"Hallo, hören Sie mich? Hallo!" Keine Antwort. Gabriel kniet neben der Bewusstlosen, nimmt ihren Kopf und streckt ihn nach hinten. Dann horcht er, ob sie noch atmet. Sie tut es. Er legt einen ihrer Arme rechtwinklig zur Seite, den anderen über den Brustkorb. Nun winkelt er ein Bein der Frau an und kann sie anschließend in die stabile Seitenlage bringen. "Super", sagt die junge Frau, die gerade noch "bewusstlos" war. Jule Heuchert ist Gruppenleiterin der Wasserwacht Wörthsee und hat gerade mit dem 13-jährigen Gabriel Erste Hilfe geübt.
Neun Kinder zwischen sechs und neun Jahren treffen sich an diesem Nachmittag an der Wasserwachtstation in Steinebach mit ihren Betreuern: Léonie Bonauer - sie ist die Jugendleiterin - Jule Heuchert, Lea Rottländer, Julia Wilhelm, Benedikt Schweickhardt und Nikolas Hrycenko. Jeden Mittwoch, außer in den Ferien, sind Gruppenstunden, zuerst die Kleinen, dann die Zehn-bis Zwölfjährigen und schließlich die 13- bis 16-Jährigen. Insgesamt zählt die Wörthseer Wasserwachtjugend aktuell 47 Mitglieder. Das Interesse am Mitmachen ist so groß, dass es eine Warteliste gibt, sagt Heuchert. Für ihre Jugendarbeit, die mit dem Projekt "Kinder lernen von Kindern" etwas ganz Besonderes ist, ist die Wasserwacht Wörthsee jetzt mit dem dritten Platz beim Bürgerpreis des Bayerischen Landtags ausgezeichnet worden und erhält 7000 Euro. "Rette uns, wer kann! - Nachwuchs und neue Ideen für die ehrenamtlichen Rettungskräfte" lautete das Motto heuer.
Jule Heuchert und Léonie Bonauer, beide 24, sind seit 14 Jahren bei der Wasserwacht, haben 2013 die Jugendleitung übernommen und das jetzt preisgekrönte Konzept entwickelt: Kinder und Jugendliche klären Gleichaltrige quasi auf Augenhöhe über Regeln und Gefahren beim Baden und Schlittschuhlaufen auf und begeistern sie für die Arbeit der Wasserwacht. So besucht die Wasserwacht die Grundschüler zweimal im Jahr, um ihnen im Winter die Gefahren auf dem Eis und im Sommer die Gefahren an Gewässern sowie die wichtigen Baderegeln zu vermitteln - der "Baderegeltag" und der "Eistag".
Hauptaufgabe der Wasserwachten die unter dem Dach des Bayerischen Roten Kreuzes agieren, ist, den Ertrinkungstod zu verhindern. Das beinhaltet sowohl Rettung als auch Prävention. Und wo könnte Prävention besser ansetzen als bei Kindern und Jugendlichen? Darum lernen die Kinder bei der Wörthseer Wasserwacht natürlich auch Schwimmen. Sie können Schwimm- und Rettungsschwimmabzeichen erwerben, sie werden spielerisch im Umgang mit Rettungsgeräten, in der Flachwassersuche mit Schnorchel, in Erster Hilfe und Knotenkunde unterrichtet. Und bei allem soll der Spaß nicht zu kurz kommen, sagt Heuchert, die auch Pressesprecherin der Wörthseer Wasserwacht ist. So stehen regelmäßig Funk-Rallyes, Bootfahren, Spiele- und Filmabende, Kochen und Ausflüge auf dem Programm. Für 18. und 19. August ist wieder zusammen mit dem Wörthseer Rotary Club ein Schwimmsicherheitstraining angesetzt. Von den dabei vermittelten Schwimmtechniken könnten auch Eltern profitieren, meint Heuchert.
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Rettung...
Bild: Georgine Treybal -
...im Wasser...
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...und zu Land...
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...übt der Nachwuchs der Wasserwacht Wörthsee.
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Der 13-jährige Gabriel kann schon die stabile Seitenlage.
Bild: Georgine Treybal
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Das Motto der Wasserwachtler: "Spaß am Sport und Freude am Helfen"
Der 13-jährige Gabriel findet das toll. Er ist schon seit vier Jahren bei der Wasserwacht. Das Interesse wurde bei ihm und seinem Freund beim Eistag an der Grundschule geweckt. "Das wollten wir mal ausprobieren, und außerdem schwimme ich sehr gerne", erzählt der Gymnasiast. Die "lustigen und spannenden Aktionen und die Gemeinschaft" sind es, die ihm gefallen. Vor allem die Erste Hilfe hat es ihm angetan. Sein ehrenamtliches Engagement ist auch an einer Zahl abzulesen: Gabriel hat 2018 mit 89 Stunden die zweitmeisten Wachstunden in der Jugend geleistet.
Die allerwichtigste Regel: Nie alleine zum Schwimmen gehen, wenn etwas passiert, sollte immer jemand dabei sein, der Hilfe holen kann.
- Nie krank, mit vollem Magen oder unter Alkoholeinfluss ins Wasser gehen.
- Immer vorher abkühlen.
- Bei Gewitter oder Sturm sofort raus aus dem Wasser.
- Lange Strecken, wie die Querung der Seen, nur mit Bootsbegleitung machen.
- Nichtschwimmer sollen stets nur so weit ins Wasser gehen, dass sie noch stehen können.
- Im Notfall rechtzeitig und laut um Hilfe rufen.
csn
Über das Preisgeld von 7000 Euro freuen sich die Wörthseer Wasserwachtler sehr. "Ich kann es immer noch nicht fassen", sagt Heuchert, die in München Physik und Management studiert. Das ist viel Geld für die ehrenamtliche Truppe, die bei "Extras" immer auf Zuschüsse und Spenden angewiesen ist. Ein Teil der 7000 Euro wird für die Anschaffung neuer Lehr- und Ausbildungsmaterialien verwendet. "Für unsere Wasserwachtsjugend konnten wir uns viele Materialien bis jetzt finanziell nicht leisten und haben diese deswegen selber entworfen und umgesetzt", erläutert Heuchert. Ein weiterer Teil wird für den Neubau der viel zu kleinen und nicht beheizbaren Station in Steinebach zurückgelegt. Der letzte Teil des Geldes wird für einen Ausflug zur Bergwacht eingesetzt, "als Dank an alle Jugendlichen, die sich so aktiv einbringen und uns in unserer Jugendarbeit unterstützen, aber auch als Fortbildung und Teambuildingmaßnahme".
Jetzt wird Jule Heuchert gebraucht. Die zweite Gruppe kommt und will beschäftigt werden. Und am Abend wird mit den Großen gegrillt getreu dem Wasserwacht-Motto "Spaß am Sport und Freude am Helfen".