Freizeit in den Bergen:"Das schafft fast jeder!"

Freizeit in den Bergen: Marianne und Karlheinz Wiendl 2020 am Pfitscher Joch.

Marianne und Karlheinz Wiendl 2020 am Pfitscher Joch.

(Foto: privat)

Karlheinz Wiendl aus Starnberg hat zusammen mit seiner Frau zwei Mal die Alpen zu Fuß überquert. Ohne Hetze und Zeitdruck, dafür mit umso mehr Genuss.

Von Carolin Fries, Starnberg

Wenn Karlheinz Wiendl sagt, er versuche einmal in der Woche in die Berge zu kommen, dann muss er sich gleich im Anschluss selbst korrigieren. "Manchmal schaffe ich es auch zwei- oder dreimal." Mal schnell aufs Hörnle bei Bad Kohlgrub oder auf die Lenggrieser Hütte - das ist keine große Sache für den 65-Jährigen. Der Unternehmer war schon immer gerne draußen in der Natur, "Corona hat das dann turbomatisiert", erzählt er. Von einem auf den anderen Tag habe damals im März 2020 sein Messebaubetrieb in Hadorf bei Starnberg still gestanden, "kein einziger Auftrag mehr". Also beschloss Wiendl, zusammen mit seiner Frau über die Alpen zu wandern. Obwohl da schon auch Zweifel waren. "Schaffen wir das überhaupt?", haben sich die beiden gefragt. Sie sind zwar durchschnittlich sportlich - aber mehr nicht.

Soviel vorne weg: Die Wiendls haben es geschafft. Locker. Weil sie sich ausreichend Zeit genommen und nicht durch die Berglandschaft gehetzt sind. Stattdessen sind sie in ihrem Tempo von Gmund nach Sterzing spaziert und haben ihren Wanderurlaub genossen. "Da gibt's am Weg immer mal wieder eine Hütte mit frischem Kaffee und selbstgemachtem Kuchen", schwärmt Wiendl. Die Nächte verbrachte das Ehepaar in Hotels und Pensionen, die ein Reiseveranstalter für sie gebucht hatte. Auch das Gepäck wurde - mit Ausnahme eines Rucksacks für das Tagesgepäck - transportiert. "Ich würde immer wieder mit einem Anbieter verreisen", sagt Wiendl. Als Alleinreisender sei es in der Regel deutlich schwerer, Unterkünfte entlang der Strecke zu bekommen. Zudem sind die Tagesetappen beim organisierten Reisen vorgegeben, jeder absolviert die Strecken aber in seiner Geh-Geschwindigkeit. Das entzerrt die Gruppe automatisch. Dass mit ihnen etwa 60 weitere Menschen über die Alpen gingen, merkten die Wiendls erst am letzten Abend der Tour, als es für alle mit dem Bus zurück nach Bayern ging.

Freizeit in den Bergen: Karlheinz Wiendl wandert leidenschaftlich gerne.

Karlheinz Wiendl wandert leidenschaftlich gerne.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Eigentlich sollte bereits ihre Hochzeitsreise 1985 eine Weitwanderung sein. Vom Marienplatz zum Markusplatz war der Plan. Doch wegen eines Murenabgangs auf der Strecke mussten sie umdisponieren und landeten in der Toskana. "Die Wanderung blieb aber im Kopf", so Wiendl. 35 Jahre später war es schließlich so weit und von Gmund aus ging es über Kreuth, Achenkirch, Fügen, Hochfügen und Mayrhofen über das Pfitscher Joch nach St. Jakob in Südtirol und weiter nach Sterzing. 600 bis 1000 Höhenmeter machten sie fast jeden Tag, etwa sechs Stunden waren sie durchschnittlich unterwegs. Konditionelle Probleme hatten sie keine, "das war wirklich gut machbar". Ihr Rucksack wog maximal fünf Kilogramm. Neben Getränken und Funktionskleidung hatte Karlheinz Wiendl meist Fenchel, Paprika oder Karotten dabei. "Ich brauch' Gemüse am Berg", erklärt er.

"Feuchte Strümpfe wechseln, keine Blasen", lautet Wiendls Leitspruch

Das Glücksgefühl und der Stolz, es geschafft zu haben, sei enorm gewesen, so Wiendl. Besonders schön daran: Sie konnten ihre Freude am Abend in Sterzing mit Gleichgesinnten teilen. 2021 machten sie sich darum erneut auf den Weg über die Alpen, diesmal über höhere Berge von Oberstdorf nach Meran. Wieder entschieden sie sich für eine organisierte Tour, diesmal allerdings wanderten sie in einer Gruppe zu zwölft mit einem Führer und ohne Gepäcktransport. Ihr Rucksack wog diesmal zehn Kilogramm. Höhepunkt war an Tag fünf die Wanderung zur Braunschweiger Hütte (2760m) über das Rettenbachjoch zum Rettenbachgletscher im Ötztaler Gletschergebiet. Wiendl hat beeindruckende Fotos von der Landschaft gemacht und von Schneebahnen, die mit Plastikfolien vor der Sonne geschützt werden. Auch diesmal haben sie keine Beschwerden auf der Wanderung, während ein paar Mitwanderer mitunter konditionell an ihre Grenzen kommen oder über Blasen und schmerzende Füße klagen. "Feuchte Strümpfe wechseln, keine Blasen", lautet Wiendls Leitspruch für unterwegs.

Freizeit in den Bergen: Karlheinz Wiendl bei der Ankunft in Kurzras.

Karlheinz Wiendl bei der Ankunft in Kurzras.

(Foto: privat)

Für dieses Jahr ist bereits eine geführte Wanderung durch die Berge Andalusiens geplant, doch für die kommenden Jahre reizen sie auch "Verlängerungen" ihrer Alpenüberquerungen. Etwa von Bozen nach Trient zu wandern oder von Trient nach Verona. Wiendl kann das Wandern nur empfehlen, auch älteren Semestern. "Das schafft fast jeder". Es brauche nur ein bisschen Kondition, "wer auf's hintere Hörnle oder den Herzogstand oft raufkommt, packt das auch". Allerdings sollte man schon mit einer gewissen Regelmäßigkeit seine Bergfitness trainieren. Zwei Touren reichen als Vorbereitung nicht. Wiendl selbst hat seine nächsten Bergwanderungen bereits ausgemacht, seit wenigen Wochen ist er im Ruhestand. Oft begleiten ihn Freunde aus der Starnberger Alpenvereins-Sektion, in der er sich seit ein paar Jahren ehrenamtlich engagiert. Seine Frau ist noch berufstätig. Das Wetter spiele bei den Touren übrigens keine Rolle. Bei Wiendl gilt der Grundsatz: "Ausgemacht ist ausgemacht." Und geschafft ist geschafft .

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