EnergiewendeAus für Windkraft in Starnberg

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Abenddämmerung für die Energiewende: Zwar verzeichnet Bayern – hier Windräder und eine Solaranlage im unterfränkischen Kitzingen – einen Rekordanteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung. Doch im Landkreis Starnberg sieht es düster aus mit dem Bau von Windkraftanlagen: Die Kreisstadt und die Gemeinden Seefeld und Andechs steigen aus.
Abenddämmerung für die Energiewende: Zwar verzeichnet Bayern – hier Windräder und eine Solaranlage im unterfränkischen Kitzingen – einen Rekordanteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung. Doch im Landkreis Starnberg sieht es düster aus mit dem Bau von Windkraftanlagen: Die Kreisstadt und die Gemeinden Seefeld und Andechs steigen aus. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Planungen für eine interkommunale Windenergieanlage für Starnberg, Andechs und Seefeld sind gestoppt. Die Deutsche Flugsicherung beharrt auf einer „notfallbedingten Anflugzone“, falls am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen etwas schieflaufen sollte.

Von Peter Haacke und Christian Deussing, Starnberg

Große Hoffnungen setzten die Kommunalpolitiker im Landkreis Starnberg 2012 auf die Windkraft, die „Energiewende“ beflügelte das Denken: Das erklärte Ziel, bis 2035 unabhängig zu werden von fossilen Energieträgern, führte zu großen Aktivitäten in den Amtsstuben vieler Gemeinden. Überall im Fünfseenland wurden Orte gesucht, an denen der Bau von Windkraftanlagen möglich wäre. Das Landratsamt wies „Konzentrationsflächen“ aus, die sich noch heute auf der Homepage des Landratsamtes finden. Doch jetzt, 13 Jahre später, herrscht weitgehend Ernüchterung. Nach Gauting verabschiedet sich nun auch die Stadt Starnberg von ihren Windkraftplänen. Grund: Flugrouten und notfallbedingte Ausweichrouten für den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen wurden offenbar nicht berücksichtigt.

Nach dem Aus für die Windkraftpläne in Gauting ist damit auch das interkommunale Projekt der Stadt Starnberg, sowie der Gemeinden Andechs und Seefeld vom Tisch. Eine Fortführung des Projekts sei „auf absehbare Zeit nicht sinnvoll“, hieß es am Montagabend; der Starnberger Stadtrat nahm das Ergebnis ohne längere Debatte zur Kenntnis. Der Standort für maximal sieben Windräder mit einer Höhe von 240 Metern war in einem Dreieck zwischen Perchting, Unering und Andechs geplant. Zuvor waren alle bisherigen Versuche der Kreisstadt und Initiativen zur Realisierung einer Windenergieanlage aufgrund militärischer und zivilflugrechtlicher Hürden gescheitert. Ein niedriger fünfstelliger Betrag wurde fehlinvestiert. Stattdessen will man sich in Starnberg nun auf Solar-Energie fokussieren.

Zuletzt war hoffnungsvoll ein interkommunales Projekt mit den Nachbargemeinden Andechs und Seefeld angestoßen worden: Im Rahmen eines Bürgerbeteiligungsmodells sollte mit dem Windpark ein Beitrag zur Energiewende geleistet werden. In Zusammenarbeit mit dem Münchner Ingenieurbüro Beermann folgte die Erarbeitung eines Grobkonzepts innerhalb der gemeinsamen Konzentrationsfläche. Die Bauhöhenbeschränkung auf 920 Meter über Normalnull wäre für den militärischen Flugbetrieb bedeutungslos geblieben. Auch erste Sondierungsgespräche mit den betroffenen Grundstückseigentümern verliefen positiv.

Im Dreieck zwischen Perchting, Drößling und Landstetten hätten bis zu sieben Windräder entstehen soll. Nach verheißungsvollem Auftakt haben sich die Planungen für das Projekt jetzt zerschlagen.
Im Dreieck zwischen Perchting, Drößling und Landstetten hätten bis zu sieben Windräder entstehen soll. Nach verheißungsvollem Auftakt haben sich die Planungen für das Projekt jetzt zerschlagen. (Foto: SZ Grafik)

