Ein Hauch von Aufruhr weht Anfang November durch Starnberg: Die Stadt mit der bundesweit einkommensstärksten Bürgerschaft kann und möchte sich nicht länger den Winterdienst leisten, heißt es. Insgesamt 52 Treppenanlagen, Fuß- und Radwege lässt die Stadtverwaltung sperren, um sich fünf Monate lang die Kosten in Höhe von 60 000 Euro pro Wintersaison zu sparen. Schüler müssen weite Umwege gehen, Spazier- und Gassi-Gänger sind erbost, Rathausverwaltung, Bürgermeister und Stadtrat laufen Gefahr, zur Lachnummer des Jahres zu werden.
Der Protest gegen die unsinnig erscheinende Tat ist vehement: Im Rathaus stehen Telefone nicht mehr still, in E-Mails und Briefen machen die Bürger ihrem Unmut Luft, Mitarbeiter des Betriebshofs werden beschimpft. Es herrscht allgemeines Unverständnis, manch einer fühlt sich an einen Streich aus „Versteckte Kamera“ erinnert. Zeitungen, Funk und Fernsehen berichten über die arme Kreisstadt mit ihren reichen Bürgern. Zumal die Anschaffung von Barrieren und Schildern zu den Sperrungen, an die sich niemand hält, rund 25 000 Euro verschlingt und von Eis und Schnee weit und breit nichts zu sehen ist.
Freilich sind die Sperrungen aber keine spontane Aktion, sondern schon Monate zuvor durch einen Beschluss des Stadtrats abgesegnet: Im Rahmen der Haushaltsberatungen fasst das Gremium bei nur zwei Gegenstimmen im Februar den Beschluss: „Der Stadtrat beauftragt die Verwaltung, ab der Winterdienstperiode 2024/25 eine Sperrung der beschränkt-öffentlichen Wege zu vollziehen und die bestehenden Verträge zum Winterdienst für diese Wege nicht zu verlängern.“ Dabei geht es nicht allein nur ums Sparen und Sperren, sondern auch um Haftungsfragen.
Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS), der sich selbst als „williges Vollzugsorgan des Stadtrats“ bezeichnet, rudert kurz darauf zurück: „Wir haben die Folgen falsch eingeschätzt“, teilt er mit. Unter dem Eindruck schwieriger Haushaltsberatungen sei man der Meinung gewesen, die vermeintlich richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Möglicherweise war es etwas zu radikal“, sagt er, „verdeutlicht aber die Stimmung in den Beratungen“. Seine Erkenntnis: Manche Lösungen sehen auf dem Papier einfach besser aus, als sie in der Praxis sind.
Drei Wochen später sind die Absperrungen verschwunden, einstimmig hebt der Stadtrat seinen umstrittenen Beschluss wieder auf. Der städtische Betriebshof übernimmt im Winter 2024/25 noch einmal auf 22 Fußwegen im Stadtgebiet die Räum- und Streupflicht, den Großteil der übrigen 30 Verbindungen sollen Firmen im Auge behalten. Das Thema hat sich damit aber nicht erledigt: Im März wird der Stadtrat die Angelegenheit mit Blick in die Zukunft erneut beraten und eine wintersichere Lösung erarbeiten.

