Pläne für die Kreisstadt:Starnberg soll schöner und sicherer werden

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Der Stadtrat will den Bahnhofsplatz am See neu ordnen, auf Radfahrer und Fußgänger in der Innenstadt mehr achten als bisher und die provisorisch verengte Kreuzung an der Josef-Jägerhuber-Straße teilweise wieder umbauen.

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Stadt will den Platz am Seebahnhof aufwerten und die Zahl der Parkplätze reduzieren. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kaum ein Thema hat in Starnberg so viel Verdruss, Ärger und Auseinandersetzungen gebracht wie der Verkehr. Abgesehen von der jahrzehntealten Kernfrage "Tunnel oder Umfahrung", die erhebliche politische Verwerfungen nach sich zog, mit dem historischen Grundsatzentscheid "Tunnel bauen, Umfahrung planen" vom 21. Februar 2017 aber entschieden wurde, gibt es viele weitere Problemfelder. Erstmals seit acht Monaten tagte am Mittwoch wieder der "Projektausschuss Verkehr": Die fünfstündige Sitzung hatte grundlegenden Charakter, nahezu alle aktuellen Aspekte kamen zur Sprache. Insbesondere die Neulinge im Gremium dürften von der Veranstaltung im Sinne eines Einführungsseminars profitiert haben; einzig die dreiköpfige WPS-Fraktion fehlte. Alle bislang vorliegenden Expertisen zur komplexen Materie wurden präsentiert, im Anschluss widmeten sich der Ausschuss konkreten Problemen und fasste vorberatend diverse Beschlüsse als Empfehlung für den Stadtrat. Die Öffentlichkeit soll an den weiteren Entwicklungen beteiligt werden. Hier die wichtigsten Entscheidungen:

Verkehrsführung Innenstadt

Zur Entlastung der Innenstadt wurden schon viele Konzepte, Strategien und Untersuchungen erarbeitet. Gutachten und Vorschläge kamen vom Büro SHP Ingenieure (Hannover), die 2016 mit einem "Verkehrsentwicklungsplan" beauftragt worden waren, der Stagenda-Arbeitsgruppe ("Lebendiges Starnberg"), der Arbeitsgruppe Innenstadt, bestehend aus den Stadträten Otto Gaßner (UWG), Angelika Kammerl (CSU) sowie den Verkehrsreferenten Franz Sengl (Grüne) und Thorsten Schüler (UWG), sowie dem Ingenieurbüro Vössing, das Auswirkungen des B2-Tunnelbaus untersuchte. Allen gemeinsam ist das Ziel, die Starnberger Innenstadt von Verkehr zu entlasten und "einen Ort mit hoher Aufenthaltsqualität" zu schaffen. Angesichts der enormen Bandbreite an Handlungsansätzen, Strategien und Überlegungen empfiehlt die Verwaltung ein fundiertes Konzept. Konkret: Die Vorfahrtsregelung an der Kreuzung Possenhofener Straße/Bahnhofstraße soll baldmöglichst umgekehrt werden, und ein Linksabbiegen von der Münchner in die Leutstettener Straße soll entfallen. Auf Einbahnstraßen soll weitgehend verzichtet werden. Für die alte B 2 (Münchner-, Haupt- und Weilheimer Straße) soll ein Konzept unter besonderer Berücksichtigung von Radfahrern und Fußgängern erarbeitet werden, das nach Fertigstellung des B2-Tunnels realisiert wird.

Neuordnung Bahnhofplatz

Zentrale Bedeutung für eine Verkehrsberuhigung der Innenstadt hat der Bahnhofplatz, der laut Verwaltung seit jeher diverse Defizite hinsichtlich Verkehrsführung, Gestaltung und Aufenthaltsqualität aufweist. Auf der Agenda steht eine "Neuordnung des öffentlichen Raums" durch attraktive Gestaltung, breite Gehwege und sichere Querungen, eindeutige Radwege, Verlegung der Bushaltestellen und eine durchgehend 6,50 Meter breite Straßenfläche. Zudem sollen die Parkplätze von 80 auf 50 reduziert und das Rondell am Hotel "Bayerischer Hof" von Autos befreit werden. In Anbetracht der diffusen Haushaltslage werden vorerst nur 30 000 Euro in den Haushalt 2021 eingestellt. Zur Erhöhung der Akzeptanz bei den Bürgern soll die Verwaltung testweise ein Konzept für "kostengünstige, temporäre und kreative Aktionen" planen. Langfristig ist am Bahnhof ein Shared Space-Konzept angestrebt.

