Starnberger Feuerwehr:Experten fordern Nachrüstung bei der Sicherheit im Tunnel

Starnberger Feuerwehr: Vor allem Atemschutzträger benötigt die Starnberger Feuerwehr - hier Brandretter bei einer Übung im Bauhof der Stadt.

Vor allem Atemschutzträger benötigt die Starnberger Feuerwehr - hier Brandretter bei einer Übung im Bauhof der Stadt.

(Foto: Freiwillige Feuerwehr Starnberg)

Die Feuerwehr braucht bei einem Brand 60 Kräfte, hat derzeit tagsüber aber nur ein Dutzend. Zudem sollen Löschanlage und Aufzüge eingebaut werden.

Von David Costanzo und Peter Haacke

Es brennt selten in Tunnels. Aber wenn einmal ein Auto Feuer fängt, dann zählt jede Sekunde, dann schweben viele Menschen in Lebensgefahr, dann gilt höchste Alarmstufe für die Retter. So wird es auch beim Starnberger B2-Tunnel sein, der in acht Jahren fertig sein soll. Zwei Forderungen stellen Experten und Starnbergs Kommandant Markus Grasl auf: Die Feuerwehr benötige viel mehr Leute, als sie heute alarmieren kann - nämlich 60 statt bislang in der Regel ein Dutzend. Und der Tunnel selbst müsse sicherer ausgestattet sein, als er bislang geplant ist. "Zwingend" seien eine eingebaute automatische Brandlöschanlage und eigene Feuerwehraufzüge, damit die Retter schnell in die Röhre kommen. Für so eine Umplanung will das Staatliche Bauamt beim Bund werben, der den 200-Millionen-Bau bezahlt und damit auch die Mehrkosten tragen müsste.

Mehr als 50 Feuerwehrleute waren am Montagabend zur Sicherheitsdebatte in den Stadtrat gekommen, der ausnahmsweise im großen Saal der Schlossberghalle tagte. Drei Vorträge zu Feuerwehrtaktik, Tunnelplanung und zum Arbeitskreis von Rettungsorganisationen, Stadt und Bauamt standen auf der Tagesordnung.

Wie die Brandretter im Tunnel vorgehen, erklärte Christian Brauner von der Schweizer Feuerwehrschule "International Fire Academy". Nicht die Hitze sei das Problem, sondern der giftige Rauch, der sich im Tunnel schneller ausbreite als im Haus von Zimmer zu Zimmer. Die Einsatzkräfte machen sich den Wind zunutze, der im Tunnel oft in eine Richtung wehe. Während auf der kühlen Anströmseite, von der der Wind kommt, die Feuerwehrleute bis unmittelbar zum Brand gelangten, herrsche auf der anderen Seite die "Hölle" - hunderte Grad Celsius und dichter Qualm.

Die Retter im Tunnel benötigten nicht wie gewohnt eine, sondern zwei Sauerstoffflaschen auf dem Rücken, das macht 18 Kilo Gepäck. Damit könnten sie im Schnitt 300 Meter überwinden, bei 500 Metern werde es gefährlich. Die Entfernung sei die kritische Größe, sagte der Gutachter. Feuerwehrleute seien für solche Einsätze nicht ausgebildet. Hunderte Meter mit Sauerstoffmaske, im Dunkeln, in der Hitze - "da hat selbst der stärkste Feuerwehrmann die Hosen voll". Im Starnberger Tunnel wird diese Größe nicht überschritten, alle 300 Meter sind Notausgänge geplant, durch die Feuerwehrleute zum Löschen kommen können. Bei einem Unglück zwischen zwei Rettungstüren beträgt die Entfernung 150 Meter. Weil Türen aber blockiert sein könnten, geht der Gutachter von maximal 300 Metern "Eindringtiefe" aus.

