Öffentlicher Nahverkehr:Streitobjekt Stadtbusse

Starnberg: Buslinie 902

Wer bezahlt für die Stadtbusse in Starnberg? Diese gehörten zur Grundversorgung im öffentlichen Nahverkehr, argumentiert der dortige Stadtrat. Deswegen müsse der Landkreis die Kosten übernehmen - doch das sieht man im Landratsamt anders.

(Foto: Nila Thiel)

Die Stadt Starnberg und der Landkreis geraten wegen der Kosten für die innerstädtischen Linien aneinander, eine Einigung ist nicht in Sicht. Doch die Zeit drängt, noch im Dezember müssen die Ausschreibungen raus. Im schlechtesten Fall droht für 2023 eine Rückkehr zum Stundentakt.

Von Peter Haacke

Zwischen der Stadt Starnberg und dem Starnberger Landratsamt eskaliert die Auseinandersetzung über die Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Schon seit Monaten schwelt das strittige Thema zwischen den Beteiligten, am Montagabend entlud sich im Starnberger Stadtrat nun die ganze Unzufriedenheit über den aktuellen und den künftigen Status quo, schließlich geht es bei den Stadtbuslinien auch um viel Geld.

Die Fronten sind verhärtet: Der Starnberger Stadtrat und Bürgermeister Patrick Janik (UWG) sind der Auffassung, dass der ÖPNV allein Aufgabe des Landkreises ist und dieser dementsprechend auch die Kosten für alle innerstädtischen Buslinien zu 100 Prozent übernehmen müsste. Im Landratsamt dagegen argumentiert man, dass lediglich eine Grundversorgung im Stundentakt sichergestellt werden muss. Die seit 2016 von Starnberg gewünschte Ausweitung des Angebots auf einen 20-Minuten-Takt müsste als Extrawunsch also weiterhin von der Stadt bezahlt werden. Eine Lösung dieses Konflikts ist derzeit nicht absehbar. Dabei drängt die Zeit: Noch im Dezember müssen die Ausschreibungen für die ÖPNV-Buslinien im Jahr 2023 erfolgen.

Der ÖPNV ist eine kostspielige Angelegenheit. Mit rund 13 Millionen Euro pro Jahr ist das Busangebot im Landkreis einer der größten Posten im kommunalen Etat, 90 Prozent davon zahlt der Landkreis. In der Kreisstadt Starnberg ist das Angebot besonders üppig: 2016 wurde der Fahrplan auf Bestreben der ehemaligen Bürgermeisterin Eva Pfister (vormals John) erheblich erweitert, die Stadtbuslinien fahren in den Hauptverkehrszeiten seither im 20-Minuten-Takt.

Das hat jedoch seinen Preis, beständig wuchs das Betriebskostendefizit zu Lasten der Stadt: Steuerte die Kreisstadt im Jahr 2014 noch 262 700 Euro bei, waren es 2016 schon 672 000 - und für 2019 werden es mehr als 800 000 Euro sein. Im Hinblick auf die nun anstehende Neuausschreibung der Buslinien für 2023 schwebt dem Stadtrat allerdings eine grundsätzliche Änderung vor: Weil seiner Ansicht nach das derzeitige Angebot aller Linien sowohl im Landkreis als auch in der Stadt mit 20-Minuten-Takt der ÖPNV-Grundversorgung diene, soll der Landkreis das gesamte Defizit künftig allein tragen. Die seit rund 30 Jahren währende Beteiligung am Defizit sei eine freiwillige Leistung der Stadt, für die es aber keine Rechtsgrundlage gebe, so das Argument.

Das sieht man im Landratsamt anders. Landrat Stefan Frey (CSU) zeigt sich verwundert über die Starnberger Forderungen und verweist auf Artikel 8 des bayerischen ÖPNV-Gesetzes. Hier heißt es: "Die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs ist eine freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Gemeinden im eigenen Wirkungskreis". Überdies seien in den Kreisgremien inhaltliche Vorgaben und Finanzierungsgrundlagen zum Nahverkehrsplan bereits 2020 ausführlich debattiert und mit allen Landkreis-Kommunen abgestimmt worden. Von Starnberger Seite habe sich dabei kein Widerspruch ergeben. Einen Teil der Stadtbuslinien zahle der Landkreis ohnehin komplett, der 20-Minuten-Takt aber sei stets "ein Sonderwunsch" der Starnberger gewesen.

Der Stadtrat indes ereiferte sich am Montag über verspätet gelieferte Unterlagen vom Landratsamt zu Kosten und Fahrgastzahlen sowie Abstimmungsproblemen bei Gesprächsterminen. Den Anstoß zur ÖPNV-Kostendebatte hatte offenbar der Kommunale Prüfungsverband gegeben: Für eine Kostenbeteiligung am MVV gebe es demnach keine Rechtsgrundlage, betonte Bürgermeister Janik - und: "Wir sind nicht zuständig für den ÖPNV." Gern hätte er mit Vertretern des Landratsamts darüber gesprochen, "wenn es denn ein Gespräch gegeben hätte".

Zudem war von "Willkür" bei der Klassifizierung der Buslinien die Rede: Alle Stadtbusse sind bislang der Kategorie "Grundversorgung" zugeordnet, der Landkreis übernimmt hierfür ein Drittel der Kosten. Doch wenigstens die Linien 901 und 902 sollen laut Stadtrat künftig der Kategorie "Berufsverkehr" zugeordnet werden, was einem 30-Minuten-Takt ohne Extrakosten für die Stadt entspräche.

Starnbergs Verkehrsreferent Thorsten Schüler (UWG) präsentierte in diesem Zusammenhang eine Tabelle mit Klassifizierungen, die in den entscheidenden Gremien des Landkreises aber angeblich nie zu sehen gewesen seien. Otto Gaßner (UWG) schlug scherzhaft vor, die Stadt könne die Gebietsreform rückgängig machen, plädierte dann aber für eine Selbstanzeige bei der Kommunalaufsicht als Auftakt für einen Rechtsstreit: Man könne das Geld vorstrecken, solle es sich dann aber zurückholen. Thomas Beigel (CSU) und Marc Fiedler (FDP) mahnten etwas mehr Zurückhaltung an und regten weitere kurzfristig anberaumte Gespräche zwischen Bürgermeister Patrick Janik und Landrat Stefan Frey an.

Klar ist: Entweder Stadtrat oder Kreistag müssten sich bewegen, eine machbare Entscheidung des Stadtrats zum MVV-Angebot im Jahr 2023 steht jedoch aus. Landrat Frey will zwar versuchen, eine vernünftige Lösung zu finden, schränkt aber ein: "Wenn wir der Stadt entgegen kommen, müssen wir das in den Kreisgremien beschließen." Doch die tagen im Dezember nicht mehr - und der Landrat kann und darf die Angelegenheit nicht allein entscheiden. Offen bleibt daher, wie sich der Konflikt zwischen Stadt und Landkreis kurzfristig lösen lässt, denn die Ausschreibungen der Buslinien müssen zwingend noch diesen Dezember erfolgen. Eine Möglichkeit wäre eine zweite Ausschreibung. Ansonsten aber gibt es derzeit wohl nur drei Alternativen: Starnberg akzeptiert weiterhin die bisherigen Bedingungen, die Stadt kümmert sich selbst um die Ausschreibung - oder die innerstädtischen Buslinien fahren von 2023 an wieder nur im Stunden-Takt.

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