Dynamisches Parkleitsystem

Ein Parkleitsystem soll Autofahrer gezielt zu Parkhäusern und Tiefgaragen leiten, doch das besteht in Starnberg bislang nur aus "statischen" Hinweisschildern. Dabei wird Starnbergs Parkraumangebot von Bürgern und Touristen zumeist als ungenügend wahrgenommen - eine subjektive Einschätzung, die sich oft ausschließlich auf die oberirdischen Parkplätze bezieht. Tatsächlich stehen in den fünf Tiefgaragen im Innenstadtbereich mehr als 700 Tiefgaragenplätze zur Verfügung, die aber nur unzureichend genutzt werden. Abhilfe soll ein dynamisches, elektronisches Parkleitsystem bringen, das freie Stellplatzkapazitäten anzeigt und weitere Hinweise zur Verkehrslage liefern kann. An den Kosten in Höhe von 434 500 Euro sollen Regierung von Oberbayern und gewerbliche Parkhausbetreiber möglichst beteiligt werden.

Umbau Kreuzungsbereich

Die Verengung an der Kreuzung von Josef-Jägerhuber- und Kaiser-Wilhelm-Straße soll teilweise aufgehoben werden. (Foto: Georgine Treybal)

Extrem kostspielig mit rund 570 000 Euro ist der geplante Umbau des Kreuzungsbereichs Josef-Jägerhuber-, Leutstettener- und Kaiser-Wilhelm-Straße, der im November 2018 für 23 351 Euro provisorisch umgestaltet wurde. Durch die künstliche Verengung ergeben sich Vorteile für Fußgänger und Radfahrer, der motorisierte Verkehr fährt langsamer. Die CSU möchte das Provisorium dennoch zurückbauen lassen, zumal größere Fahrzeuge kaum mehr ohne Rangieren aneinander vorbeikommen. Dagegen spricht, dass bereits Planungshonorare ausgezahlt wurden und sich die Regierung von Oberbayern mit voraussichtlich 60 Prozent beteiligen würde - allerdings nur am "städtebaulichen Mehraufwand". Das Gremium empfiehlt den Teilrückbau des Provisoriums, außerdem Zebrastreifen und eine Überarbeitung der Planung mit dem Ziel einer Kostenreduzierung. Der Umbau könnte 2022 erfolgen - sofern Geld vorhanden ist.

Schulviertel

Belastet durch "Schleichverkehr" ist das Wohn- und Schulviertel zwischen Hanfelder Straße und Bahnlinie. Nach einer Kennzeichenerfassung des Ziel-, Quell- und Durchgangsverkehrs galt hier seit April 2018 probeweise für eineinhalb Jahre Tempo 30 und eine "Anlieger frei"-Zone. Eine weitere Erhebung Ende 2019 ergab zwar eine Reduzierung zwischen 18 und 33 Prozent, doch ist das Quartier in beide Richtungen weiterhin stark vom Durchgangsverkehr belastet. Zudem wurde die Höchstgeschwindigkeit häufig überschritten. Der Verkehrsausschuss empfiehlt, Tempo 30 und Anlieger-Zone ebenso beizubehalten wie die Ausweisung des Riedener Wegs als Fahrradstraße. Die Überwachung des Verkehrs soll intensiviert werden, erwogen wird ein fest installierter Blitzer. Die Himbselstraße soll keine Einbahnstraße werden, stattdessen könnte das Parkverbot aufgehoben werden, um die Sicherheit insbesondere für Schulkinder zu erhöhen.

Abfahrt A 952 zur MIS

Als problematisch erweist sich die geplante Autobahnabfahrt aus Richtung Starnberg zur Munich International School (MIS) in Buchhof. Die Trasse, die Percha rund 2000 Fahrzeuge pro Tag ersparen könnte, provoziert einen artenschutzrechtlichen Konflikt: Bei der Amphibienerfassung wurden Bergmolche sowie Gras-, Spring- und Laubfrösche - fast alle auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten - nachgewiesen. Der Bau der Trasse in geplanter Form verursache eine "Verletzung und Tötung streng geschützter Individuen", für die keine Genehmigung zu erwarten sei. Die Verwaltung soll nun zwei Varianten untersuchen lassen und dabei eine Hecke und ein Laichgewässer schonen. Auf Antrag der Grünen wird die Möglichkeit einer Kostenbeteiligung der MIS geprüft.

Ortsferne Umfahrung

Längst schon hätte eine Umweltverträglichkeitsstudie - bestehend aus hydrogeologischen Untersuchungen und faunistischen Kartierungen für einzelne Tierarten - für den Bau einer Trasse im Norden Starnbergs erfolgen sollen. Doch nach dem Tunnelbeschluss 2017 wurden die Arbeiten erst Ende 2019 ausgeschrieben. Für die hydrogeologische Untersuchung meldete sich nur ein Büro, für die bis zu 130 000 Euro teure Untersuchung der Tierwelt über ein Jahr aber gibt es trotz zweimaliger Ausschreibung bislang kein einziges Angebot.

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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