Starnberg:"Unsere Hauptgegner sind Smartphones und Computer"

Nepomuk, JuZ, Stellwerk, Kraill in und wie sie alle heißen, sind bestens ausgestattet, bieten ein buntes Programm, doch die Zahl der Besucher lässt in einigen Häusern nach

Von SZ-Autoren

Starnberg

Wer in den Starnberger Jugendtreff kommt, mag sich wundern: Alte oder gar kaputte Möbel aus dem Sperrmüll, das war gestern. Im Jugendtreff Nepomuk ist alles modern. Die Räume sind bestens ausgestattet und gemütlich eingerichtet. Mehrere Billardtische und Kicker, Spiele-Konsolen wie Playstation und Nintendo Wii gibt es und sogar einen Bandprobenraum mit einem kleinen Aufnahmestudio. Sozialpädagoge Jan Pleines hat ein Schlagzeug zur Ausstattung beigesteuert und in den Schränken stehen Gitarren. Zwei Bands proben derzeit im Jugendclub. "Die sind sogar recht gut", weiß Pleines. Herz des Treffs ist aber das Café mit bequemen Couchen und einer großen Essplatzgruppe. Alles ist ziemlich neu im Nepomuk, weil die Jugend erst vor fünf Jahren eingezogen ist. Die Jugendlichen durften eine Wand mit Graffiti bemalen. Noch chillen die Jugendlichen mit Snacks, doch in Zukunft will die Leiterin des Nepomuk Michaela Hoffstedt gesündere Lebensmittel anbieten: Hafer-kekse statt Schokolade. Gemeinsames Kochen soll ebenfalls das Interesse an gesunden Lebensmitteln und frischer Küche wecken. Austoben können sich die Jugendlichen in der Turnhalle nebenan bei Fuß- oder Basketball, Boxen oder Tischtennis. Mittelschüler, Realschüler, Gymnasiasten und Asylbewerber im Alter von zwölf bis 20 Jahren treffen sich hier zum Chillen. Für die Kleineren von sieben bis zwölf Jahren organisiert das Team regelmäßig "Kid Star Days", an denen die Kinder mit den Eltern vorbeischauen können. Wer mag, kommt wieder. Einmal im Monat ist der Nepomuk freitags bis 24 Uhr geöffnet. Der Fokus liegt aber nicht auf Abendveranstaltungen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass weniger mehr ist", erklärt Hoffstedt. Weniger Programm, mehr Beziehungsarbeit: ein offenes Ohr, Hilfe und Begleitung bei Problemen. Auch Bewerbungen hat Hoffstedt schon mit Jugendlichen geschrieben. Durchschnittlich 30 Besucher kommen täglich, an vielen Tagen sind sogar bis zu 60 Jugendliche im Nepomuk.

Wörthsee

Das Jugendhaus Wörthsee ist etwas Besonderes. Es wird von einem Sprecherrat verwaltet und betrieben, der jährlich neu gewählt wird. Ein Auge darauf hat kein Sozialpädagoge, sondern ein Trägerverein, der den Jugendlichen beratend zur Seite steht. Geöffnet ist "nahezu" täglich von 17 bis 22 Uhr. Jeden Freitag um 19 Uhr tagt der Sprecherrat öffentlich. Im Haus, das 1997 eröffnet wurde, gibt es einen Kicker, Billardtisch und großen Fernseher. Der Sprecherrat veranstaltet große Partys, es können aber auch private Geburtstagsfeiern organisiert werden. Jugendliche unter 16 Jahren bekommen keinen Alkohol, die älteren dürfen Bier trinken. Im Besprechungsraum findet Nachhilfeunterricht für Asylbewerber statt. Es gibt auch spezielle Angebote wie etwa am 27. November ein Selbstverteidigungskurs für Mädchen zwischen elf und 15 Jahren. Der 27. Januar hat nicht nur bundesweite Bedeutung, sondern seit 2008 auch für das Jugendhaus Wörthsee. Alle zwei Jahre richten die Jugendlichen mit viel Engagement - im Wechsel mit der Gemeinde - eine Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus aus. 2016 sind sie wieder an der Reihe.

Gilching

Das Programm im Gilchinger Jugendhaus ist bunt: Diskussionen, Fußball-Liveübertragungen und zahlreiche Kurse können die Teenager besuchen. Von Billard und Dart bis Musikhören reicht das Repertoire. Die Kids können sogar interne Turniere (mit)organisieren. Grillabende mit Lagerfeuer sind im Sommer sehr beliebt, ebenso der Skater-und Scooter-Contest, bei dem Flüchtlinge beim Auf- und Abbau tatkräftig helfen. Speziell für Mädchen gibt es ein eigenes Programm. Wichtig ist den Pädagogen auch das Planspiel "Zammgrauft", um Mobbing im Netz zu bekämpfen. In Hausversammlungen haben die Zwölf- bis 27-Jährigen die Chance zur "Mitbestimmung"; das Konzept der "betreuten Selbstverwaltung" gibt es aber nicht mehr. Die Sozialpädagogen arbeiten eng mit "Streetwork Gilching" zusammen. Das Haus hat dienstags bis donnerstags von 15 bis 22 Uhr und freitags von 15 bis 20 Uhr geöffnet.

