Viele Haustierbesitzer kennen es vermutlich: Jedes Jahr versetzt die Silvesternacht mit lauter Knallerei und grellen Feuerwerken Tiere in Angst und Schrecken. Dagegen wird auch dieses Jahr vorgegangen. Tierschutzorganisationen fordern ein Verbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern, auch das Starnberger Tierheim schließt sich der Forderung an.
„Böllerciao“ nennt die Deutsche Umwelthilfe ihre Kampagne, die ein Verbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern verlangt. Grund dafür seien unter anderem die gesundheitlichen Auswirkungen angesichts des Feinstaubs, Müllprobleme und die Belastung für Tiere.
Der Deutsche Tierschutzbund befürwortet die Kampagne, da Feuerwerke und Böller bei den meisten Tieren Stress, Angst und Panik auslösen könnten, schreibt die Organisation in einer Pressemeldung. Laut des Tierschutzbundes hat der Bundesrat einen Antrag mit Änderungsvorschlägen zur Sprengstoffverordnung, durch die auch Tierheime geschützt gewesen wären, abgelehnt. „Im Sinne von Tier- und Naturschutz gehört das private Silvesterfeuerwerk verboten“, teilt Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, mit. Dieser fordert geringstenfalls sogenannte „Böllerverbotszonen“ im Umkreis von tierhaltenden Einrichtungen.
Auch der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) fordert in einer Pressemitteilung ein Verbot von Feuerwerken in der Nähe von Rast- und Ruheplätzen von Wildtieren. Die LBV-Biologin Angelika Nelson klärt auf: „Bei Wildtieren löst der heftige Lärm einen Fluchtreflex aus. Sie brauchen dann sehr lange, um wieder zur Ruhe zu kommen. Die nächtliche Flucht kostet die Tiere wertvolle Energie, die sie gerade in langen, kalten Winternächten zum Überleben brauchen.“ Aufgrund der Panik vor Feuerwerken könnten Vögel gegen Glasscheiben und Stromleitungen prallen, heißt es laut LBV.
Auch die Mitarbeiter des Starnberger Tierheims beteuern, dass die Feuerwerke an Silvester großen Stress und Angst bei den Tierheimbewohnern auslösen würden. Deshalb appelliert das Tierheim an die Starnberger, freiwillig auf das Böllern zu verzichten.



Das Tierheim sei durchgängig voll ausgelastet, erklärt die erste Vorstandsvorsitzende Claudia Bläser. Aktuell versorgt es ungefähr einhundert Tiere – 20 Hunde, 30 Katzen, und 50 Kleintiere. Der Großteil der Tierheimbewohner werde durch die hellen Lichter und den Lärm an Silvester gestresst und verängstigt, erklärt Johannes Stroedel, stellvertretender Leiter des Tierheims. Die Tiere bekämen unter anderem Durchfall und Erbrechen, beschreibt er.
In der Silvesternacht werden die Bewohner des Tierheims darum zwischen 22 und 2 Uhr im Innenbereich ihrer Zwinger in Obhut genommen und mit klassischer sowie meditativer Entspannungsmusik beruhigt. Trotzdem sollen manche Tiere sogar das Essen verweigern, erklärt Tierheimleiterin Tanja Wieber. Mit Medikamenten möchte das Tierheim die Tiere nicht beruhigen, das sei „zu gefährlich“ stellen Wieber und Bläser klar. Zudem haben die Tierheimbewohner keine Herrchen oder Frauchen, bei denen sie Schutz suchen könnten. Doch selbst manche Haustiere von Privatpersonen sollen an Silvester vor Schreck ausbüxen, erzählen die Tierheim-Mitarbeiter. Die Nachwirkungen der Böllerei seien bei manchen Tieren noch drei Tage danach erkennbar.
Auch Bürgermeister Patrick Janik (UWG, CSU, SPD, BLS) unterstützt den Appell des Tierheims. Jedoch fordert er die Starnberger nicht auf, gänzlich auf das Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu verzichten. Er selbst sehe es als Teil der Silvester-Tradition, gibt er zu. Aber er spricht sich deutlich dafür aus, im Umkreis von 500 Metern des Tierheims freiwillig keine Feuerwerkskörper zu zünden. Zusätzlich ruft der Bürgermeister dazu auf, „den gesunden Menschenverstand“ zu benutzen und die „Bannmeile ums Tierheim freiwillig anzuerkennen“, sprich in der Nähe des Tierheims keine Feuerwerkskörper anzuzünden.
Der Bürgermeister steht hinter dem Tierheim
Das Tierheim soll sich bisher jährlich bei der Stadt mit der Bitte um ein Böllerverbot gemeldet haben. Bislang konnte der Stadtrat dennoch keine rechtmäßige Grundlage für ein Verbot festlegen. Es habe noch keine hinreichenden Fakten gegeben, die eine Gefahr für die Tiere aufgrund der Böllerei bestätigen. Um den Stadtrat im kommenden Jahr hinsichtlich des Feuerwerkverbots rund um das Tierheim umzustimmen, sollen zum Jahreswechsel die Auswirkungen der Belastungen für die Tiere dokumentiert werden. Deren Befinden soll von Tierheim-Mitarbeitern und einer Tierärztin beobachtet werden. Die Dokumentation der konkreten Stress-Auswirkungen auf die Tiere soll dem Stadtrat im kommenden Jahr vorgelegt werden, berichten das Tierheim und der Bürgermeister. Das Ziel: ein Verbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern im Umkreis von 500 Metern des Tierheims. Janik schätzt die Chancen, den Stadtrat anhand der dokumentierten Daten von dem Böllerverbot zu überzeugen, als „sehr hoch“ ein.
Um die Belastung für die Tiere in der Silvesternacht zu reduzieren, appelliert das Starnberger Tierheim an die Einwohner, vollständig oder zumindest im besagten Umkreis von 500 Metern der Einrichtung, auf das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freiwillig zu verzichten. Für die Silvesternacht empfiehlt Tierheimleitung Wieber privaten Tierbesitzern trotzdem, die Rollläden zu schließen, um die Lichtreflexe zu vermeiden und Musik laufen zu lassen, um die Geräuschkulisse von außen zu verdrängen. Zusätzlich sollen Hunden und Katzen Pheromon-Präparate helfen. Diese solle man schon ein paar Tage vor Silvester in die Steckdose geben, damit sich die Pheromone bereits frühzeitig mit der Raumluft vermischen, beschreibt Wieber.
Anstelle von privaten Feuerwerken schlägt die Deutsche Umwelthilfe vor, zentral organisierte Feuerwerke sowie Drohnen- oder Lasershows zu besuchen. Diese Alternativen sollen die Umwelt entlasten. So könnten alle – Menschen, Haustiere, Tierheimbewohner und Wildtiere – das neue Jahr angst- und stressfrei begrüßen, ohne auf Lichter-Feierlichkeiten verzichten zu müssen. So sieht das auch die Gemeinde Wörthsee: Sie lädt an Silvester von 23 Uhr an zum Beisammensein an Feuerschalen ein – mit Punsch, Sekt, Mitternachtssuppe und Tanzmusik auf dem Rathausplatz.