Es ist 18.33 Uhr am Montagabend, als Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik im Haupt- und Finanzausschuss Tagesordnungspunkt vier aufruft. Im Behördendeutsch fällt darunter die „Gemeindliche Räum- und Streupflicht gemäß dem bayerischen Straßen- und Wegegesetz“. Janik drückt es einfacher aus: Für ihn geht es nun um die „berühmt-berüchtigten Wege“. Die haben im vergangenen Jahr zu viel Ärger und Aufsehen geführt. Und damit in diesem Winter nicht wieder die Fernsehteams in Starnberg einfallen und es keine Bürgerbeschwerden gibt, befasst sich der Stadtrat bereits jetzt mit der Frage, wie eine Wiederholung des PR-Desasters vom Spätherbst vermieden werden kann.
Rückblick, November 2024: Die Stadt lässt 52 sogenannte „beschränkt-öffentliche“ Wege sperren. Der Grund: Aus Kostengründen wollte und konnte die Stadt den Winterdienst dafür nicht übernehmen. Der Vorschlag, die Räumpflicht auf die Anwohner zu übertragen, fand im Stadtrat keine Mehrheit. Aus Haftungsgründen sah sich die Stadtspitze gezwungen, die 52 Wege zu sperren. Es folgte ein Sturm der Entrüstung: Eltern machten sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder, weil diese für den Schulweg auf andere Routen mit mehr Verkehr ausweichen mussten. Und die FDP kritisierte, die Stadt gebe ein „peinliches und gar lächerliches Bild“ ab. In der Redaktion des Bayerischen Rundfunks scheint man das genauso gesehen zu haben, quer befasste sich zur besten Sendezeit mit der Starnberger Gehweg-Posse. Eine Stadt voller Millionäre hat kein Geld, um ihre Wege zu räumen, das ist immer für einen Lacher gut.
Janik und der Stadtrat reagierten: Kurz nach Verkündung wurden die Sperrungen wieder zurückgenommen. Fortan kümmerte sich die Stadt um die Räumung jener 52 Wege. Janik erklärte, man habe „schlicht und ergreifend einen Fehler gemacht“. Man musste zum einen Kosten sparen und wollte andererseits den Bürgern die Räumpflicht nicht aufbürden. Diese edle Absicht aber ging nach hinten los. „Wir haben die Folgen falsch eingeschätzt“, sagte Janik im SZ-Interview.
Und jetzt? Der Haupt- und Finanzausschuss diskutierte am Montag drei Möglichkeiten für den kommenden Winter. Variante eins: Die Stadt übernimmt weiterhin die Räumpflicht und beauftragt im Fall der Fälle externe Dienstleister. Dieser Ansatz wurde angesichts der nach wie vor leeren Kassen wieder verworfen. Variante zwei: Die Stadt überträgt die Räumpflicht für die betreffenden Wege auf die Anwohner. Auch dieser Lösungsvorschlag wurde verworfen, um die Betroffenen nicht zu benachteiligen. Stattdessen entschied sich das Gremium für eine andere Variante: Die Wege werden in verschiedene Kategorien unterteilt. Für viel genutzte Routen übernimmt die Stadt den Winterdienst, weniger frequentierte Abschnitte sollen gesperrt werden. Die Wege sollen nun kategorisiert werden, die Liste wird dem Ausschuss dann erneut vorgelegt.
Vor allem aber will der Stadtrat eine Sache anders machen als zuletzt. Man wolle die Öffentlichkeit besser informieren als mit einer plötzlich aufgebauten rot-weißen Absperrung, versprach Janik. Das soll mit dazu beitragen, dass die „berühmt-berüchtigten Wege“ nicht bald schon wieder im Fernsehen landen.