Süddeutsche Zeitung

Medizin:Wie eine Stammzellspende die kleine Lucia rettete

Im Alter von sieben Monaten litt das Mädchen aus Hechendorf an einem lebensgefährlichen Immundefekt. Heute besucht die Siebenjährige die zweite Klasse und liebt Tiere.

Von Blanche Mamer

Lucia ist geheilt und voller Lebensfreude. Sie liebt Tiere, tollt mit dem Familienhund Aischa und der Katze Max durch den Garten und hat am Dienstag mit großer Begeisterung die zweite Klasse begonnen. "Die Siebenjährige führt dank einer Stammzellspende ein gesundes, glückliches Leben", berichtet die Aktion Knochenmarkspende Bayern mit Sitz in Gauting. "Wir hatten so ein großes Glück. Es hat alles gepasst", sagt Großvater Klaus K. aus Hechendorf. Auch bei der AKB ist man hochzufrieden. "Wir sind ganz glücklich, wenn so eine Geschichte gut ausgeht", sagt die Mitarbeiterin der Stiftung, Manuela Ortmann.

Aufgrund eines lebensbedrohlichen Immundefekts, der Hämophagozytischen Lymphohistiozystose (HLH), war das kleine Mädchen aus dem Landkreis Starnberg mit nur sieben Monaten auf eine Stammzellspende angewiesen. Das war 2012 und die Bewohner Starnbergs und der ganzen Region um München beteiligten sich an zwei Typisierungsaktionen. 1400 potenzielle Spender ließen sich registrieren, berichtet Ortmann.

Als das Baby fünf Monate alt war, litt es unter extrem hohen Fieberschüben. Eine Ärztin im Starnberger Krankenhaus habe festgestellt, dass die Organe bei Lucia vergrößert waren und etwas ganz und gar nicht stimmte, erzählt der Großvater. In der Haunerschen Kinderklinik fanden die Ärzte schon bald den Grund: HLH, ein seltener, erblicher Immundefekt, den beide Eltern haben müssen, um ihn an das Kind weiterzugeben.

Es sei ein Glück gewesen, dass die Krankheit so früh entdeckt worden sei, trotzdem habe die Zeit gedrängt, sagt Ortmann. Schließlich habe das Baby doch Blutstammzellen von seiner Mutter bekommen, da keine andere Spende die notwendige Übereinstimmung hatte. Von den neu registrierten Spendern sind jedoch 13 zu Lebensrettern geworden, ihre Stammzellen haben anderen Patienten die Chance auf um anderen Patienten wie Lucia die Chance auf ein neues Leben zu geben.

Lucia hatte die Stammzellen am 12. Dezember 2012 über eine Bluttransfusion erhalten, schon Anfang Januar wurde die Familie informiert, dass die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßung gering sei und im Februar konnten die starken Medikamente stufenweise abgesetzt werden, erzählt Klaus K. Nach drei Jahren war die Wahrscheinlichkeit groß, dass es keinen Rückfall geben werde. Bei Lucia wurde inzwischen ein weiterer sehr seltener Gendefekt festgestellt, das Chediak-Higashi-Syndrom, das ihre sehr helle Haut und die Augenschwäche erklärt.

Typisierung und Spende

Leukämie ist heilbar, wenn rechtzeitig ein passender Stammzellspender gefunden wird. Typisieren lassen kann sich jeder zwischen 17 und 45 Jahren, der gesund und in körperlich guter Verfassung ist. Dabei sind nur wenige Tropfen Blut oder ein Wangenabstrich und ein paar Minuten Zeit notwendig. Eine Stammzell- oder Knochenmarkspende hat nichts mit dem Rückenmark zu tun: Stammzellspenden finden heute meist ambulant über die Armvene statt. Nur in etwa 20 Prozent der Fälle wählen die Transplanteure eine Knochenmarkentnahme aus dem Beckenkamm, die unter Narkose erfolgt. Allein die AKB betreut heute mehr als 320 000 Spender. Bla

Ihr Großvater findet, nachdem so viele Menschen bereit gewesen waren, Stammzellen für Lucia zu spenden, sei es jetzt an der Zeit, sie über deren Genesung zu informieren. Das wurde klar vor ein paar Wochen im August, als Manuela Ortmann der Kleinen ihren wohl größten Wunsch erfüllen konnte, nämlich einen richtigen Bauernhof zu besuchen. "Wir fuhren auf den Hof der Familie Plabst am Wörthsee. Lucia durfte nicht nur die Tiere bestaunen, und sie streicheln und Ponyreiten, sondern auch mithelfen, wie beim Kühe melken. Alle Kühe mussten gemolken sein, ehe wir den Heimweg antreten konnten!", berichtet Ortmann. Auf dem Hof habe sie erfahren, dass die Menschen sich an Lucia erinnerten und sehr interessiert waren an ihrem Schicksal.

Für die Stiftung AKB sei es ermutigend zu sehen, dass das Engagement im Kampf gegen den Blutkrebs, Gendefekte und andere schwerwiegende Erkrankungen des blutbildenden Systems solche wunderbaren Erfolgsgeschichten möglich macht, so Ortmann. Darum ruft sie dazu auf, dass sich möglichst viele als potenzielle Stammzellspender registrieren lassen.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019
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