Verkehrsprojekt:Streit um Sicherheit im Tunnel

Gegner bedienen Schreckensszenarien, Befürworter sprechen von Panikmache und die Planer versprechen: "Wir würden niemals einen Tunnel freigeben, der unsicher ist"

Von David Costanzo, Starnberg

Ein Schreckensszenario: Im Tunnel krachen Autos ineinander, es brennt - und die Feuerwehr fährt nicht in die Röhre. So wird es sicher nicht kommen. Dennoch hat der Stadtrat am Montag eine Angstdebatte geführt. Die Rollen sind klar verteilt: Die Tunnel-Gegner sorgten sich um die Sicherheit der Autofahrer und rekurrierten immer wieder auf Feuerwehrkommandant Markus Grasl, der die Röhre als unsicher beurteilt habe. Die Befürworter warfen ihnen Panikmache vor. Tatsächlich hat der oberste Feuerwehrmann der Stadt dies so nicht gesagt. Tatsächlich sind die Planer des Staatlichen Bauamts noch lange nicht fertig mit ihrem Konzept.

Die Grundsatzdebatte ergab sich aus einem Antrag der CSU: Stadtrat Stefan Frey wollte Bürgermeisterin Eva John (BMS) Äußerungen über die Sicherheit des Tunnels verbieten und holte eine Mehrheit gegen die Stimmen von BMS, WPS, FDP und BLS. John hatte in zwei Schreiben an das Staatliche Bauamt Weilheim Mängel moniert und der Behörde Ultimaten gesetzt, ein Sicherheitskonzept vorzulegen - und dies in der Öffentlichkeit gestreut. Die Schreiben sollen nach dem Votum vom Montag nichtig sein. Tunnel-Befürworter Frey klagte, es werde alles versucht, den Bau zu torpedieren. Tunnel-Gegnerin John erwiderte, sie solle mundtot gemacht werden.

Tunnel B2 B2-Tunnel Starnberg Animationen Staatliches Bauamt Weilheim

So könnte es aussehen, das Portal des B2-Tunnels in Starnberg. Über Sicherheitsfragen wird jetzt schon hitzig diskutiert.

(Foto: Animationen Staatliches Bauamt Weilheim)

Kommandant Grasl war nicht zur Sitzung eingeladen und wundert sich über "platte Aussagen" im Stadtrat. Er macht den Planern des Bauamts gar keine Vorwürfe, sondern berichtet von konstruktiven Gesprächen. Schon am Donnerstag steht die nächste Runde in Weilheim zwischen Polizei, Rettungsdienst, Brandrettern, Stadt und Planern an. Für Grasl dreht sich die Diskussion auch gar nicht darum, ob der Tunnel sicher oder unsicher ist, das seien unklare Begriffe, sondern wie die Retter ihrer Aufgabe nachkommen können.

Am wichtigsten wäre ihm eine Brandmauer zwischen den beiden Spuren in der Röhre, damit die Feuerwehr bei einem Brand von der anderen, rauchfreien Seite aus die Flammen angreifen kann. Das sei der "Münchner Tunnelstandard". Sollte diese Mauer nicht gebaut werden, könne die Feuerwehr nicht mit den Autos zum Löschen in die Röhre rasen, das würden auch die Kollegen in der Landeshauptstadt nicht tun. Das wäre "Harakiri". Ohne Mauer müsse man einen Unfall so behandeln, wie die Münchner Feuerwehr Brände in der U-Bahn angeht - von oben. In Starnberg sind allerdings bislang sechs Rettungstreppen geplant, über die Menschen aus dem Tunnel flüchten sollen. Außerdem sind die Treppenhäuser teilweise so hoch wie in einem zwölfstöckigen Gebäude und an der Oberfläche für die Feuerwehrwagen nur schwer innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen zehn Minuten zu erreichen. "Das überfordert die städtische Struktur derzeit", sagt Grasl. Während er mit dem Staatlichen Bauamt alle Punkte ansprechen könne, wundere er sich aber, dass die Bürgermeisterin keinen Arbeitskreis gründet, in dem alle städtischen Stellen zusammenkommen - Stadtbauamt, Verkehrsplaner, Brandretter. Zusätzlich fordert Grasl eine Sprinkleranlage oder einen Aufzug für die Feuerwehr. Er betont: Kein Problem sei unlösbar.

