Süddeutsche Zeitung

Fitness im Fünfseenland:"Aber im Prinzip bin ich draußen"

Bernhard Frühauf, der Erfinder des Starnberger Landkreislaufs, zieht sich nach 36 Jahren aus der Organisation zurück. Ein Rückblick auf seine Höhepunkte und den Wettbewerb "light" in diesem Jahr.

Interview von Peter Haacke

Unter bislang einzigartigen Bedingungen hat im Corona-Jahr 2020 der Starnberger Landkreislauf stattgefunden: Statt Zehner-Mannschaften starteten Sechser-Teams, die ihre Läufe unabhängig von Ort und Zeit binnen einer Woche im Oktober absolvierten und die Ergebnisse danach per Internet meldeten. Immerhin 142 Staffeln mit 852 Aktiven beteiligten sich an der 36. Auflage der beliebtesten Breitensportveranstaltung, die als "Landkreislauf light" in die Annalen eingehen wird. Obwohl in diesem Jahr vieles anders war als zuvor, laufen bereits die Vorbereitungen für den 37. Landkreislauf in Andechs. Auf einen wichtigen Mann im Organisationsteam wird man dabei jedoch wohl verzichten müssen: Landkreislauf-Erfinder Bernhard Frühauf, 73, hatte zwar schon einmal 2016 seinen Rücktritt angekündigt, doch jetzt soll endgültig Schluss sein. Frühauf will den Veranstaltern fortan nur noch beratend zur Seite stehen.

SZ: Der Landkreislauf war in diesem Jahr eine neue Herausforderung für die Organisatoren. Landesweit wurden viele Sportveranstaltungen abgesagt, der Landkreislauf nicht. Wie ist es gelaufen?

Bernhard Frühauf: Wir hatten bis Mai den Landkreislauf in "klassischer" Form in Andechs vorbereitet, Strecken ausgewählt, Genehmigungen eingeholt - bekamen dann aber von Christine Geissler vom Landratsamt den Auftrag, den Landkreislauf neu zu konzipieren, weil wir keine Großveranstaltung mehr machen durften - weder drinnen noch draußen. Es war absehbar, dass es so nicht funktionieren würde, aber am Anfang standen wir bei Null und haben neu überlegt. Mit Ablauf und Ergebnis des Landkreislaufs bin ich sehr zufrieden.

Eine Siegerehrung, bislang stets krönender Abschluss des Laufs, gab es diesmal nicht. Wie sind die Teams an Urkunden und Erinnerungspräsente gekommen?

Die Urkunden haben wir verschickt, ebenso die Geschenke an die Gastmannschaften. Die meisten Teams haben ihre Präsente abgeholt, und einige haben wir auch per Radl zu den Leuten gebracht.

Wie haben die Mannschaften ihre Vorgaben zum Landkreislauf umgesetzt?

Das hat mir sehr gut gefallen: Einige Gruppen entwickelten eigene Ideen. Die Buchendorfer haben eine Vereinsmeisterschaft daraus gemacht und Strecken markiert, die auch anderen Läufern zur Verfügung standen. Die Inninger haben keinen Start-, sondern einen Zielpunkt festgelegt. Und wir in Perchting haben auf einem Rundkurs Strecken über drei, vier und fünf Kilometer markiert, da konnten Kinder und Erwachsene - insgesamt sieben Mannschaften - auch trainieren.

Die Teilnehmerzahlen waren insgesamt dennoch etwas enttäuschend. Woran hat es Ihrer Meinung nach gelegen?

Ich hatte mit mehr Mannschaften gerechnet und war - wie im Vorjahr - von etwa 1600 Läufern ausgegangen. Ein Verein hat uns geschrieben: Es fehlt das Flair des Landkreislaufs an zentralem Ort, wo sich alle Läufer treffen, und auch die Siegerehrung. Andererseits: Die Resonanz war im Nachhinein sehr positiv. Gelobt wurde, dass es keine Unterbrechung der Landkreislauf-Serie gegeben hat. Die sieben Dauerläufer, die bislang alle Veranstaltungen seit 1985 aktiv bestritten haben, waren wieder dabei. Und auch alle Sponsoren, die uns seit Jahren unterstützen, haben uns weiterhin die Treue gehalten.

Unter rein sportlichen Aspekten ist die Veranstaltung mit ihrem Spektrum vom Hochleistungs- bis zum gelegentlichen Hobbysportler ohnehin fragwürdig . . .

Natürlich, das ist überhaupt nicht vergleichbar. Die gelaufenen Strecken sind sehr unterschiedlich. In Perchting waren die Etappen fast völlig eben, in Inning hatten sie erheblich mehr Höhenmeter, und dann gab es Leute, die allein irgendwo gelaufen sind. Also, die Zeiten sind nicht vergleichbar, und daher gibt es auch keine Pokalwertung für die Landkreislaufsieger.

Beim Landkreislauf hat es stets Änderungen, Neuerungen und Verbesserungen gegeben. Eine Zäsur dürfte die Reduzierung der Teams auf sechs Teilnehmer sein. Hat dieses Modell Zukunft?

Es ist der Vorschlag von Helmut Gall aus Inning ins Landkreislauf-Forum unter www.landkreislauf-starnberg.de gestellt worden, ob man die Mannschaften auch beim "klassischen" Lauf auf je acht Teilnehmer reduzieren sollte. Es gibt aber noch weitere Aspekte, die im Forum diskutiert werden sollten. Offen ist ja die grundsätzliche Frage, ob der Lauf 2021 - wie bislang geplant - in klassischer Form in Andechs stattfinden kann, oder ob wir weiterhin eine Corona-Situation haben. Wenn das geklärt ist, kann man über Änderungen im Organisationsablauf nachdenken.

