Starnberg:Weite Wege für Hausbesuche

Kranke, die nachts einen Arzt brauchen, müssen sich wohl auf längere Wartezeiten einstellen. Denn die Bereitschaftsmediziner müssen künftig die ganze Region vom Starnberger See bis nach Landsberg abdecken.

Von Astrid Becker, Starnberg

Auf längere Wartezeiten müssen sich Menschen im Landkreis einstellen, die außerhalb der gängigen Praxiszeiten krank werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat das System der ärztlichen Bereitschaftsdienste umgestellt. Die Mediziner müssen von sofort an nicht mehr kleine Gebiete im Umfeld ihrer Praxen, sondern ein Areal abdecken, das sich vom Osten des Starnberger Landkreises bis nach Landsberg und Denklingen zieht. Bei den Ärzten gehen die Meinungen auseinander: Manche sind zufrieden mit der Regelung, manche sehen darin eine Verschlechterung für Patienten.

Wer am Wochenende, abends oder nachts einen Arzt im Landkreis benötigte, hatte es bisher recht einfach. Entweder rief er bei seinem Hausarzt an und erhielt dort über die telefonische Ansage die Auskunft, welcher Arzt in der Nähe Dienst hat oder meldete sich direkt unter der Telefonnummer 116 117 beim ärztlichen Bereitschaftsdienst. An dieser Nummer wird sich auch nichts ändern - allerdings wird die Dienststruktur, die sich dahinter verbirgt, umfassend reformiert. Die KVB verspricht sich von den Neuerungen spürbare Entlastungen für Ärzte, mehr Anreiz für Allgemeinmediziner, sich auf dem Land niederzulassen und mehr Kapazitäten in den Notaufnahmen der Kliniken für "echte Notfälle", wie eine Sprecherin erklärt.

Viele hiesige Ärzte jedoch sehen in der Reform eine Gefahr für die zeitnahe medizinische Versorgung ihrer Patienten. Bisher war der Landkreis in mehrere kleinere Gebiete unterteilt, für die alle Mediziner mit Kassenzulassung Bereitsdienste übernehmen mussten. Nun wurden diese Einzelgebiete in eine mehr als tausend Quadratkilometer große Region mit mehr als 220 000 Einwohnern zwischen den Landkreisen Starnberg und Landsberg zusammengelegt. "Man stelle sich einfach mal vor, ich hätte einen Einsatz östlich von Starnberg und müsste dann nach Denklingen - da bin ich ja ewig unterwegs", schimpft etwa ein Arzt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Das könne unangenehmen Folgen für Patienten haben, aber auch für die Ärzte.

Denn schon in der Vergangenheit habe er es erlebt, dass Patienten nicht mehr warten wollten, bis der Arzt eintraf, sondern sich dann doch auf den Weg in die nächste Klinik gemacht hätten: "Dann steht man da mitten in der Nacht vor verschlossenen Türen." Doch noch etwas bringt ihn auf. Denn er kann in Zukunft nicht mehr selbst entscheiden, wann er die Bereitschaftsdienste übernimmt. Die Dienste legt die Kassenärztliche Vereinigung fest und teilt sie den Medizinern mit. "Ob wir in dieser Zeit Urlaub geplant haben, familiäre Verpflichtungen haben oder aber auf Fortbildung sind, wird nicht berücksichtigt, da wird nicht einmal danach gefragt", klagt er. Zwar gebe es künftig einen Pool aus Ärzten, die normalerweise keine Dienste übernehmen - Mediziner im Ruhestand etwa oder Klinikärzte, mit denen man tauschen oder sich freikaufen könne. Aber ob das funktioniert, wagt der Arzt zu bezweifeln - zumal er dann mit weniger Einnahmen rechnen muss.

Denn eine 24-Stunden-Bereitschaft wie bisher soll es nicht mehr geben. Auch die Anzahl der Dienste soll sich laut KVB verringern. Bisher habe sie etwa zehn im Jahr absolviert, erzählt die Inninger Allgemeinmedizinerin Gabriele Schuster. Einmal im Jahr habe sich ihre Dienstgruppe getroffen, um die Termine dafür festzulegen. Unproblematisch sei das gewesen: "Wir waren uns immer schnell einig." Einige ihrer Kollegen hätten dabei Wert darauf gelegt, die Dienste übers Jahr zu verteilen, wieder andere wollten am liebsten alle am Stück erledigen. Ihr Kollege am Ort, Sven Köster, habe immer eine ganze Woche Dienst geschoben und in dieser Zeit seine Praxis geschlossen. Abzudecken war bisher für die Mediziner in dieser Gegend ein Gebiet zwischen Gilching und Breitbrunn, in der sie ihre Hausbesuche abstatten mussten. Etwa die Hälfte der Dienste war dafür vorgesehen, die andere Hälfte davon absolvierten die Ärzte als sogenannte "Sitzdienste" in der Bereitschaftspraxis in Gilching.

Das wird nun anders. Gabriele Schuster rechnet damit, nun nicht nur in der Bereitschaftspraxis in Gilching Dienst zu schieben, sondern auch in Starnberg und Landsberg. Auch darüber befindet die KVB. "Das sind dann schon weitere Anfahrten", meint sie. Trotzdem begrüßt sie die Reform - schon allein, weil sie für die Hausbesuche in der Bereitschaft nicht mehr ihr eigenes Auto nutzen muss: "Wir werden künftig gefahren - das gibt einem vor allem als Frau mehr Sicherheit in der Nacht." Bis zu vier Fahrzeuge sollen den insgesamt 259 betroffenen Medizinern in der neuen Großregion zur Verfügung stehen. Die Fahrer haben eine medizinische Ausbildung und begleiten die Ärzte auch zu den Patienten.

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