Tutzing

Noch gibt es in Tutzing keinen offenen Jugendtreff für Zwölf- bis 14-Jährige, aber man hofft bald einen zu haben. Die Gemeinde hat dafür den alten Schießstand hinter der Gaststätte Tutzinger Keller ins Auge gefasst. Eigentlich sollte der Ausbau dieses Jahr beginnen, aber die Räume sind noch nicht leer. Die Wirte Petra Höckenreiner und Walter Lehmeier, die den Tutzinger Keller seit 17 Jahren als Kleinkunstlokal führen, wünschen sich Gespräche. Grundsätzlich sind sie einem Jugendtreff aufgeschlossen. "Aber es wird eng für uns", schränkt Lehmeier ein. Beim Konzept für den geplanten Jugendtreff will man sich von Kreisjugendpfleger Sebastian Matook beraten lassen; denn der Treff soll keine Konkurrenz zum etablierten JM Club sein. Der Ortsverein übernimmt für alle über 14 seit Generationen die Funktion eines politisch und kirchlich unabhängigen Jugendzentrums. Allerdings muss man Mitglied des Vereins werden. Die "Jungen Menschen" treffen sich unter dem Dach der alten Volksschule. Erst vor wenigen Wochen haben 25 Mitglieder das Clubheim renoviert. Wo schrilles Orange dominierte, trifft man sich jetzt in weißen Räumen mit dunklem Gebälk. Fast 800 Stunden steckten die JMler in ihr Heim, nahmen sogar zum Teil extra Urlaub.

Gauting

Die rote Farbe vom Bürgerhaus Bosco hat nicht für die ganze Fassade des JuZ gereicht. Macht nichts. Die Vorderfront ist immer noch grün, wird jedoch durch rote, grüne und lila Beleuchtung aufgemischt, sowie weiße Lichterketten, so dass das Jugendzentrum schon von weitem auszumachen ist. Etwa 25 Jugendliche im Alter von zwölf- bis 17 Jahre treffen sich hier dienstags bis freitags von 14 Uhr an, kickern, spielen Billard oder Airhockey, treffen sich einfach nur um Musik zu hören und zu chillen. Herzstück des JuZ ist das gemütlich eingerichtete Café mit offenem Betrieb. Es gibt ein E-Dart, eine Playstation und eine Reihe von Holzbrettspielen wie Dame, Schach oder Tavla. Mittwoch und Freitag ist PS III und Wii-Zocker-Time. "Wir haben einen PC mit freiem Internetzugang und bieten Bewerbungstrainings für Schulabgänger. Klar, surfen und chatten sind erlaubt", sagt Sozialpädagoge Florian Mayr, der das JuZ leitet. Montags ist Kindertag, von 15 bis 17 Uhr wird gebastelt und getöpfert. Alkohol ist unter der Woche im JuZ verboten, Rauchen sowieso. Natürlich stehen auch die Gautinger Pädagogen ihren Jugendlichen bei Problemen in der Schule, mit Freunden oder bei Liebeskummer bei. Das Café, in dem die Besucher gerne Chillen oder Musik hören kann übrigens auch für Partys gemietet werden, Musik- und Lichtanlage sind vorhanden. Vier Bands können im JuZ proben, denn es gibt zwei schalldichte Übungsräume.

Herrsching

Das lilafarbene Haus an den Bahngleisen ist weithin sichtbar. "Stellwerk" haben die Herrschinger Jugendlichen ihr Domizil an der Baderstraße 25 genannt. 2012 wurde das ehemalige Bahnwärterhauses eingeweiht. Zuvor hatten sich die Jugendlichen jahrelang im Provisorium "JuHe" an der Luitpoldstraße getroffen. Fast eine halbe Million Euro kostete der Umbau. Jetzt stehen den Jugendlichen im dreistöckigen Haus eine Reihe kleinerer und mittelgroßer Räume zur Verfügung. Angeboten wird der offene Cafébetrieb mit Kicker, Dartscheibe und Tischtennisplatte sowie mehrere Computer mit Internetanschluss, Spielkonsolen, ein DJ-Pult. Es gibt aber auch ruhige Räume zum Hausaufgaben machen. Gemeinsam mit den Betreuern Julia Schmidbauer und Christian Kreilkamp können sich Jugendliche zum Bewerbungstraining treffen, sich Ratschläge zu den unterschiedlichsten Problemen holen, aber auch bei kreativen Angeboten mitmachen. Freitags wird gekocht, mehr wollen die beiden Jugendpfleger den Teenagern nicht vorgeben, sondern sie unterstützen, selbst sinnvolle Freizeitbeschäftigungen zu finden. Geöffnet ist Dienstag und Mittwoch von 15 bis 20 Uhr, Donnerstag von 15 bis 19 Uhr und freitags von 14 bis 20 Uhr.

