Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Täglich mehr als zwei Unfallfluchten

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Allein in diesem Jahr sind im Landkreis Starnberg bisher 819 Unfallfluchten angezeigt worden. Meistens bleiben die betroffenen Autofahrer auf den Reparaturkosten sitzen.

Von Christian Deussing

Abrasierte Außenspiegel, kaputte Stoßstangen, eingedellte Kotflügel und ramponierte Gartenzäune: Immer wieder kümmern sich Autofahrer nicht um ihren angerichteten Schaden und machen sich aus dem Staub, um nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden und ihren Schadensfreiheitsrabatt nicht zu verlieren. So registrierte die Polizei allein an einem Tag, dem 10. Dezember, in Tutzing und Starnberg vier Unfallfluchten - vier von 375 Fällen in diesem Jahr im Inspektionsgebiet der Starnberger Wache. Lediglich 157 Fluchten konnten aufgeklärt werden; eine Quote von knapp 42 Prozent, die nur etwas höher ist als im Vorjahr. Im gesamten Landkreis sind heuer bislang 819 Unfallfluchten angezeigt worden, ein wenig mehr als im vorherigen Jahr 2020. Die Aufklärungsquoten liegen bei 39 Prozent, so die Statistik der Polizei.

Sich vom Unfallort einfach zu entfernen, ist eine Straftat, die empfindlich bestraft werden kann. Denn für Geschädigten ist ein derartiges Verhalten oft gravierend und kostspielig. Das musste auch eine Studentin erfahren, als sie am 9. Dezembers mittags zu ihrem Auto zurückkehrte, das sie ordnungsgemäß in der Dinardstraße in Starnberg geparkt hatte. Die junge Frau erlebte eine böse Überraschung: Die hintere Stoßstange ihres Pkw war aufgerissen und demoliert. Der unbekannte Verursacher hatte sich längst aus dem Staub gemacht, aber einige verräterische Spuren hinterlassen. Denn die 23-Jährige entdeckte ein Rücklichtteil, eine Abdeckung einer Anhängerkupplung und Lacksplitter des Unfallwagens. Nach ihren Recherchen müsse es sich um einen metallicblauen Mercedes des Modells ML - W 163 der Baureihe 2000 bis 2006 handeln. Sie hofft nun, dass die Polizei mit diesen Hinweisen den Sünder noch ermittelt. Sie sei nämlich auf einem Schaden von etwa 2500 Euro sitzen geblieben, ein Betrag, den sie nicht auf der hohen Kante habe, erzählt die Studentin frustriert. Sie ist empört: Nach einem wohl so heftigen Aufprall einfach abzuhauen, sei "doch unsozial". Sie habe wegen des Autoschadens kurzfristig ihren Boostertermin an dem Tag absagen und sich einen neuen geben lassen müssen. Auch in anderen Fällen gerät der Zeitplan der Schadensopfer durcheinander, was meist mit viel Ärger verbunden ist.

Grundsätzlich gilt: Nach einem Parkrempler oder sonstigem Malheur muss man eine halbe Stunde auf den geschädigten Autofahrer am Unfallort zu warten. Sollte die Person nicht eintreffen, muss die Polizei verständigt werden. Es reiche nicht, einen Zettel hinter den Scheibenwischer zu klemmen, betont Oliver Jauch, Sachbearbeiter Verkehr für den Landkreis Starnberg. Als Beispiel nennt er einen Fahrer, der zwar seinen Namen, das Kennzeichen und sogar seine Versicherungsnummer auf einem Zettel am Wagen hinterlassen, aber der Polizei die Beschädigung nicht gemeldet hatte. Auch das werde als Unfallflucht gewertet, sagt der Starnberger Polizeihauptkommissar. Gleiches gelte, wenn ein Einkaufswagen gegen ein geparktes Auto gescheppert sei und der Schaden nicht mitgeteilt werde.

Werden Verkehrssünder ertappt, hören die Beamten oft Ausreden wie: "Das habe ich gar nicht bemerkt." Bei größeren Schäden setzte man spezielle Ermittler in Sachen "Fahrerflucht" ein, sagt Jauch. Diese Fahnder untersuchten unter anderem Lack- und Glasabsplitterungen und fragten eventuell Werkstätten und Lackiereinen auf verdächtige Reparaturen hin ab. Die Täter suchten jedoch oft freie, weit vom Unfallort entfernte Werkstätten auf - was die Ermittlungen natürlich erschwere.

Der Klassiker sind die sogenannten Spiegelklatscher, weiß Michael Mignoli, Autoersatzteilhändler mit Werkstatt in Starnberg. Mittlerweile koste der Austausch abgebrochener oder beschädigter Außenspiegel zwischen 300 und 500 Euro, weil diese häufig mit Blinker und modernster Technik ausgestattet seien, erläutert Mignoli.

In Starnberg galt lange Zeit die viel befahrene Kaiser-Wilhelm-Straße unter Parkern als berüchtigt. Auf dieser Strecke wurden wegen des engen Begegnungsverkehrs regelmäßig Außenspiegel abgefahren oder ramponiert. Die Situation habe sich dort inzwischen deutlich entspannt, seitdem die Busse und Laster nur noch in Richtung Bahnhof die Straße befahren dürften, berichtet Jauch. Wenigstens ein kleiner Lichtblick in puncto Unfallfluchten.

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Quelle:
SZ vom 27.12.2021
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