteuer (4,5 Mio.). Die größten Ausgaben betreffen Kindergärten und Schulen.

Auffallend bei den Abschluss-Statements war das gegenseitige Lob für Verwaltung, Kämmerei, Bürgermeister und Stadtrat: Die Beratungen waren so unaufgeregt wie selten zuvor verlaufen. Einig war man sich aber auch darin, dass Starnberg schwere Jahre bevorstehen. Jedes Projekt und jeden Euro werde man künftig kritisch hinterfragen müssen, kündigte Bürgermeister Patrick Janik an.

Für die CSU würdigte Thomas Beigel, dass "wir endlich Luftschlösser weggelassen haben". Tim Weidner (SPD) bezeichnete den Finanzausschuss als "Reparaturbetrieb im Einsatz für Wahrheit und Klarheit" und mahnte strategisch bedeutsame Entscheidungen fürs nächste Jahrzehnt an: Neben den sanierungsbedürftigen städtischen Gebäuden meinte er vor allem die anstehenden Verhandlungen mit der Bahn. "Weit weg von Traumtänzereien" wähnte Marc Fiedler (FDP) den Entwurf und blickte sorgenvoll in die Zukunft: "Es wird nicht schwierig, es wird schlimm." Winfried Wobbe (UWG) zeigte sich zufrieden ("erfreuliches Ergebnis"), Michael Mignoli (BLS) lobte die "Arbeit in angenehmster Atmosphäre" und fühlte sich als "Teil des Gesamtteams Stadtrat". Sogar die WPS stimmte durch Raphael Felber in den Jubelchor ein, wovon sich Bürgermeister Janik ("eine Gemeinschaft, eine Stadt, ein Team") besonders bewegt fühlte.

Die Grünen stimmten dem Entwurf ebenfalls zu, erachteten einige Punkte jedoch als fragwürdig - darunter die Untersuchung der Nordost-Umfahrung, das Gewerbegebiet Schorn, verfehlte Klima-Ziele, Telefonkosten oder "das absurde Verhältnis von Reinigung und Reinigungsmitteln". Eva Pfister bezeichnete den Entwurf als "nicht sozial verträglich". Sie verwahrte sich dagegen, sie habe einen Scherbenhaufen hinterlassen. Pfister würdigte stattdessen eigene Verdienste und machte die CSU für die Finanzpolitik der Vorjahre mitverantwortlich. Wichtige Themen wie Barrierefreiheit würden "gekillt". Ihr Appell: keine Fortsetzung der "Kampfmaschinenpolitik". Konsequent blieb Ursula Lauer (Grüne): Sie wolle keine Kröten schlucken, sondern lieber retten, sagte sie, und stimmte als einzige gegen den Haushalt.

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SZ vom 27.02.2021
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