Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Schwung für neue Windräder im Landkreis Starnberg

Der Landkreis will für den Bau weiterer Anlagen werben, 15 Flächen sind dafür vorgesehen. Einen "Klimanotstand" will der Kreistag aber nicht ausrufen.

Von David Costanzo

Beim Klimaschutz sind sich gerade im Landkreis Starnberg fast alle einig, doch kaum soll ein Windrad aufgestellt werden, hagelt es Proteste. Das war in Inning so, als drei geplante Anlagen nördlich der Lindauer Autobahn in einem Bürgerentscheid scheiterten, und das war auch bei den vier Windrädern in Berg so. Doch die in den Wadlhauser Gräben drehen sich und sie erzeugen so viel Strom, wie die Bürger der Gemeinde verbrauchen, hundert Prozent erneuerbar. Die anderen Gemeinden dümpeln mit Solaranlagen und Biomasse bei durchschnittlich 15 Prozent. Darum will das Landratsamt nun unter dem Stichwort "Bürgerakzeptanz Windenergie" für neue Anlagen werben.

"Der Ausbau der Windkraft ist ein wichtiger Meilenstein, um die Energiewende im Landkreis bis 2035 umzusetzen", stellt das Landratsamt in der Bilanz des Klimadialogs vom März mit 100 Teilnehmern fest, die am Montag im Kreistag vorgestellt worden ist. "Wir stehen am Scheidepunkt", sagte Klimaschutzmanagerin Josefine Anderer-Hirt. Der Landkreis "wollte und sollte" eigentlich weiter sein. Gleichzeitig sei bei der Veranstaltung deutlich geworden, dass es häufig die Bürger seien, die neuen Projekten skeptisch gegenüberstünden. Mit Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft sollen darum "unterstützende Maßnahmen" für die Gemeinden erarbeitet werden, denn diese müssten neue Windräder zusammen mit Investoren bauen. Der Kreistag unterstützte das am Montag einstimmig.

Angestoßen hatte die Diskussion auch die SPD, die einen Bericht gefordert hatte, ob und wo im Landkreis neue Anlagen möglich seien. Das Landratsamt verweist auf die Pläne von 2012, die nach wie vor gültig seien. Darin sind 15 Flächen in fast allen Gemeinden verzeichnet, in denen Windräder aufgestellt werden dürften. Diese Pläne hebelten sogar die sogenannte "10-H-Regelung" aus, die erst zwei Jahre später unter dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) entstand und der zufolge Anlagen einen Mindestabstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden einhalten müssen. Besonders Modelle mit Beteiligung der Bürger und Kommunen wie bei der Berger Bürgerwind-Gesellschaft seien vorbildlich. Landrat Karl Roth (CSU) will nun bei der kommenden Dienstbesprechung der Bürgermeister in die Gemeinden hineinhorchen.

Dritter Landrat Tim Weidner (SPD), der den Antrag gestellt hatte, appellierte an die Gemeinden, sich nicht "in die Büsche zu schlagen", sobald es konkret werde. Investoren hätten bereits ihr Interesse signalisiert. Bergs Bürgermeister Rupert Monn sagte, der Anstoß müsse aus den Gemeinden kommen, damit "die Bürger mitgenommen werden" könnten. Aber das sei, fügte er schmunzelnd hinzu, vor der Kommunalwahl wohl schwierig. Was auf keinen Fall stimme: dass in den Windrädern "Vögel geschreddert" würden. Das Landratsamt stellte jedoch klar, dass jede neue Anlage auf den Artenschutz hin überprüft werden müsse.

Wie sehr der Klimaschutz die Emotionen hochkochen lässt, wurde bei den Diskussionen über den Klimadialog deutlich. Statt über geplante "Aktivitäten im Kontext Bewusstseinsbildung und Nachhaltigkeit" zu beraten, redeten sich die Kreisräte die Köpfe heiß, ob die Schüler innerhalb oder außerhalb der Unterrichtszeiten für mehr Klimaschutz demonstrieren sollten.

Turbulent ging es beim Thema "Klimanotstand" weiter. Diesen hatten die Grünen wie in einigen Städten Deutschlands ausrufen lassen wollen, um künftig etwa alle Beschlüsse auf ihre Klimatauglichkeit hin prüfen zu können. Die Landkreisverwaltung hätte diese Forderung sogar übernommen, obwohl man sich mit der Frage nicht leicht getan habe, sagte Landrat Roth, zumal der Begriff "Notstand" emotional besetzt sei. Eine Mehrheit aus CSU, Freien Wählern und FDP stimmte dagegen und unterstellte den Grünen Wahlkampf, da im Landkreis kein Notstand vorliege. Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim nannte den Antrag "pervers", und Ute Eiling-Hütig (CSU) sah die Regionen beleidigt, die wirklich unter Überschwemmungen und Schneemassen litten.

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SZ vom 23.07.2019
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