Starnberg:Stressfreie Forellen schmecken besser

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Eine Regenbogenforelle spürt auch Stress. (Foto: Günther Reger)
  • Immer mehr Verbraucher legen Wert auf eine artgerechte Haltung. In der Teichwirtschaft ist Massenhaltung dagegen die Regel.
  • Forscher untersuchen jetzt die Stressbelastung von Fischen.
  • Fütterung erzeugt positiven Stress.

Von Armin Greune, Starnberg

Immer mehr Verbraucher legen beim Kauf von tierischen Lebensmitteln Wert auf artgerechte Haltung. Während die Intensivmast von Hühnern, Rindern und Schweinen im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit steht, stoßen die Lebensbedingungen in Fischzuchten bislang eher auf geringes Interesse. Wohl auch weil sie ihr Wohlbefinden weder durch Schwanzwedeln noch durch Schnurren kundtun, erfahren die Kaltblüter kaum tierschützerische Zuneigung. Dabei ist in der Teichwirtschaft Massenhaltung die Regel: Die Besatzdichte ist oft so hoch, dass in einem Pool von der Größe eines olympischen Schwimmbeckens eine halbe Million Forellen mit jeweils 250 Gramm Gewicht gehalten werden könnten. Und für die Kunden sind die Lebensbedingungen schon allein deshalb wichtig, weil sie sich in der Qualität des Fleisches widerspiegeln.

Das erwachende Bewusstsein für "animal welfare" - zu deutsch Tiergerechtigkeit - hat die Praktiker auch auf der jährlichen Fortbildungstagung des Starnberger Instituts für Fischerei (IFF) beschäftigt. Vor fast 200 Zuhörern in der Schlossberghalle berichtete Kai Lübke über seine Versuche mit Regenbogenforellen: In einem Forschungsprojekt untersucht der Biologe am IFF die Stressbelastung der Fische. Als objektive Parameter stünden dazu Gewichtszunahme, Flossenschäden und die Ausschüttung von Stresshormonen zur Verfügung, sagte Lübke.

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Da die Fische Cortisol über die Kiemen ausscheiden, lässt sich die Hormonkonzentration auch im Beckenwasser messen. So konnte Lübke nachweisen, dass die Forellen beim praxisüblichen Abfischen, Wiegen und Umsetzen in ein neues Becken mit vier- bis zwölfmal erhöhter Cortisolabgabe reagierten und die Werte nach zwei, drei Stunden wieder auf Normalniveau sanken. Auch eine plötzliche Erwärmung des Wassers bedeutete für Forellen Stress. Von plötzlichen lauten Geräuschen oder andauerndem Lärm ließen sich die Fische nicht beeindrucken, auf die tägliche Fütterung reagierten sie mit leicht erhöhter Hormonausschüttung, die der Forscher als "positiven Stress" wertete.

Ein Versuch mit Besatzdichten von 10 und 50 Kilogramm Fisch pro Kubikmeter Wasser ergab kaum Unterschiede bei der Gewichtszunahme und Stressreaktion. Zusätzliche Strukturen im Becken hatten zur Folge, dass die Flossen der Fische seltener missgebildet waren, außerdem konnte Lübke bei den Forellen ein ruhigeres Verhalten beobachten. Den Fischwirten riet er, beim Umsetzen der Tiere rasch und sorgfältig zu arbeiten und sie vorsichtig an neue Temperaturen anzupassen. Während "hohe Besatzdichten nicht zwangsläufig mehr Stress bedeuten, ist ein gutes Haltungsumfeld entscheidend", sagte Lübke.

Die Fischwirte regten ihrerseits an, die Tests auf langwierige, chronische Stressfaktoren zu erweitern. IFF-Leiter Helmut Wedekind wies allerdings darauf hin, dass die Cortisolmessungen aufwendig und teuer seien; außerdem müsse sich auch das Starnberger Institut alle Tierversuche genehmigen lassen. Die Frage, wie Stress sich auf die Fleischqualität der Fische auswirke, konnte Wedekind hingegen direkt beantworten: Wie bei anderen Schlachttieren führen Belastungen zur Übersäuerung des Fleisches, es werde bei der Zubereitung zäh und wässrig. Von der "guten fachlichen Praxis, weitgehend aus Ruhesituationen heraus zu schlachten", profitieren also auch die Kunden.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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