Wahlkampf :Mit Parolen beschmiert

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Beschmierte Wahlplakate in Tutzing: Die betroffenen Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Wahlkreis Starnberg verurteilen die Schmierereien. (Foto: oh)

Knapp fünf Wochen vor der Bundestagswahl werden zahlreiche Wahlplakate heruntergerissen oder mit „AfD“-Schriftzügen und Beleidigungen gegen Politiker versehen. Die betroffenen Kandidaten reagieren entsetzt.

Von Linus Freymark, Tutzing/Berg/Pöcking

Die Wut, und ja, auch das Entsetzen, sind groß. Beim CSU-Bundestagskandidaten Michael Kießling zum Beispiel, der sagt: „Das geht überhaupt nicht.“ Bei der Grünen Verena Machnik, die findet: „Es wird deutlich, was passiert, wenn aus Hetze Taten werden.“ Bei Carmen Wegge von der SPD, die sagt: „Ich finde das respektlos und undemokratisch.“ Und bei Paul Friedrich von der FDP, der konstatiert: „Die Beschmierungen machen mich traurig und sind eine Frechheit.“

Seit Mittwoch haben die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Wahlkreis Starnberg-Landsberg, die sich bei der Bundestagswahl am 23. Februar um ein Mandat in Berlin bewerben, unter anderem in Tutzing, Pöcking und Berg wiederholt Schmierereien auf ihren Wahlplakaten registriert. Ihre Gesichter sind durchgestrichen oder anderweitig verunstaltet, an mehreren Plakaten von Verena Machnik prangt ein Schimpfwort. Zudem haben die bislang nicht identifizierten Täter „AfD“ auf die Plakate der anderen Parteien geschrieben. Andernorts ist die Wahlkampfwerbung von CSU, Grünen, SPD und FDP heruntergerissen worden.

Für die betroffenen Kandidaten sind die Schmierereien ein großes Ärgernis. Immerhin sind Helfer aus dem Kreisverband nun damit beschäftigt, die verunstalteten Plakate zu entfernen und neue aufzuhängen. Das kostet Zeit und Geld – Ressourcen, die im Wahlkampfendspurt durchaus mal knapp werden können. Schwerer aber wiegt für Machnik von den Grünen die Botschaft hinter den Schmierereien. Das sei ein Angriff auf alle demokratischen Parteien und ein Einschüchterungsversuch, stellt die Grünen-Politikerin fest. „Aber das wird nicht funktionieren.“

Ihr Konkurrent von der CSU sieht das ähnlich. In einem demokratischen Wettbewerb gebe es klare Regeln, und die seien hier missachtet worden, erklärt Kießling. „In einer Demokratie darf jeder seine Meinung äußern, und die muss man auch aushalten“, sagt der Bundestagsabgeordnete. „Aber so funktioniert das nicht.“ Dieselbe Ansicht teilt Paul Friedrich von der FDP. Unterschiedliche Meinungen würden „nicht zu Straftaten wie Sachbeschädigungen und erst recht nicht zu Beleidigungen“ berechtigen.

Michael Kießling (CSU) findet: Das Beschädigen von Wahlplakaten "geht gar nicht". (Foto: Jana Islinger)
Verena Machnik von den Grünen sagt, die Schmierereien würden zeigen, was passiert, "wenn aus Hetze Taten werden". (Foto: Verena Machnik)

Machnik und Kießling warnen außerdem vor einer fatalen Signalwirkung für Ehrenamtliche, die von den Aktionen wie den Schmierereien rund um den Starnberger See ausgehen. In der Kommunalpolitik würden sich die Menschen freiwillig engagieren, erklärt Kießling. Ihnen müsse man zunächst einmal Anerkennung entgegenbringen, findet er, auch wenn man nicht derselben politischen Meinung ist. Das Verunstalten von Wahlplakaten sende jedoch die gegenteilige Botschaft an die Ehrenamtlichen, meint Machnik; immerhin sind sie es, die nun gemeinsam mit den Kandidaten neue Plakate anbringen.

Auch Carmen Wegge, die für die SPD im Bundestag sitzt, verurteilt die Verunstaltungen der Wahlplakate. Vor wenigen Tagen wurde ihre Parteifreundin Anna Rasehorn in Augsburg wohl beim Plakatieren angegriffen, auch die Attacke auf den SPD-Politiker Matthias Ecke im Mai vergangenen Jahres in Sachsen hat Wegge nicht vergessen. „Das ist schon eine neue Qualität“, sagt sie über die Angriffe auf Menschen und die Beschädigungen von Wahlwerbung.

Carmen Wegge (SPD) erkennt in den Attacken auf ihre Parteikollegen und den Vandalismus "eine neue Qualität". (Foto: Johannes Simon)
Paul Friedrich von der FDP findet es "eine Frechheit", Wahlplakate zu zerstören. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Sachbeschädigungen in Tutzing, Pöcking und Berg haben die Parteien inzwischen zur Anzeige gebracht, die Polizei ermittelt. Doch sofern man niemanden mit einer Spraydose in der Hand vor einem Plakat erwischt, dürfte sich die Suche nach den Tätern schwierig gestalten. Ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord teilt mit, in Wahlkampfzeiten komme es durchaus häufiger vor, dass Plakate verunstaltet oder heruntergerissen würden. Die Beamten würden auf ihren Streiffahrten stets ein Auge auf die Wahlwerbung haben. Gleichzeitig ist klar: Verhindern lassen sich die Schmierereien wohl kaum.

Immerhin: Von körperlichen Angriffen, Beleidigungen und anderen verbalen Attacken sind die Kandidaten aus dem Wahlkreis bislang verschont geblieben. „Bislang gab es keine Anfeindungen“, erklärt Kießling. Auch Machnik, Wegge und Friedrich haben so etwas bislang nicht erlebt. Und ans Aufgeben denkt sowieso keiner von ihnen. Trotz der Schmierereien. Und der Wut und dem Entsetzen darüber.

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