Weßling

Das Jugendhaus Weßling steht in Oberpfaffenhofen. Mitten im Ort, nicht irgendwo am Rande. Das hat in der Vergangenheit Probleme geschaffen, vor allem wenn man lautstark Partys feierte, was zum Jungsein eigentlich dazu gehört, bei den Nachbarn auf Dauer aber nicht gut ankommt. Es war Bürgermeister Michael Muther, der persönlich die Lautsprecheranlage einstellte. Seitdem geht es ruhiger zu, zumal die Jugendlichen um Bastian von Rebay mit dem Jugendreferenten und Musiker Claus Angerbauer einen verständnisvollen Ansprechpartner haben. Zwar feiert man immer noch, aber höchstens noch vier oder fünf Feste, sagt Angerbauer. Das Besondere am Jugendhaus: Der Treff ist selbstverwaltet. Verantwortlich ist der Beirat und sein Sprecher, eben Bastian von Rebay. Nach den Nachbarschaftsbeschwerden gab man sich eine neue Hausordnung, ganz im Sinne der Selbstverwaltung. Nun steht ein Generationswechsel an. Wie zu hören ist, hört Rebay auf. Jüngere müssen die Aufgabe übernehmen. Das wird schwer. Denn wie Angerbauer festgestellt hat, hat im Laufe der Jahre der Zulauf abgenommen. "Unsere Hauptgegner sind Smartphones und Computer." Dafür ist Rauchen und Alkoholkonsum kein Thema mehr. "50 Prozent der Jugendlichen, die zu uns kommen, trinken nichts."

Pöcking

Blickfang ist die große Bar mit LED-Beleuchtung in wechselnden Farben. Gemütlicher finden es die meisten Jugendlichen aber auf der erhöhten Sitzecke mit Fernsehstation. Außerdem gibt es im Pöckinger Jugendtreff Computer-Plätze, Tischtennis- und Kickerspiele. Die Toilette leuchtet neonpink und giftgrün. Vor vier Jahren hat die Gemeinde den Jugendraum "Q-Stall" umfassend saniert. Insgesamt 140 000 Euro hat der Umbau im Keller des Gemeindekindergartens gekostet, die Hälfte musste alleine in die Trockenlegung investiert werden. "Es war ein vollkommen heruntergekommener Raum", sagt Jugendreferent Dieter Link. Seither gibt es ein neues Konzept. Jugendliche über 18 Jahren dürfen den Raum nicht mehr mieten. Statt ausufernder Partys bietet die Sozialpädagogin Petra Wurdack ein abwechslungsreiches Programm an. Besonders die Koch- und Schminkkurse sind sehr beliebt.

Krailling

Jahrzehntelang hatten die Kraillinger Jugendlichen keinen eigenen Treffpunkt. Es mangelte an einem Raum. Doch seit zweieinhalb Jahren gibt es das "Kraill in" im Hubertus. Die Jugendlichen hatten viel Spaß am Einrichten, freuten sich auf Graffiti an der Wand, Billard, Kicker und gemeinsam Fernsehen, aber dann verschwand die Gruppe wieder, die Leiterin blieb nahezu allein zurück. Die Gemeinde holte schließlich den beliebten Jugendhausleiter Harry Mayer aus Seefeld. Er veranstaltete Sommerfeste mit Grillen und Lagerfeuer am Schusterhäuschen, bot E-Bootfahren auf dem Starnberger See an, Modellfliegerkurse, Mal- und Kosmetikkurse, veranstaltete Pokernachmittage und warb auf den Kraillinger Festen für den Jugendtreff. Trotzdem tut er sich noch immer schwer, die Jugendlichen an das Haus zu binden. Inzwischen gibt es zwar schon ein paar Stammgäste, aber zufrieden ist er mit den Zahlen noch nicht. Hoffnung macht ihm, dass momentan viele Jüngere da sind. Die kleine Hausmeisterwohnung am Rande des Ortes ist eben nicht ideal, sagt er. Demnächst darf er in einen anderen Trakt des Hubertus ziehen, wo größere Räume sind und er auch mal eine Disco veranstalten kann. Das Problem ist auch, dass es in Krailling keine weiterführende Schule gibt. Geöffnet ist dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr sowie freitags und samstags von 18 bis 22 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: