Künstler in der Krise:Notverkauf wegen Corona

Erik Berthold sperrt zu

Erst musste er den Laden schließen, jetzt muss er auch noch das Haus verkaufen: Erik Berthold kann es sich nicht mehr leisten.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Erik Berthold, einer der bekanntesten Folkmusiker im Fünfseenland, ist durch die Corona-Pandemie in die Krise gerutscht und muss nun sein Haus in Weßling verkaufen.

Von Gerhard Summer

Für einen Musiker ist das ein Stich ins Herz: Erik Berthold hat gerade eine seiner Westerngitarren weit unter Wert verkauft. Nicht irgendein Instrument, sondern einen Vintage-Schatz: Eine Gibson J-45 von 1964, die genauso alt ist wie er selbst. Was soll's, sagt Berthold leichthin, er habe ja noch ein paar andere Gitarren. Richtig ist aber auch, dass er das Geld braucht: Der 57-Jährige, einer der bekanntesten Folkmusiker im Fünfseenland, ist durch die Corona-Pandemie tief in die Krise gerutscht. Nach der Schließung seines Gitarrengeschäfts muss er sich jetzt auch noch von seinem Haus in Oberpfaffenhofen trennen.

Sein Einkommen habe sich in den vergangenen zwei Jahren halbiert, resümiert Berthold. Jetzt sehe er keinen anderen Ausweg mehr, als das 400 Quadratmeter große Anwesen mit ausgebautem Studio und Wohnräumen zu verkaufen, in dem vormals sein Laden "Acoustic Corner" untergebracht war. "Das ist bitter", sagt er, aber so sei das eben, "wenn du dir's nicht mehr leisten kannst". Er habe bereits einen Makler beauftragt, das Eckhaus vis-à-vis vom Gasthof "Il Plonner" soll Anfang nächsten Jahres auf den Markt kommen. Denn er wolle nicht mehr jeden Monat darum kämpfen, die Zinsen für die Haushypothek zu bestreiten, und könne sich auch nicht dauernd Geld von Freunden oder seinen Eltern leihen.

Berthold hat sich freilich auch nie sonderlich um Coronahilfe und andere staatliche Unterstützung bemüht. Als er seinen Laden wegen der Pandemie schließen musste, habe er "den Zuschuss über 9000 Euro bekommen, den jeder gekriegt hat. Doch das rettet dich bestenfalls über zwei Monate", sagt der Vater von fünf Kindern im Teenager-Alter. Danach seien noch mal 350 Euro bei ihm angekommen, das war's dann. Die Anträge seien immer komplizierter geworden, "da hab' ich keine Nerven dafür, und wenn ich's meinen Steuerberater machen lasse, muss ich zahlen dafür. Da such' ich mir lieber Arbeit".

Berthold hatte das Anwesen in Oberpfaffenhofen 2006 gekauft, komplett ausgebaut und saniert. Ein Jahr später eröffnete er im Parterre seine "Acoustic Corner", die Gitarren in fast allen Preislagen, Cajons, Ukulelen und andere Instrumente anbot. Bald kamen Werkstatt und die Musikschule "Easy Learning" dazu, die zu Hochzeiten an die 450 Schüler hatte. Zugleich etablierte Berchtold sein Haus als Bühne und gründete ein Musikbüro, das die Konzerte organisierte und auch Auftritte an andere Gitarristen oder Bassisten vermittelte.

Anfang 2017 machte der gebürtige Münchner, der mit Papierkram und Auflagen auf Kriegsfuß steht, seinen Laden zum ersten Mal dicht. Damals wollte er sich nicht länger mit Vorschriften zu geschützten Holzarten wie Palisander oder Bubinga und zu Zuschüssen für Lehrer herumschlagen. Im Herbst 2019 startete er dann trotzdem wieder durch, doch Ende Juni 2021 war endgültig Schluss. Seit drei Jahrzehnten hatte der Mann mit der Nickelbrille und den zum Pferdeschwanz gebundenen grauen Haaren sein Geld vor allem durch eigene Auftritte verdient. An die 200 Konzerte per annum habe er immer gegeben, doch die Pandemie mit ihren Lockdowns brachte ihn ins Strauchel. Jetzt fehlten ihm 40 000 Euro im Jahr, "da kannst du alles vergessen", sagte er im Sommer. Längst geht es endgültig ans Eingemachte: an die Immobilie in Oberpfaffenhofen und an wertvolle Instrumente.

Der Absturz des Profis kommt umso überraschender, als Berthold zu den umtriebigsten Musikern weit und breit gehört. Er ist ein cleverer Netzwerker. Ein gefragter Akkordarbeiter des amerikanischen Folk, der an die 1000 Songs von den Singer-Songwritern der Siebzigjahre wie Gordon Lightfoot, John Denver und den West Coast, von Neil Young bis zu den Eagles auf dem Kasten hat. Einer, der nie Urlaub macht. Und außerdem ein Gitarrist und Sänger, der sich für keinen Gig zu schade ist. Der Mann tanzte auf allen Hochzeiten - allein, im Duo, mit den "Peacemakers" oder in großer Besetzung mit "Eric und Friends". Er klampfte auf Floßfahrten und abends noch in einem Club, auf der Wiesn, Taufen und Firmenfesten genauso wie im Gautinger Kulturhaus Bosco.

Inzwischen allerdings sei sein Berufsstand in den Amateurbereich abgerutscht, findet Berthold, der in einer deutsch-amerikanischen Familie am Rand der McGraw-Kaserne in München-Giesing aufgewachsen ist, alle Schulen abgebrochen hat und als Jugendlicher bei seiner Oma im nordamerikanischen Oregon gelebt hat, einer Profimusikerin. Berthold spielt mittlerweile vor allem "auf Hut", wie er das nennt, auf Spendenbasis also. Er tritt im Waldsanatorium in Planegg auf, bei Taufen, beim Unterbrunner Weihnachts-Drive-In. "Zurück zu den Basics", sagt er dazu. Viele seiner Ehrenämter wie die Leitung der Francis-Band der Starnberger Lebenshilfe habe er aufgegeben, "das kannst du nur machen, wenn's dir gut geht". Und das Trio "Eric and the Peacemakers" sei auseinandergebrochen, weil die Auftrittsmöglichkeiten immer mehr dahinschwanden. Immerhin, einen sehr gut bezahlten Job hat er noch: Der 57-Jährige, der selbst einen Sohn mit Down-Syndrom hat, gibt im Tabaluga-Haus des Tutzinger Deutschrockers Peter Maffay am Maisinger See Musikstunden für Kinder mit Förderbedarf.

Berthold wohnt längst in einer Holzhütte am Waldrand von Gauting und ist seit zwei Jahren von seiner Frau getrennt. Langfristig werde er sich "in Richtung Österreich und Schweiz umorientieren". Im vergangenen Sommer habe er zum Beispiel bei ordentlicher Gage schon in Hotels am Wörthersee gespielt.

"Wir sind die vergessene Branche", sagt Erik Berthold, "wir haben keine Lobby, das ist unser Problem". In Zeiten der Pandemie gebe es eben drei Kategorien von Menschen: "Manche merken's gar nicht, mache profitieren davon, und die anderen werden plattgemacht."

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