Kritisch wird es beim Personal. "Sie brauchen richtig viele Leute", sagt Brauner, "und die haben sie heute nicht." Die Retter müssten im Brandfall nicht nur Löschen, sondern die ganze Röhre nach Opfern absuchen, die auch unverletzt auf der Flucht ohnmächtig vom Rauchgas werden können. Studien zeigten, dass viele Menschen nicht durch einen Notausgang fliehen, sondern zurück durch den Tunnel laufen, weil sie diesen Weg kennen. "Die meisten Toten im Tunnel ersticken vor den Notausgängen", sagt Brauner. Zur Suche nach Opfern müsse die Feuerwehr im Starnberger Tunnel alle sechs Notausgänge anfahren und mit Einsatzkräften betreten, dazu kommen je zwei Löschfahrzeuge an beiden Tunneleingängen. Das entspreche 60 Feuerwehrleuten, darunter 48 mit Atemschutz. Das müsse aber keine Berufsfeuerwehr sein.

Von solchen Zahlen kann Kommandant Markus Grasl nur träumen. Wenn es tagsüber brennt und viele seiner Leute auswärts ihrem Beruf nachgehen, schafft er es gerade, einen "halben Löschzug" zu besetzen - Löschfahrzeug, Drehleiter und Leitungswagen mit etwa elf Einsatzkräften. Derzeit gibt es in Starnberg tagsüber maximal sechs Atemschutzträger. Um die nötige Schlagkraft zu erreichen, muss Grasl zusätzlich Kameraden in der Regel aus Leutstetten, Söcking und sogar aus der Nachbargemeinde Pöcking alarmieren. "Kein Bürger ist in Gefahr", betont der Kommandant, denn die Kameraden helfen sich - zumindest noch, denn die im Schnitt 400 Einsätze im Jahr belasteten auch die befreundeten Wehren sehr. Die Stadt müsse unabhängig vom Tunnel handeln.

Wenn es nach Grasl ginge, hätte er bereits ein Löschfahrzeug im Betriebshof stationiert, das die Mitarbeiter im Notfall besetzen würden. Das aber wolle die Stadt derzeit nicht. Ein Feuerwehrbedarfsplan soll im kommenden Jahr Klarheit über den Bedarf und mögliche neue Standorte schaffen, auch weil das Gewerbegebiet Schorn ausgebaut werden soll. Erst im Februar hatte Grasl Alarm geschlagen: Statt der laut Feuerwehrgesetz in Starnberg nötigen 114 Retter verfüge er nur über 43 und über die auch nur abends und nachts. Die Stadt könne etwa auch eigene Angestellte zum Feuerwehrdienst heranziehen oder weitere Gerätewarte einstellen. Darauf werde es hinauslaufen, damit der Tunnel und zuvor schon sein Bau abgesichert werden kann.

Was die Planung der Röhre angeht, müssten unbedingt Löschanlage und Feuerwehraufzüge eingebaut werden. Die Rettungsstollen seien bis zu 36 Meter tief, das entspricht zwölf Stockwerken. Wenn die Kameraden diese auf Treppen überwänden, seien sie schon aus der Puste, noch bevor der Einsatz unter Atemschutz beginne. Ganz zu schweigen von Behinderungen durch Menschen, die sich nach oben retten und den Feuerwehrleuten entgegenkommen. Auch der Planungsgutachter der Stadt, der am Montag seinen Vortrag absagte, halte Löschanlage und Aufzug für zwingend, "um einen baurechtlich funktionierenden abwehrenden Brandschutz zu gewährleisten". Zum gleichen, eindeutigen Ergebnis war zuvor schon die Schweizer Feuerwehrschule gekommen.

Aus Sicht des Staatlichen Bauamts haben alle Beteiligten das gleiche Ziel. "Wir wollen den Tunnel sicher machen", sagte Behördenleiter Uwe Fritsch. Derzeit gebe es drei offene Themen: die Löschanlage, die Aufzüge und die Aufstellflächen an den Notausgängen. Die vorliegenden Gutachten seien eine gute Argumentationsgrundlage gegenüber dem Bund als Kostenträger, sagte Tunnel-Projektleiter Herwig Ludwig. Die Entscheidung darüber, ob und wie der Tunnel nachgerüstet werden kann, fällt jedoch voraussichtlich erst Mitte April in Berlin. Ziel der Besprechung ist laut Ludwig ein "größtmöglicher Konsens".

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