„Doch dann ist die Bombe in Gauting geplatzt“, sagte Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik (UWG, CSU, SPD, BLS). Daraufhin wurde ein weiteres Fachgutachten beauftragt – mit ernüchterndem Ergebnis: Wie in Gauting stehen luftfahrtrechtliche Hürden einem Bau der Windkraftanlagen entgegen. Das Untersuchungsgebiet befindet sich innerhalb einer Flugzone des Sonderflugplatzes Oberpfaffenhofen. Diese Zone sei im Fall einer misslungenen Landung („missed approach“) für ein spezielles notfallbedingtes Anflugverfahren („Circling-Verfahren“) vorbehalten: Im Notfall müssten die Flugzeuge aus nordöstlicher Richtung das Plangebiet kreuzen und dann in einem weiten Bogen über die Kreisstadt und Gautinger Gebiet fliegen. Nach Aussage der Deutschen Flugsicherung könne diese Zone, in der starke Höhenbeschränkungen für bauliche Anlagen gelten, nicht verändert werden. Ob es einen derartigen Notfall schon einmal gegeben hat, blieb allerdings unklar.

Wenn es beim Landeanflug auf Oberpfaffenhofen nicht passt, müssen die Piloten durchstarten – und würden dabei in geringer Höhe potenzielle Standorte für Windkraftanlagen überqueren. Diese Flächen scheiden daher bei den Überlegungen der Landkreiskommunen zur Energiewende aus.
Wenn es beim Landeanflug auf Oberpfaffenhofen nicht passt, müssen die Piloten durchstarten – und würden dabei in geringer Höhe potenzielle Standorte für Windkraftanlagen überqueren. Diese Flächen scheiden daher bei den Überlegungen der Landkreiskommunen zur Energiewende aus. (Foto: SZ-Grafik)

Zuletzt war die Gemeinde Gauting im Herbst 2024 mit ihren Windkraft-Plänen nach erbittert geführten Auseinandersetzungen n gescheitert. Die Begründung für das Aus klingt ähnlich: Demnach sei das „Anflugverfahren aus Richtung Nordost“ auf den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen „bei tief hängender Wolkendecke“ (Janik) in einem Notfall bei den potenziellen Standorten der Windräder sowohl bei Sichtflugstrecken als auch bei Instrumenten-Anflügen problematisch. Zwar hätten die 14 geplanten Windräder bei Buchendorf, Königswiesen und im Kreuzlinger Forst in neun, sechs und fünf Kilometer Entfernung (Luftlinie) vom Sonderflughafen – und damit außerhalb der geltenden Sicherheitszone von vier Kilometern – entstehen sollen. Allerdings könnten im Falle eines sogenannten Fehlanflugs keine 300 Meter Abstand zu den Rotoren eingehalten werden. Für die Gautinger Windenergie-Planungen wären „komplexe und zeitlich nicht einschätzbare Änderungen an den bestehenden Flugverfahren“ notwendig geworden. Folge: Der Investor und Projektbetreiber stieg aus, es herrschte Fassungslosigkeit. Auch ein Brandbrief von Landrat Stefan Frey an Ministerpräsident Markus Söder änderte daran nichts.

Nach Berechnung von Experten müssten zur Verwirklichung der Energiewende allein im Landkreis Starnberg bis zu 80 Windanlagen entstehen. Das erscheint nach aktuellem Stand utopisch. Ein Bau neuer Anlagen ist unter anderem in Krailling, Gilching und Wörthsee geplant – und zwar im Kreuzlinger Forst südlich der Lindauer Autobahn, an der nördlichen Gemeindegrenze von Gilching und nördlich der Lindauer Autobahn zwischen Wörthsee und Etterschlag. Trotz der Anflugrouten zum Sonderflughafen Oberpfaffenhofen will zum Beispiel die Gemeinde Krailling an ihren Windkraftplänen festhalten. Denn es gebe das rechtliche und fachliche Potenzial, an den Grundlagen des Sonderflughafens etwas zu ändern, ohne die Flugsicherheit zu gefährden, sagte Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux (FDP). Die Gemeinde habe sich darüber genau erkundigt und arbeite auch nach wie vor eng mit dem dänischen Unternehmen European Energy zusammen, um im Kreuzlinger Forst auf der vorgesehenen Konzentrationsfläche Windkrafträder zu erstellen.

Anfang Dezember erst trafen sich Vertreter der Stadt München sowie der Kommunen in den acht umliegenden Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, München, Starnberg und Landsberg am Lech: Sie nahmen bei einer Sitzung des Regionalen Planungsverbands (RPV) im Münchner Rathaus einstimmig ein Konzept für 65 Vorranggebiete an. Im Forstenrieder Park beginnen derzeit die Rodungen für den Bau von sechs Anlagen. Die vier Windräder in Berg aber sind im Landkreis Starnberg bislang die einzigen, die Ende 2015 in den Wadlhauser Gräben ans Netz gingen. Dabei wird es vorerst wohl bleiben.

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