Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Stadtratsstreit landet vor Gericht

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Die Allianz um Bürgermeisterin Eva John will sich der Kommunalaufsicht nicht beugen. Sie bleibt dabei, dass die Neubesetzung der Ausschüsse rechtens sei. Jetzt wird gegen den Bescheid des Landratsamts geklagt

Von Peter Haacke, Starnberg

In einer weiteren Sondersitzung zum Thema "Änderung der Ausschussbesetzung" hat der Starnberger Stadtrat am Montagabend entgegen allen Erwartungen beschlossen, die von der Kommunalen Rechtsaufsicht als rechtswidrig beanstandeten Beschlüsse vom 28. Juli nicht aufzuheben. Stattdessen beauftragte eine Mehrheit der Mandatsträger - WPS, BMS, BLS, FDP sowie Bürgermeisterin Eva John - die Verwaltung, gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 30. Oktober beim Verwaltungsgericht München Klage einzureichen.

Welche weiteren Folgen dieses Votum noch für die Arbeit in städtischen Ausschüssen, im Stadtrat und für die Verwaltung haben wird, ist derzeit völlig ungewiss. Für den Dienstag etwa war angesichts einer Vielzahl von unerledigten Bauanträgen eine Sondersitzung des Bauausschusses anberaumt worden, für die es bis wenige Stunden vor Beginn aber noch keine verbindliche Teilnehmerliste gab. Stefan Diebl, Pressesprecher am Landratsamt Starnberg, ließ indes am Nachmittag wissen, dass die für die Ausschussbesetzung relevante in Aussicht gestellte "Ersatzvornahme mit Sofortvollzug" - so die amtliche Bezeichnung - schnellstmöglich erstellt werde. Die Behörde war erst gegen 12.15 Uhr über den Beschluss des Stadtrates per E-Mail informiert worden.

Knapp 50 Zuhörer hatten sich am Montag eingefunden, um den vermeintlich letzten Teil des Vierakters als Folge des Fraktionswechsels von Klaus Rieskamp zu verfolgen. Doch abgesehen von einer neuen Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabe und der Bestellung von Anna Engesser zur Standesbeamtin, die jeweils einstimmig gebilligt wurden, blieb sich der Stadtrat beim strittigsten Punkt treu: Am Ende der einstündigen Debatte stand eine Abstimmung, die dem Gremium noch Ungemach bereiten dürfte. Denn die mehrheitliche Weigerung des Stadtrats, dem Rechtsentscheid der Kommunalaufsicht zu folgen, bringt die Verwaltung in eine Zwickmühle: Lädt sie die Ausschuss-Mitglieder in ursprünglicher Besetzung vom Mai ein, verstößt sie gegen den Beschluss des Stadtrats. Gilt dagegen die "neue" Besetzung von Ende Juli, widerspricht das dem Entscheid der Rechtsaufsicht.

WPS-Stadtrat Maximilian Ardelt eröffnete die Debatte mittels schriftlicher Erklärung: Demnach sei die Abkehr des einstigen Vorstandsmitglieds Rieskamp von der WPS unstrittig. Rieskamp sei definitiv nicht mehr WPS-Mitglied, las Ardelt vor, und gehöre allein der BLS an, die somit wieder Fraktionsstatus und das Recht zur Teilnahme an Ausschusssitzungen habe. Eine "neutrale Stelle" solle in Ruhe klären, wie die "BLS zu ihrem Recht kommt". Der Anordnung der Kommunalen Rechtsaufsicht zur Aufhebung der rechtswidrig beschlossenen Ausschuss-Umbesetzung erteilte die WPS eine klare Absage: Es soll vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden.

Möglich wurde das Votum durch die Absenz von vier Stadträten aus CSU, UWG und SPD, während bei der Allianz einzig Franz Heidinger fehlte. Vergeblich argumentierten die Fraktionschefs von CSU, UWG, SPD und Grünen, endlich einen "Schlusspunkt unter die Sache zu setzen", wie Tim Weidner (SPD) es formulierte. Der Schaden durch die Lähmung der Gremien sei schon jetzt immens, einige Stadträte - gemeint war der Block der Umfahrungsfreunde - hätten bereits genug Stoff geliefert und sich "um Kopf und Kragen geredet". Franz Sengl (Grüne) unterstellte, einige Vertreter der John-Allianz hätten in Unkenntnis der Rechtslage zwar "halbseidig rumgelogen", sich dabei allerdings nicht "zu einer Urkundenfälschung hinreißen lassen". Es sei problemlos möglich gewesen, die seit Monaten zur Untätigkeit verbannten Ausschüsse tagen zu lassen. Otto Gaßner (UWG) stellte in Abrede, dass der Stadtrat überhaupt in der Lage sei, ein Rechtsgespräch führen zu können und verglich die Gremiumsmitglieder mit Mäusen in einem Labor-Experiment: "Sie haben einen interessanten Weg beschritten, der im Rest Bayerns noch nicht passiert ist." Ludwig Jägerhuber (CSU) unterstellte John eine "Verdrehung der Tatsachen" und kritisierte, dass die Verwaltung trotz eindeutiger Hinweise der Rechtsaufsicht in ihrer Vorlage keinerlei Aspekte zur Widersprüchlichkeit der Angelegenheit vermerkt habe; Fraktionskollege Stefan Frey hinterfragte vergeblich die "persönliche Haltung" der Bürgermeisterin in der Angelegenheit.

Doch die kurzzeitig unter Druck geratene Bürgermeisterin ließ die Kritik an ihrer Person unbeeindruckt; eine Antwort blieb sie schuldig. Stattdessen verwies John auf den Unterschied zwischen Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren. Die sinnvollste Aussage des Abends glückte wohl Iris Ziebart (FDP), die zuvor noch gefordert hatte, sämtliche Fraktionswechsel seit 2002 genau zu prüfen: Sie plädierte für ein Ende der unwürdigen Debatte, denn "jedes weitere Wort beschädigt die Bürgermeisterin und den Stadtrat".

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SZ vom 12.11.2014
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