BundestagswahlkampfAus Berg nach Berlin

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Verena Machnik engagiert sich als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin in Berg. Das Thema Migration beschäftigt die Grünen-Kandidatin auch im Wahlkampf.
Verena Machnik engagiert sich als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin in Berg. Das Thema Migration beschäftigt die Grünen-Kandidatin auch im Wahlkampf. (Foto: Georgine Treybal)

Verena Machnik aus Berg will für die Grünen nach Berlin. Entscheidend für ihr politisches Engagement war für die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin vor allem das Jahr 2015. Denn wenn sie etwas stört, will sie die Dinge ändern.

Von Linus Freymark, Berg

2015 hat Verena Machnik ein Versprechen gegeben. Am Münchner Hauptbahnhof kamen jeden Tag neue Geflüchtete an, kurz darauf hat Machnik eine Patenschaft für ein achtjähriges Mädchen übernommen, das zusammen mit ihrem Bruder aus Afghanistan nach Deutschland gekommen war. Sie haben viel gelacht zusammen. Aber irgendwann hat das Mädchen gesagt: „Mama Afghanistan!“ Daraufhin hat Machnik ihr versprochen: Wir holen deine Mama zu dir nach Deutschland. „Ich dachte, das wäre eine Sache von drei Monaten“, sagt Machnik heute.

Sie hat ihr Versprechen gehalten. Aber aus den drei Monaten sind dreieinhalb Jahre geworden. Wegen all der Hürden, die es in Europa für Migranten gibt. Dreieinhalb Jahre, in denen eine Mutter ihre Tochter nicht sieht. In denen ein Mädchen auf seine Mama wartet. Machnik hat selbst zwei Kinder. Und sich gedacht: Das darf nicht sein!

Auch wegen dieser Geschichte ist Verena Machnik aus Berg am Starnberger See in die Politik gegangen. Sie sitzt dort im Gemeinderat  – und tritt nun als grüne Direktkandidatin im Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering an. 2015 war überhaupt das entscheidende Jahr: Sie, die sich von Anfang an in der Flüchtlingshilfe engagiert hat, hat ja gesehen, welche Steine den Menschen bei ihrem Start in ihrer neuen Heimat in den Weg gelegt wurden. „Dieses Land hat noch nie eine Migrationspolitik gehabt“, sagt Machnik. Und das, obwohl es ja schon immer Einwanderung gegeben hat. Und weiterhin geben wird, egal, was so mancher Politiker gerade verspricht.

Die Migrationspolitik hat sie geärgert - also will Machnik jetzt für die Grünen nach Berlin. So war das immer schon bei ihr: „Wenn mich etwas nervt, dann versuche ich, das aktiv zu verändern“, sagt sie. Der Umgang mit den Geflüchteten hat sie damals wütend gemacht - und weil sich für ihren Geschmack noch immer zu wenig zum Positiven geändert hat, passt der Titel des Romans ganz gut, der gerade ganz oben auf ihrem Bücherstapel liegt: „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl liest sie gerade, sofern die Zeit das im Wahlkampf zulässt.

Machnik findet, man müsse Geflüchteten eine bessere Ausbildung ermöglichen. Dann würde auch der deutsche Staat von seinen neuen Einwohnern profitieren, die in die Sozialsysteme einzahlen und die vielen freien Stellen besetzen könnten, die in einer immer älter werdenden Gesellschaft nicht mehr zu besetzen sind. Deutschkurse, Bildung, ausreichend bezahlbarer Wohnraum wären da so Dinge, die helfen würden. Aber kostet das nicht unheimlich viel Geld? Doch, na klar, sagt Machnik. „Aber es ist eine Investition.“ Und das würde sich irgendwann auszahlen.

Damit das Geld für diesen Kurs da ist, hat Machnik eine klare Forderung. Sie will ja nicht nur eine andere Migrationspolitik: Machnik möchte die Kommunen stärken, Kinder und Jugendliche wieder mehr in den Fokus der Politik stellen, Bildung stärken. Und dann braucht es für sie natürlich eine andere Umwelt- und Energiepolitik. Dafür braucht man Geld. Viel Geld. „Wir müssen die Schuldenbremse reformieren“, sagt Machnik. Zum anderen müsse man umverteilen, und zwar „von oben nach unten“. Und bevor da gleich wieder die Mär von den bösen Grünen aufkomme, die den Kleinanlegern an den Kragen wollten, stellt Machnik gleich klar: Es geht nicht um Oma Erna, Tante Gisela oder irgendwelche andere imaginäre Verwandte, die in der Debatte von den politischen Gegnern zurate gezogen wurden, um die Folgen dieses Plans zu illustrieren. „Es geht nur um die Superreichen“, erklärt Machnik.

Aber es war ja klar, dass das mal wieder passiert: Da machen die Grünen einen Vorschlag, den man so oder so sehen kann – hängen aber bleibt, dass die Partei an das Geld derer will, die sich in Jahrzehnten ein paar Rücklagen angespart haben. Warum passiert das den Grünen dauernd, dass sie ihre Inhalte nicht richtig kommuniziert bekommen? Ja, auch die Partei trägt daran eine gewisse Mitschuld, findet Machnik. Für sie ist Kommunikation im politischen Geschäft sowieso ein großes Thema: Nach dem Politikstudium hat sie als Journalistin gearbeitet, sie weiß, wie das läuft. Aber Machnik sieht auch die politischen Kontrahenten dafür in der Mitverantwortung, dass es dauernd gegen die Grünen geht, neben der AfD auch die Union. Dabei müssten doch gerade jetzt die Parteien der Mitte zusammenhalten, findet sie. „Alle miteinander sind wir gefragt, diese Demokratie zu verteidigen“, sagt sie. „Das steht auf der Kippe.“

Sie hat mit Blick auf die AfD lange gezögert, Parallelen zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 zu ziehen. Mittlerweile zieht sie diesen Vergleich – auch weil es den anderen Parteien immer weniger gelingt, sich geeint gegen die in Teilen rechtsextreme Partei zu stellen. Die Geschehnisse im Bundestag vergangene Woche waren da das beste Beispiel dafür. Machnik beschäftigt das sehr. Dabei könnte man doch so viel zusammen erreichen, findet sie. „Wir müssen wieder mehr zusammenkommen und das Land gestalten“, sagt sie. „Da ist so viel Potenzial.“

Trotz all der großen Vorhaben will Machnik im Fall der Fälle vor allem eines sein: ein Sprachrohr für ihren Wahlkreis. Sie hat schon immer viel mit den Leuten hier gesprochen, mit den Feuerwehren, den Landwirten. Sie kann das, auch die politische Konkurrenz bescheinigt ihr das. Klar, man erreicht nicht immer alle. Aber: Nur, wenn man miteinander spricht, lassen sich Vertrauen und ein Verständnis füreinander aufbauen, glaubt Machnik. Deshalb will sie im Fall ihres Einzugs in den Bundestag unbedingt mit den Menschen aus ihrem Wahlkreis im engen Kontakt sein. Und dann gibt sie wieder ein Versprechen ab. So wie damals, 2015: Die Leute können sich darauf verlassen, dass das so bleibt.

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