Undine:Zufrieden als Sushiröllchen

Undine: "Glück ist für mich in die Schule zu gehen, auch wenn es manchmal nervt", schreibt Laurens (2.v.r.). Die 8a mit Maja, 15, Alexandra, 13, Vincent, 14 (v.l.n.r.) sowie Lehrerin Romana Lernbecher (Mitte) hat über das Thema "Glück" geschrieben - und gewonnen. Sie werden von der Abgeordneten Ute Eiling-Hütig (CSU) durch den Landtag geführt.

"Glück ist für mich in die Schule zu gehen, auch wenn es manchmal nervt", schreibt Laurens (2.v.r.). Die 8a mit Maja, 15, Alexandra, 13, Vincent, 14 (v.l.n.r.) sowie Lehrerin Romana Lernbecher (Mitte) hat über das Thema "Glück" geschrieben - und gewonnen. Sie werden von der Abgeordneten Ute Eiling-Hütig (CSU) durch den Landtag geführt.

(Foto: Viktoria Spinrad)

Beim vierten Undine-Literaturpreis vermessen 90 Autoren das Thema Glück. Die 8a der Starnberger Mittelschule illustriert, wie demütig die Coronazeit die jungen Menschen gemacht hat.

Von Viktoria Spinrad

Wenn Alexandra es gemütlich haben möchte, dann setzt sie sich mit einem Kakao aufs Sofa und rollt sich in eine Decke ein. "Wie ein Sushiröllchen", sagt die 13-Jährige. Glück sei es, es kuschelig und gemütlich zu haben, hat die Schülerin der 8a der Starnberger Mittelschule vor einigen Monaten geschrieben. Es ist Teil einer einfühlsamen und demütigen Collage, die die Schüler zusammengetragen haben. Dafür sind sie am Freitagabend mit dem Starnberger Undine-Literaturpreis in der Kategorie "Klassenaufsätze" ausgezeichnet worden.

"Glück", hieß hier das Thema, weil es das vierte Jahr des Wettbewerbs ist - was ja gleich an ein vierblättriges Kleeblatt denken lasse, so Stifter Wolfgang Bartelmann. Damit hat er ein vermeintlich simples Motiv in den literarischen Raum geworfen, an dem sich aber auch die Wissenschaft nie so recht einig wird. Ist es der kurze Rausch, durch Ekstase, Liebe, Sport? Oder doch eher die stille, langfristige Zufriedenheit? Insgesamt 90 Hobbyautoren haben das Thema 2022 auf ihre Art vermessen - mitten in der politischen Zeitenwende, in der der Dauerkrisenmodus das persönliche Glück ja fast zu einem Luxusgut verdammt.

Undine: Der Geschäftsführer der Starnberger "Bücherjolle", Wolfgang Bartelmann, hat den Undine-Kurzgeschichten-Wettbewerb 2014 ins Leben gerufen, zusammen mit dem früheren Deutschlehrer und Herausgeber der "Starnberger Hefte", Ernst Quester.

Der Geschäftsführer der Starnberger "Bücherjolle", Wolfgang Bartelmann, hat den Undine-Kurzgeschichten-Wettbewerb 2014 ins Leben gerufen, zusammen mit dem früheren Deutschlehrer und Herausgeber der "Starnberger Hefte", Ernst Quester.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das geht auch nicht an den Teenagern aus der Schule im Starnberger Norden vorbei. "Verlierer der Pandemie" wurden Schüler wie sie in den vergangenen Jahren gerne betitelt, weil sie zum Schutz der Älteren immer wieder Fußball oder Ballett ruhen lassen mussten und mal mehr, mal weniger pädagogisch begleitet Aufgaben am Laptop abarbeiteten - fernab von Freunden. "Das war teils richtig langweilig", sagt Vincent, ein 14-Jähriger im grünen Hoodie. "Glück ist für mich, nicht allzu viel Angst vor Krankheiten zu haben, da ich weiß, dass mir geholfen wird", hat er geschrieben. Von wegen Playstation oder Tik Tok.

