Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Verteilungskampf

Starnberger Tafel muss großen Ansturm von Asylbewerbern bewältigen

Von Otto Fritscher, Starnberg

Es war der größte Ansturm, den die Starnberger Tafel in den 17 Jahren ihres Bestehens erlebt hat. Rund 160 Menschen, davon etwa 120 Asylbewerber, schätzt Tafel-Koordinator Detlev Wagner, drängten sich am vergangenen Donnerstag im Hof der evangelischen Kirche, um bei der Verteilung von kostenlosen Lebensmitteln dabei zu sein. Das sind ungefähr doppelt so viele Menschen wie noch vor einigen Monaten. Was die Helfer, beim letzten Mal waren es 35, an die Grenzen der Belastbarkeit bringt.

Und zudem scheint sich bei einigen Bedürftigen, die offenbar zu den regelmäßigen Tafel-Nutzern gehören, Unzufriedenheit über den Zustrom der Asylbewerber breit zu machen. Zumindest macht sich die neue "Interessengemeinschaft Starnberger Tafelfreunde" in einem offenen Brief an Tafelchef Wagner sowie an Bürgermeisterin Eva John und Landrat Karl Roth ihrem Unmut Luft. "Wir protestieren gegen die derzeitige Ausgabe von Lebensmitteln an die betroffenen Starnberger sowie an ausländische Flüchtlinge", heißt es darin. Durch die Flüchtlingswelle habe sich die Situation bei der Starnberger Tafel "drastisch zugespitzt". Weiter heißt es: "Würde, Sitte und Anstand der Bedürftigen haben sich geändert. Einige alteingesessene Starnberger Bürger verlassen die Tafeln ohne die wöchentliche Beigabe, weil es ihnen zu laut und zu gefährlich ist, für ein paar Lebensmittel bis zu vier Stunden anzustehen. Das Personal der Tafel ist restlos überfordert. Teilweise nehmen durch die Teilnahme der Flüchtlinge die Ausgabe von Lebensmitteln fast kriminelle Züge an, die mit dem Ziel der Ausgabe, Hilfe für Bedürftige, nicht mehr im Einklang stehen." So könne es nicht weitergehen, folgert Roland Dittmar, er fordert wie die anderen Unterzeichner des Schreibens einen runden Tisch.

Tafel-Chef Wagner kennt Dittmar seit längerem, da er seit Jahren aus München zur Starnberger Tafel komme. Was ist dran an Dittmars Schilderung? "Der Brief ist zwar überspitzt formuliert, aber die Grundthematik stimmt", sagt Wagner. Er verweist aber auf "ein ungeschriebenes Gesetz, das gilt, seitdem es die Tafel gibt. Nämlich, dass jeder der im Landkreis mit Wohnsitz gemeldet ist, zur Tafel kommen darf, die Bedürftigkeit vorausgesetzt, und davon geht man bei Asylbewerbern aus." Eine Wartezeit von vier Stunden hält er für übertrieben, "aber zweieinhalb Stunden können es schon mal sein."

Er sieht ein ganz anderes Problem schärfer werden: Die Menge der gespendeten Lebensmittel nimmt ab. "Wir müssen bereits jetzt Woche für Woche etwas zukaufen, Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Gemüse und vor allem Hülsenfrüchte, die unsere moslemischen Gäste gerne nehmen." Aber: "Unser Geld wird langsam knapp." Bisher gebe es zudem keine Zuwendungen von öffentlichen Stellen, nur Spenden von Firmen und Privatleuten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2616998
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.