Süddeutsche Zeitung

Tierheim in Finanznot:Zwinger und Zwänge

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Die Kommunen im Landkreis erhöhen die Unterstützung für das Starnberger Tierheim. Dessen Überleben bleibt dennoch weiter ungewiss: Reichen jährlich 1,60 Euro pro Einwohner?

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Monatelang haben die 14 Landkreisgemeinden mit dem Starnberger Tierheim um die Höhe der Fundtierpauschale verhandelt. Nun wurde ein Kompromiss gefunden, mit dem offenbar beide Seiten leben können: Die Parteien haben sich auf 1,60 Euro pro Einwohner und Jahr geeinigt. Das sei immerhin das 2,75-fache des bisherigen Betrags, sagte der Bürgermeistersprecher und Pöckinger Rathauschef Rainer Schnitzler. Der Konsens ist zwar noch nicht von allen Gemeinden beschlossen worden. Doch eine Zustimmung hält Schnitzler für eine reine Formsache. Denn die Rückmeldungen waren nach Angaben Schnitzler bislang sehr positiv. Auch die Vorsitzende des Tierschutzvereins Starnberg, Claudia Bläser, ist zufrieden. Wenngleich das Ziel noch nicht erreicht sei, "sind wir sehr froh über die Einigung", sagte sie.

Wird ein herrenloses Tier im Landkreis aufgegriffen, kommt es ins Starnberger Tierheim. Die Verpflichtung zur Kostenbeteiligung durch die Gemeinde und dem Landkreis ist eine kommunale Aufgabe. Jede Gemeinde hat sich bislang mit 60 Cent pro Einwohner und Jahr beteiligt. Der Landkreis zahlte bislang zehn Cent. Zum Jahresende 2022 ist dieser Vertrag allerdings ausgelaufen. Für den neuen Vertrag hatte der Tierschutzverein nicht nur eine höhere Fundtierpauschale gefordert. Er hoffte zudem auf eine finanzielle Unterstützung für alle Tiere, die im Tierheim landen, wie etwa die Wildtiere. Denn es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, sich um die Tiere zu kümmern, so die Begründung.

Die Kommunen hatten das allerdings abgelehnt. Die Gemeinden sind dem Bürgermeistersprecher zufolge selbst klamm und können sich eine finanzielle Beteiligung, die über die Pflichtaufgabe hinausgehe, nicht mehr leisten. Der Verein, der das Tierheim betreibt, habe mehr als drei Euro pro Einwohner und Jahr haben wollen, erklärte Schnitzler. Er kann durchaus nachvollziehen, dass das Tierheim Probleme hat. Schließlich haben sich die Energiekosten mehr als verdoppelt und auch die neue Gebührenordnung für Tierärzte ist stark angestiegen. Die Kommunen könnten jedoch nicht immer einspringen, wenn kein Geld da sei, argumentiert Schnitzler.

Die Forderung, wonach Fund- und Abgabetiere nicht mehr aufgesplittet und generell eine Pauschale für jedes Tier bezahlt werden sollte, ist nun vom Tisch. Die Tierheimleitung hat eingesehen, dass die Kommunen der falsche Ansprechpartner sind. "Das muss auf einer höheren politischen Ebene entschieden werden", erklärte die Vorsitzende des Tierschutzvereins, Claudia Bläser.

Mittlerweile gibt es kaum noch Erbschaften

Allerdings können die Tierheim-Kosten auch mit der höheren Pauschale nicht gedeckt werden. Die finanzielle Zukunft bleibt ungewiss. Das jährliche Defizit über Erbschaften zu decken, ist für den Verein keine Alternative. Erbschaften seien keine planbaren Einnahmen und tendierten derzeit ohnehin gegen null, heißt es. Schnitzler allerdings zeigt sich überzeugt, dass noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Beispielsweise könnten mehr Spenden akquiriert werden. Die Gemeinden unterstützen den Verein dabei. Er darf sich auf Märkten und Veranstaltungen präsentieren. Nun versucht es der Verein mit Fundraising. Dies ist auch Thema auf der Homepage des Tierheims.

Die Gemeinden hatten zudem vorgeschlagen, die Kosten für die Abgabetiere auf die Kunden umzulegen. Dagegen habe sich das Tierheim monatelang gesträubt, so der Rathauschef. Die Begründung ist laut Schnitzler, dass dadurch noch mehr Tiere ausgesetzt würden. "Die Leute können sich nichts mehr leisten", erklärt Bläser. Nach Angaben der Vorsitzenden werden derzeit vermehrt kranke Katzen ausgesetzt. Das Tierheim habe aktuell zwei Katzen hereinbekommen, die einen Tumor hätten. "Die Besitzer scheuen die Tierarztkosten", sagt sie.

Und bei Hunden werde häufig am Hundetrainer gespart. Dies hat laut Bläser ein unerwünschtes Verhalten des Tieres zur Folge. Wegen der mangelnden Erziehung werde der pubertierende Hund aggressiv und bissig. Herrchen oder Frauchen kämen nicht mehr zurecht mit dem Tier - es werde abgegeben. Auch andere Gründe werden genannt, beispielsweise, dass der Vermieter keine Hunde erlaubt oder dass die Kinder nicht mit ihm zurechtkommen. "Die Leute schaffen sich Tiere an, ohne sich über die hohen Kosten im Klaren zu sein." Das Tierheim kann aber nicht alle Tiere aufnehmen. Schon jetzt ist die Kapazitätsgrenze erreicht und es gibt lange Wartelisten. Daher wurde das Angebot geschaffen, wonach das Tierheim pubertierende Hunde für ihre Besitzer vermittelt. Die Tierheimmitarbeiter freuen sich über jede Erfolgsgeschichte, insbesondere wenn schwer vermittelbare Tiere ein neues Zuhause finden.

"Unsere Hunde stehen aktuell im Schlamm!"

Nun hat das Tierheim einen weiteren Hilferuf gestartet und um Unterstützung beim Umbau der Hundezwinger gebeten. "Unsere Hunde stehen aktuell im Schlamm, da die Zwinger wieder unter Wasser stehen", heißt es dort. Dies sei mehrmals im Jahr ein "unerträglicher Zustand". Laut Bläser besteht das Problem schon länger, wurde aber aus Kostengründen immer wieder verschoben. Nach Angaben der Vorsitzenden ist das Areal sehr feucht, weil der Grundwasserspiegel sehr hoch liegt. "Wenn es intensiv regnet, bekommen wir es nicht mehr trocken." Derzeit leben 25 Hunde im Tierheim, die im hinteren Bereich des Areals ihren Auslauf haben. Wir bräuchten so schnell wie möglich Abhilfe", betont Bläser. Nun sucht das Tierheim Fachleute aus dem Bereich Baugewerbe oder Landschaftsbau, die entweder Ratschläge auf Spendenbasis erteilen oder ihr Know-how zu einem erschwinglichen Preis anbieten - genau wie qualifizierte Tierpfleger.

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