WettbewerbDie Olympischen Spiele der Berufe

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Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel erhält ein Geschenk von einem humanoiden Roboter beim Empfang der Teilnehmer der 45. Berufsweltmeisterschaft WorldSkills 2019.
Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel erhält ein Geschenk von einem humanoiden Roboter beim Empfang der Teilnehmer der 45. Berufsweltmeisterschaft WorldSkills 2019. (Foto: Carsten Koall/picture alliance/dpa)

Rund 1500 Teilnehmende aus rund 70 Ländern und Regionen kämpfen in Lyon darum, die Besten ihrer Zunft zu sein. Unter ihnen: eine Starnbergerin mit Medaillenhunger.

Von Katharina Dahme, Starnberg

Die Medaillenjagd in Frankreich hat nach den Olympischen und Paralympischen Spielen noch lange kein Ende. Denn: In Lyon werden die 47. World Skills veranstaltet. So heißt die WM der Berufe, die alle zwei Jahre stattfindet und dieses Jahr in Lyon ausgetragen wird. Für Team Deutschland werkeln vom 10. bis 15. September 42 Fachkräfte in 37 Berufsdisziplinen um einen Platz auf dem Treppchen. Insgesamt gibt es 59 Disziplinen, in denen etwa 70 antretende Länder und Regionen Medaillen gewinnen wollen.

„Man kann die brillanten Höchstleistungen der Wettkämpferinnen und Wettkämpfer nicht hoch genug bewerten“, betont Hubert Romer, Geschäftsführer von WorldSkills Germany. „Sie zeigen über alle Berufsfelder hinweg Exzellenz und Spitzenleistungen. Der Volksmund nennt die Wettbewerbe auch gerne die ‚Olympischen Spiele der Berufe‘. Das sagt schon vieles aus.“

Unter dem Motto „Where There Is A Skill There Is A Way“ messen, malen und montieren die Teilnehmenden, um ihr Können unter internationalen Standards zu beweisen. Von den 42 Teilnehmenden aus Industrie, Handwerk und dem Dienstleistungsbereich der deutschen Nationalmannschaft sind nur sechs weiblich. Die Geschlechterverteilung spiegelt dabei die Proportionen im Handwerk generell wider. Die Mannschaft hat prominente Unterstützung: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Schirmherrenschaft für das deutsche Team übernommen.

Mit dabei ist auch Emily Till aus Starnberg. Ihre Disziplin: Visuelles Marketing. Das Berufsbild setzt sich zusammen aus Präsentation von Waren, Produkten und Dienstleistungen sowie Werbung, Events, Öffentlichkeitsarbeit und Promotion. Menschen in dem Beruf dekorieren Schaufenster und Erlebnisräume und planen Veranstaltungen oder Verkaufsaktionen, um das Interesse potenzieller Kunden zu wecken. Ohne sie gäbe es die schönen Fußgängerzonen und Shoppingmeilen nicht, die zum Schaufensterbummel einladen. Auch die fesch dekorierten Bierzelte auf dem Oktoberfest tragen die Handschrift von Gestaltern des visuellen Marketings.

Mit Dekorationen kann man Räume in andere Welten verwandeln

Till arbeitet in München bei Deko Kraus und ist begeistert von ihrem Beruf. „Du arbeitest sehr viel handwerklich, kannst dich kreativ ausleben und erschaffst Neues“, erzählt die 21-Jährige. Die Auszubildende dekoriert überwiegend Events. Besonders gut gefällt ihr, dass sie handwerklich arbeitet: „Der Beruf zwingt dich neugierig zu bleiben, damit du keine neuen Gestaltungstechniken, Materialien, Bewegungen oder Trends verpasst. Du spielst mit Ideen, verkaufst diese und weißt genau, wie du sie umsetzt.“

