Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, bei Ausnahmen von der Regel tut er sich zuweilen schwer – erst recht am Steuer eines Autos. Wie sinnvoll etwa Abweichungen vom Gewohnten im Straßenverkehr sind und welche Folgen sie haben können, stellt sich oft erst im Nachhinein heraus. Zum Beispiel in Starnberg, an einer viel befahrenen Straßenkreuzung: Am Treffpunkt von Gautinger, Petersbrunner und äußerer Leutstettener Straße hat es binnen 20 Monaten schon neunmal gekracht.
Manch einer spricht von der gefährlichsten Kreuzung Starnbergs, andere bezeichnen die Stelle zurückhaltender als Unfallschwerpunkt. Grund für die auffällige Häufung von Zusammenstößen könnte eine ungewöhnliche Verkehrsführung sein. Doch jetzt ist alles wieder „normal“: Das Staatliche Bauamt Weilheim, zuständig auch für überörtlich bedeutsame Straßen im Landkreis Starnberg, hat die vorgegebenen Fahrtrichtungen geändert.
Am Montag wurden neue Markierungen auf die Fahrbahn aufgetragen. Wer von der Petersbrunner Straße kommend in Richtung Bahnhof-Nord fahren möchte, muss sich künftig auf der rechten der beiden Fahrspuren einordnen. Zuvor galt: Wer geradeaus wollte, musste sich links einordnen – eine ungewohnte Lösung, die in Hauptverkehrszeiten auch längere Wartezeiten nach sich zog. Möglicherweise könnte diese Abweichung von der Regel Ursache für die Unfallhäufigkeit an dieser Kreuzung gewesen sein. Fortan aber gilt wieder auf allen vier Straßenästen: linke Spur allein für Linksabbieger.
Der Ablauf der Havarien entsprach meist dem gleichen Schema: Linksabbieger aus der Leutstettener Straße trifft auf Geradeausfahrer aus der Petersbrunner Straße – oder andersherum. In den meisten Fällen blieb es bei Blechschäden mit Leichtverletzten, zuletzt am 6. Oktober. Die Berichte der örtlichen Polizei aber ähnelten sich seit Januar 2022 zusehends („der Fahrzeugführer wollte nach links abbiegen“) und endeten oft mit der lapidaren Feststellung: „Es kam zum Zusammenstoß.“ Kurios: Auch der Lampenmast auf einer Verkehrsinsel wurde mehrfach gerammt und steht mittlerweile schief wie der Turm von Pisa da.

Mit den Unfällen aber soll es nun vorbei sein, hofft Jacob Eberle, beim Staatlichen Bauamt zuständig für Straßenbau. Die geänderten Markierungen auf der Petersbrunner Straße seien eine „Rückkehr zur Regellösung“ und das „Allerletzte, was noch gemacht werden musste“. Zuvor waren bereits die Ampelphasen feinjustiert worden.
Das Unfallproblem sei mit Vertretern des Starnberger Landratsamtes und der Polizei besprochen worden. Dabei kam die Vermutung auf, dass die ungewöhnliche Verkehrsführung, die dem Ausbau der Petersbrunner Straße zur Kreisstraße und dem B2-Tunnelbau geschuldet ist, mit der Unfallhäufigkeit zu tun haben könnte.

Oliver Jauch, Verkehrsexperte der Starnberger Polizeiinspektion, hegt ebenfalls die Hoffnung, dass es künftig weniger an der Problemkreuzung krachen möge. Doch aller Anfang ist offenbar schwer: Einige Verkehrsteilnehmer ignorierten am Montag und Dienstag aus alter Gewohnheit hartnäckig die Änderung, zumal keine Beschilderung die neue Verkehrsführung verdeutlicht und die Fahrbahnmarkierungen auch nicht immer sichtbar sind.
Geradeausfahrer auf der rechten Fahrspur der Petersbrunner Straße blieben ordnungsgemäß bei roter Ampel stehen – und bremsten somit Rechtsabbieger aus, die ansonsten bei grünem Pfeil hätten fahren können. Andere ordneten sich – wie gewohnt – auf der linken Spur ein und fuhren unverdrossen geradeaus. Folge waren einige brenzlige Situationen und empörtes Gehupe. Aus welchem Grund es jedoch ausgerechnet immer wieder den einsamen, schiefen Lampenmast erwischt hat, bleibt Jauch ein Rätsel: „Das würde mich auch interessieren.“