Abluftkamin wird überprüft

Die Anwohner dürfen zumindest hoffen: Der Abluftkamin des B2-Tunnels, der zehn Meter hoch am denkmalgeschützten Starnberger Schlossgarten aufragen soll, muss womöglich nicht gebaut werden. Das Staatliche Bauamt Weilheim überprüft derzeit die Notwendigkeit. "Das ist ein bekanntes Thema", sagt Behördenleiter Uwe Fritsch. "Wir werden die Lüftung noch einmal durchrechnen."

Am Montag trug der Anwohner und Starnberger FDP-Vize Wolfgang Ziebart seine Bedenken im Stadtrat vor: Der Abluftkamin sei erst nachträglich eingeplant worden, um die Belastung mit Stickstoffdioxid am nördlichen Tunneleingang zu senken - also an der Münchner Straße. Das sei zehn Jahre nach dem Planfeststellungsbeschluss aber "vollständig überflüssig", weil Autos dank neuer Vorschriften immer weniger von dem Schadstoff ausstießen - derzeit gilt Euronorm 6. Tatsächlich beobachtet das Umweltbundesamt seit Jahren rückläufige Belastungen und erwartet dies auch in den kommenden Jahren. Erst vergangene Woche hatte ein Gutachter im Auftrag der Stadt sehr gute Messwerte berichtet: In der Hauptstraße wurden im Durchschnitt der vergangenen acht Monate 26 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft registriert, in der Hanfelder Straße sogar nur 21 Mikrogramm - der Jahresgrenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.

Ziebart warnte davor, dass der Schlossgarten "als Oase der Ruhe kaputt" sei, wenn der Kamin gebaut werde. Die Dimension mit einem Durchmesser von vier Metern sei eher mit einem Kirchturm vergleichbar. Die Abluft werde mit etwa 60 Stundenkilometern aus dem Kamin gepresst. Die Turbinen verbrauchten so viel Strom wie etwa 450 Vier-Personen-Haushalte. dac

Auch der Leiter des Staatlichen Bauamts kann die Diskussion im Stadtrat nicht verstehen. "Das schürt nur Ängste, die völlig unberechtigt sind", sagt Uwe Fritsch. "Wir würden niemals einen Tunnel freigeben, der unsicher ist." Für ein allumfassendes Sicherheitskonzept sei grundsätzlich bis zur Eröffnung der Röhre Zeit, er könne die Eile nicht verstehen.

Derzeit überarbeiteten die Mitarbeiter die Pläne für die Ausschreibung, die in der ersten Hälfte des Jahres 2020 veröffentlicht werden soll. Dabei würden alle Aspekte überprüft - etwa der Brandschutz. Ein Höchstmaß an Sicherheit würde die Kosten treiben, zusammen mit der Feuerwehr werde ein Mittelweg gefunden werden. Tatsächlich sei der Rettungsweg das Hauptthema, schon am Donnerstag werde erneut darüber gesprochen werden. Facharbeitsgruppen würden sich in nächster Zeit mit allen Details beschäftigen.

Noch ein Problem plagt den obersten Tunnelplaner: Wer spricht beim Spatenstich am 20. Juli als Vertreter der Stadt nach den Ministern aus Bund und Freistaat? Zwar hat der Stadtrat am Montag mehrheitlich beschlossen, den Zweiten Bürgermeister Klaus Rieskamp als Vertreter für das Grußwort vorzuschlagen, das Bürgermeisterin John nicht halten will. Die hat aber umgehend angekündigt, den Beschluss überprüfen zu lassen. Sie habe Zweifel, dass er rechtmäßig sei.

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