Durch ihre Teilnahme möchte sie auch am Ansehen ihres Berufes etwas ändern. Denn es geht längst nicht nur darum, einen Raum schön aussehen zu lassen. „Mit Dekorationen kann man Räume in andere Welten verwandeln, Produkte zum Leben erwecken und Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Außerdem möchte ich anderen zeigen, dass es immer Wege gibt, auch wenn sie sonst keiner sieht.“ schwärmt Till. Auch für sie selbst ist der Wettbewerb neben den Erfahrungen, die sie sammeln wird, eine große Chance: „Die Möglichkeit so stark gefördert zu werden und sich selbst weiterentwickeln zu können, ist sehr beeindruckend.“

Emily Till freut sich auf ihr Abenteuer in Lyon.
Emily Till freut sich auf ihr Abenteuer in Lyon. (Foto: Frank Erpinar/WorldSkills Germany)

Gemeinsam mit der Bundestrainerin Jamie Lee Schreck und ihrem Berufsschullehrer bereitet sie sich seit etwa einem Jahr in möglichst gut simulierten Prüfungssituationen auf den Wettkampf vor. Zur Teilnahme kam die 21-Jährige über ihre Klassenleitung, die den Vorschlag in den Raum warf. Das Problem: Die deutsche Nationalmannschaft ist schon seit einigen Jahren nicht mehr in der Disziplin Visuelles Marketing angetreten. Doch nach ein paar Anrufen und Vorstellungsgesprächen mit dem ehemaligen Bundestrainer der Kategorie stand fest: Emily ist dabei!

Vier Tage dauert ihre Teilnahme insgesamt, alles ist durchgetaktet. Am Ende soll ein fertiges Schaufenster in einer gläsernen Koje präsentiert werden. Am ersten Tag haben sie und ihre Konkurrenten sechs Stunden Zeit, um sich mit dem Briefing, den Anforderungen und den Kundenwünschen für das Schaufenster auseinanderzusetzen. Dann geht es ans Eingemachte: Ideen müssen dokumentiert, Skizzen, Entwürfe und eine Materialliste angefertigt und das Storytelling erklärt werden. Und die sollen möglichst einzigartige und gut durchdachte Stilmittel beinhalten. Wie bei einem echten Pitch vor einem echten Kunden eben.

Verschiedene kreative Techniken werden spezifisch gefordert, um einen Vergleich zwischen den Teilnehmenden ziehen zu können. Für die finale Zusammensetzung haben sie 16 Stunden Zeit. Dann kommt das große Zittern: Die Bewertung erfolgt von Trainern aus anderen Ländern anhand von internationalen Standards. Wer hatte die innovativsten, ästhetischsten, effektivsten Ideen und steht am Ende auf dem Siegerpodest? In Emilys Disziplin treten mit ihr noch 15 andere Teilnehmer aus der ganzen Welt an. Neben Gold, Silber und Bronze wird am Ende auch eine Médaille d’Excellence vergeben.

Die Berufe-Nationalmannschaft bei einem ihrer Vorbereitungstreffen.
Die Berufe-Nationalmannschaft bei einem ihrer Vorbereitungstreffen. (Foto: Frank Erpinar/WorldSkills Germany)

Am 5. September startete der Bus mit der Nationalmannschaft von Mannheim aus nach Frankreich. Emily ist insgesamt 12 Tage in Lyon, unterstützt wird sie dabei auch von ihrer Familie, die kräftig am Mitfiebern ist. „Ich werde versuchen, sie auch außerhalb der Arena zu sehen, um ein wenig Energie für den nächsten Tag zu tanken“, erzählt sie.

In drei Jahren werden die EuroSkills, die Europameisterschaft der Berufe, die ebenfalls alle zwei Jahre stattfindet, gemeinsam von Deutschland und Luxemburg veranstaltet. Erstmals tragen damit zwei Nationen den europäischen Berufswettbewerb aus. Und vielleicht ist Emily auch dabei und baut neue Welten.

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