Corona, Krieg, Inflation: Eine Klasse analysiert die Wiedergeburt des Biedermeier

Beim Abtippen der Kurzaufsätze sei sie geradezu gerührt gewesen, sagt Klassenlehrerin Romana Lernbecher. "Da war nichts Oberflächliches dabei." Kein Wunder, bekommt das heimische Sushiröllchen in einer Zeit wie dieser doch einen ganz anderen Stellenwert. Wie sehr die aktuellen Krisen das vertraute Refugium aufwerten, ja, zur Renaissance des Biedermeier führen, hat die S13A der Starnberger FOS in einem packenden Aufsatz analysiert. Friede, Geborgenheit, Wärme - Sehnsüchte, die auch die Mittelschüler umtreiben.

Undine: "Glücklich wird man in erster Linie durch ein Refugium, in das man immer wieder zurückfallen kann", schreibt die S13A der Starnberger FOS. Mit ihrem gemeinschaftlicher Aufsatz über die Renaissance des Biedermeier in der aktuellen Krisenzeit hat die Klasse von Manuel Blechl (v.r.) die fünfköpfige Jury überzeugt.

"Glücklich wird man in erster Linie durch ein Refugium, in das man immer wieder zurückfallen kann", schreibt die S13A der Starnberger FOS. Mit ihrem gemeinschaftlicher Aufsatz über die Renaissance des Biedermeier in der aktuellen Krisenzeit hat die Klasse von Manuel Blechl (v.r.) die fünfköpfige Jury überzeugt.

(Foto: Connie Weiß)

Für ihn, hat der 13-jährige Laurens geschrieben, sei es wichtig, ein Haus zu haben. Er erzählt von den Nachrichten, die er manchmal sieht, mit den Bildern zerbombter Häuser in der Ukraine. Aber ist ein Obdach keine Selbstverständlichkeit im reichen Starnberg? Die Schüler schütteln mit dem Kopf. Dass hier zunehmend Menschen in der Straße um Geld betteln, sehen auch sie. Einmal, sagt Maja, 15, habe sie sich ziemlich erschreckt, als sie die Tür zur Bahnhofstoilette öffnete und dort eine Frau sah, die es sich dort häuslich gemacht hatte.

Dass das andere Extrem - Wohlstand ohne den Druck, etwas selber zu schaffen - auch nicht unbedingt glücklich macht, legt die fast schon satirische Geschichte von Barbara Müller-Funk nahe. In "Curriculum Vitae" beschreibt die drittplatzierte Starnbergerin den Werdegang einer Tochter des Bildungsbürgertums, die sich vor ihren Eltern in eine Studentenstadt flüchtet, dort aber in zweifelhaften Liebschaften verliert. Erst, als sie nach 34 Semestern an einer Sekte andockt, scheint die selbstzentrierte Abwärtsspirale gebannt.

Undine: Die weiße Tolle ist ihr Markenzeichen, am Starnberger Gymnasium hatte die pensionierte Lehrerin Barbara Müller-Funk Legendenstatus als die stets allen zugewandte "Müfu".

Die weiße Tolle ist ihr Markenzeichen, am Starnberger Gymnasium hatte die pensionierte Lehrerin Barbara Müller-Funk Legendenstatus als die stets allen zugewandte "Müfu".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)
Undine: "Glück bedeutet für mich, Freunde, meine Familie in Sicherheit zu wissen, in die Sterne zu schauen oder die Sonne dabei zu beobachten, wie sie am Horizont verschwindet", schreibt die 15-Jährige von der Inninger Montessori-Schule in ihrer Kurzgeschichte "Das große Glück." Damit gewinnt sie 2022 den Jugendpreis beim Starnberger Undine-Literaturwettbewerb: einen 200 Euro Büchergutschein für die Bücherjolle.