Das bedeutet also, dass die Organisatoren für 2021 derzeit nicht wissen, wie es weitergehen wird?

Ja, allerdings sind die Planungen für Andechs, den ursprünglich geplanten Veranstaltungsort für 2020 und jetzt auch für 2021, im Prinzip abgeschlossen: Wir haben die Strecken, wir haben die Genehmigungen und die Unterstützung der Gemeinde, der Bürgermeister steht ebenso dahinter wie die Andechser Vereine.

In welche Richtung sollte sich der Landkreislauf weiterentwickeln, wenn Sie als Cheforganisator nicht mehr dabei sind?

Mein Ziel für den Landkreislauf ist und war, dass er ins Landratsamt zurückkommt mit Gesamtverantwortung und Gesamtkoordination, damit gewährleistet ist, dass das Event professionell organisiert ist. Man braucht die Unterstützung der Behörde, damit das Ganze funktioniert. 2016 war die Situation im Landratsamt ungeklärt. Hinzu kamen verschiedene personelle Änderungen, und die Teamleitung war auch neu. Die sollte ich dann einarbeiten. Ich habe schon die Notwendigkeit gesehen, dass ich meine Erfahrung im Hintergrund weitergebe, damit die neue Teamleitung darauf aufbauen kann. Das hat sich dann über drei Jahre hingezogen.

Bisher stand Ihnen ein knapp 80-köpfiges Helferteam zur Seite. Wie viele Leute waren jetzt an der Organisation beteiligt?

Heuer war der Aufwand wesentlich geringer, weil wir ja keinen Start- und Zielbereich aufbauen mussten, die Verköstigung in der Brunnangerhalle entfiel. Jede Mannschaft ist ja für sich an ihrem Ort gelaufen, bis auf Berg waren 13 Gemeinden beteiligt. Insofern war der Organisationsaufwand wesentlich geringer. Neu machen mussten wir das Auswertungsprogramm im Landratsamt, die Meldungen von Zeiten und Namen mussten organisiert werden, das Ausdrucken der Urkunden - das alles hat der John Hyer mit großem Aufwand wieder ehrenamtlich gemacht. Das Team, das tagtäglich in der Organisation mitgearbeitet hat, bestand aus fünf bis acht Leuten. Für den "klassischen" Lauf mit Streckenposten, Start- und Ziel-Leuten, Zeitnehmern, Kommentatoren, Kräften für den Auf- und Abbau, die das Ganze alles ehrenamtlich nur für eine Brotzeit machen, ist das aber kein Zukunftsmodell.

Ein Rückblick auf 36 Veranstaltungen: Es gibt ja viele Anekdoten rund um den Lauf, aber was waren die positiven und negativen Höhepunkt aus Ihrer Sicht?

Anfangs haben wir die Zeiten der einzelnen Mannschaften mit nur einer Uhr gestoppt, jetzt haben wir die Liveübertragung der Zeiten jedes einzelnen Läufers - ein riesiger Fortschritt. Wir hatten nie einen Toten oder Schwerverletzten, es ist alles unfallfrei abgelaufen. Sehr gut gefallen hat mir die Umstellung auf einen zentralen Veranstaltungsort mit Start und Ziel, die Atmosphäre, in der auch die letzten Läufer noch angefeuert werden - das macht den Landkreislauf aus. Was mich sehr betroffen gemacht hat war die Erkrankung von Dirk Marsen, mit dem ich den Landkreislauf gemeinsam ins Leben gerufen habe. Belustigt, aber auch geärgert hat mich der verkorkste Start in Gilching 2018, der wiederholt werden musste, weil es keine Startlinie gab. Rücksichtslos war ein Bürger in Tutzing, der einen Feuerwehrmann angefahren hat. Und jährliches Ärgernis sind immer wieder irgendwelche Leute, die Etappen-Hinweisschilder entfernen und so den Sportlern ihren Spaß vermiesen.

Sie wollen als Motor des Events nun endgültig von der Organisation des Landkreislaufes zurücktreten. Wie geht es weiter?

Ich habe meine Erfahrungen und Kontakte eingebracht, und ich bin ja nicht weg. Wenn es Fragen gibt, bin ich bereit, bei Bedarf ehrenamtlich mitzuarbeiten. Meine Frau Jana ist beim Landratsamt von der sportlichen Seite her für den Landkreislauf zuständig, und wir werden trotzdem daheim über den Landkreislauf reden. Aber im Prinzip bin ich draußen. Ich will keine Verantwortung mehr im Bereich des Landkreislaufs haben. Diesen Stress, den ich an zwei Tagen habe, halte ich nicht mehr aus. Ich bin 73 Jahre alt, muss auf meine Gesundheit Rücksicht nehmen; diesen Stress kann ich mir nicht mehr zumuten. Im Landratsamt laufen derzeit Organisationsuntersuchungen, wer was übernimmt, die Sportsachbearbeitung, die Aufgaben für die Vorgesetzten und was extern vergeben werden kann. Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Ich gehe aber davon aus, dass der Landkreislauf auch unter Landrat Stefan Frey weiterhin existieren wird - in welcher Form auch immer.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2020
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