Starnberg:Zu viele Projekte, zu wenig Personal

Söcking: Carolinen Ecke Riedeselstrasse

Der "Stachus" von Söcking: Der Ortsteil gilt als Sanierungsgebiet, doch angesichts der Personallage im Rathaus soll das Projekt zurückgestellt werden.

(Foto: Nila Thiel)

Die Stadt erwägt das Aus für ein Sanierungskonzept, das den Ortsteil Söcking aufwerten sollte. Pflichtaufgaben und die Bewerbung um die Landesgartenschau haben aus Sicht der Verwaltung Vorrang

Von Peter Haacke, Starnberg

Stadt- und Gemeindeverwaltungen tun sich immer schwerer, geeignetes Personal für die vielfältigen Aufgaben einer Kommune zu finden. Aspiranten sind rar, viele Bewerber seien ungeeignet, heißt es. In Starnberg stehen diverse Großprojekte an, doch die Löcher in der städtischen Personaldecke sind kaum mehr zu stopfen: Stadtbaumeister Stephan Weinl hat den Stadtrat nun im Vorfeld der anstehenden Haushaltsberatungen auf die fatale Entwicklung hingewiesen. Er erwägt einen drastischen Schritt: Das "Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept" (ISEK) für den Ortsteil Söcking stehe vor dem Aus, die Bewerbung für eine Landesgartenschau im Jahr 2032 habe Vorrang. Beide Projekte sind bis Frühjahr 2022 fristgebunden, angesichts der knappen Ressourcen sei beides aber kaum machbar.

Zu viele Projekte, zu wenig Personal: Es ist nicht das erste Mal, dass aus der Bauabteilung des Starnberger Rathauses ein Hilferuf erschallt. Schon einmal hatte Weinl im Mai dieses Jahres auf die chronische personelle Unterbesetzung hingewiesen. Daraufhin wurden anstehende Bauvorhaben der Stadt priorisiert, der Bürgerservice drastisch eingeschränkt: Das städtische Bauamt kam vielen Sonderwünschen angesichts einer Unzahl von Bebauungsplänen schlicht nicht mehr hinterher.

Doch auch im Sachgebiet Straßen- und Landschaftsbau sowie der Stabsstelle fehlt es offenbar vorn und hinten an Personal: Derzeit sind allein in der Bauabteilung von insgesamt 35 Stellen fünf Posten für Ingenieure unbesetzt, weitere elf Stellen sind zeitlich beschränkt. Es fehlt an Ingenieuren, Technikern und Verwaltungskräften. Für den Posten eines "Tunnelkümmerers" fand sich niemand, ein dringend benötigter Umweltingenieur wird für Februar erwartet. Einen dritten Bericht will Weinl im November zur Situation des städtischen Immobilienmanagements vorlegen, die wichtigsten Stichworte dazu lauten Bayerischer Hof, Musikschule oder Rathaus.

Das Papier, das Weinl nun im Bauausschuss vorlegte, liest sich streckenweise wie ein Offenbarungseid. Im Bereich Straßen- und Landschaftsbau seien 2,6 von sechs Vollzeitstellen unbesetzt, beim Straßen und Beitragsrecht nur 0,4 von vier Stellen. Man behelfe sich mit Vertretungen und Teilzeitjobs. Priorität aber hätten im Rathaus zunächst die Pflichtaufgaben. Hinzu kämen Großprojekte wie Seeanbindung, B2-Tunnel, ISEK oder Wiesengrund sowie "kleinere" Projekte wie die Umgestaltung des Bahnhofplatzes, die Förderung der Fahrradinfrastruktur oder Barrierefreiheit. Zuletzt kam auch noch die Bewerbung um die Landesgartenschau hinzu. Doch alles zusammen gehe nicht. In der Beschlussvorlage heißt es dazu: "Die Bearbeitung der Bewerbung zur Landesgartenschau bindet derzeit umfassende Kapazitäten, wodurch eine Schwerpunktsetzung hinsichtlich der übrigen Projekte erfolgen muss." Die Starnberger Bewerbung muss bis 8. April vorliegen, die Stadträte erhoffen sich von einer Ausrichtung der Landesgartenschau wesentliche Impulse zur Realisierung der "Seeanbindung".

Um sich Luft im Wettlauf gegen die Zeit zu verschaffen, möchte Weinl einige bereits laufende Projekte nicht weiter verfolgen - darunter die Umgestaltung der Bahnhofstraße, die Förderung der Fahrradinfrastruktur - und eben das ISEK für Söcking: Zum einen sei das Gutachten fristgerecht zum 31. März nicht fertigzustellen, zum anderen sei es nicht vorstellbar, dass langfristig die Umsetzung eines "Sanierungsgebiets Söcking" und einer Landesgartenschau gleichzeitig erfolgen könne. Zur Erinnerung: Die damalige Bürgermeisterin Eva Pfister (vormals John) hatte das Konzept mit Bürgerbeteiligung kurz vor den Kommunalwahlen 2020 werbewirksam auf den Weg gebracht und damit große Erwartungen geweckt. Infolge der Corona-Pandemie fehlen aber wichtige Konzeptbausteine. Geplant waren Bürger- und Experten-Workshops, die jedoch nicht stattfanden. Gleichwohl wurden Fördermittel beantragt und ein Planungsbüro beauftragt: 30 000 Euro sind ausgegeben, davon 17 000 Euro Fördermittel. Mehrfach war die Abgabefrist für das Gutachten beim Freistaat verlängert worden, doch nun soll Schluss sein. Die Verwaltung fordert die Einstellung des Projekts.

Das Gremium reagierte mit Ernüchterung auf den Vortrag - ein Effekt, auf den Bürgermeister Patrick Janik offenbar gehofft hatte. In einer emotional geführten Debatte wehrte sich vor allem die BMS-Fraktion mit Hinweis auf "erhebliche Missstände" in Söcking gegen ein Ende des Projektes, zumal Fördergelder zurückzuzahlen seien und das Planungsbüro weitere Forderungen geltend machen dürfte: Bis zu 70 000 Euro könnte die Absage kosten. Gegenwind kam von Otto Gaßner (UWG), Ludwig Jägerhuber (CSU) und Franz Sengl (Grüne). Am Ende folgte das Gremium einem Vorschlag von Jägerhuber: Man will beim Freistaat eine weitere Fristverlängerung für das Gutachten erwirken. Sollte das nicht klappen, "werden wir es nicht weiter bearbeiten können", sagte Janik am "Tag der harten Realitäten". Den Söckingern zum Trost: Einzelprojekte könnten wohl auch ohne ISEK realisiert werden.

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