"Glück bedeutet für mich, Freunde, meine Familie in Sicherheit zu wissen, in die Sterne zu schauen oder die Sonne dabei zu beobachten, wie sie am Horizont verschwindet", schreibt die 15-Jährige von der Inninger Montessori-Schule in ihrer Kurzgeschichte "Das große Glück." Damit gewinnt sie 2022 den Jugendpreis beim Starnberger Undine-Literaturwettbewerb: einen 200 Euro Büchergutschein für die Bücherjolle.

(Foto: privat)

Flucht vor der Familie? Bei den Schülern der 8a ist davon nichts zu spüren, im Gegenteil. Viele von ihnen beschreiben ihre Familie als größtes Glück. "Ich wüsste nicht was ich ohne sie machen würde", schreibt eine Schülerin. Ähnlich beginnt auch die Wutrede einer fiktionalen 18-Jährigen, die eine Versammlung von Lottospielern mit einem unerwarteten Beitrag sprengt. "Glück bedeutet für mich, Freunde, meine Familie in Sicherheit zu wissen", ruft die Figur gegen die kapitalismusgetriebenen Hoffnungen der Zocker an. Mit ihrem Weckruf gewinnt die 15-jährige Emma von Staden von der Inninger Montessori-Schule den Jugendpreis im Wettbewerb.

Eine formuliert eine Hommage an das leise Glück

Eine Hommage an das stille Glück ist auch die Kurzgeschichte von Susanne Leontine Schmidt. Die Uttinger Kinderbuchillustratorin und Autorin ist keine Unbekannte im Wettbewerb. 2018 gewann sie mit ihrem humoresken Rollentausch zwischen Mann und Kuh den 2. Platz. Diesmal brilliert sie mit einer lakonischen Erzählung à la Robert Seethaler über einen Mann, der nach dem Tod seiner neuzeitüberforderten Mutter die Liebe findet und vom dicklichen, gehemmten Außenseiter zum bärtigen, liebevollen Ziehvater reift - "Das Glück des Herrn Schmelcher."

Undine: "Ein Phänomen", nennt Undine-Begründer Bartelmann die Uttinger Autorin Susanne Leontine Schmidt.

"Ein Phänomen", nennt Undine-Begründer Bartelmann die Uttinger Autorin Susanne Leontine Schmidt.

(Foto: privat)
Undine: "Das einzige, was bei mir flattert sind etwas zu große Trikots aus dem Sonderangebote", sinniert der selbstironische ich-Erzähler von Joachim Meissl in seiner humoresken Kurzgeschichte.

"Das einzige, was bei mir flattert sind etwas zu große Trikots aus dem Sonderangebote", sinniert der selbstironische ich-Erzähler von Joachim Meissl in seiner humoresken Kurzgeschichte.

(Foto: privat)

Im Klassenzimmer summt Maja einen Song, den sie gern auf Gitarre spielt. "Die Freiheit zu genießen", haben sie hier geschrieben und erzählen jetzt von Manga und Musik, Reiten, Fußball, Zusammenhalt. "Flow", nennt die Wissenschaft das gerne, und es kommt auch beim Zweitplatzierten auf. Der Gautinger Joachim Meissl, 61, hat nach fast 40 Jahren Pause wieder mit dem Schreiben angefangen und eine Hommage an sein Hobby, das Rennradeln vorgelegt. Der selbstironische Bewusstseinsstrom des Fahrers führt den Leser durch den belebenden und befriedenden Abendwind. Am Ende steht die Erkenntnis: "Das Leben ist eine Schau!" Oder, wie es der freundschaftsaffine Vincent schlicht formuliert: "Glück ist, glücklich zu sein."

Die gebündelten Gewinner aus 2022 sowie eine Auswahl früherer Kurzgeschichten gibt es von Samstag, 21. Januar an in der Starnberger Bücherjolle zu kaufen. "Das Beste aus Federn rund um unsere Seen", 14,98 Euro.

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