Segeln als Breitensport:"Die Theorie wird unterschätzt"

Segeln als Breitensport: Segeln wird über alle Einkommensgrenzen hinweg beliebter. Doch wer sich als Bootsführer aufs Wasser wagt, sollte auch Ahnung von der Materie haben: Beim SC Würmsee können Interessierte den "Sportbootführerschein Binnen" erwerben.

Segeln wird über alle Einkommensgrenzen hinweg beliebter. Doch wer sich als Bootsführer aufs Wasser wagt, sollte auch Ahnung von der Materie haben: Beim SC Würmsee können Interessierte den "Sportbootführerschein Binnen" erwerben.

(Foto: privat)

Philip Glanz und Dominik Mößbauer lehren beim SC Würmsee in Starnberg das Segeln. Der Sport soll breitentauglich werden, doch längst nicht jeder schafft die Prüfung: Der Schein hat es in sich.

Von Christina Denk, Starnberg

Elitäre Sportart? Das ist Segeln längst nicht mehr. Dieser Ansicht sind zumindest Philip Glanz und Dominik Mößbauer vom Segelclub Würmsee in Starnberg (SCW). Jährlich bringen die beiden Kursleiter zusammen mit dem ehrenamtlichen Team des Segelvereins etwa 100 neuen Schülerinnen und Schülern in acht Intensivtagen das Segeln bei. Das Ziel: Den Sport breitentauglich machen. Und dabei sei jeder im Club willkommen, sagt Mößbauer.

Segeln als Breitensport: Dominik Mößbauer (li.) und Philip Glanz aus dem Segelclub Würmsee-Starnberg segeln seit mehr als 20 Jahren.

Dominik Mößbauer (li.) und Philip Glanz aus dem Segelclub Würmsee-Starnberg segeln seit mehr als 20 Jahren.

(Foto: Nila Thiel)

Die beiden Kursleiter haben vor mehr als zwanzig Jahren im SCW selbst mit dem ersten Schein begonnen: Vom Anfängerkurs ging es auf die ersten Törns, als Bootsführer direkt auf die Anfängerboote und zuletzt in die Position des Kursleiters für den "Sportbootführerschein Binnen", der zum Führen eigener Boote auf Binnengewässern befähigt. Seit Glanz und Mößbauer die Prüfung abgelegt haben, scheint das breite Interesse am Sport tatsächlich zu steigen - Segeln als Mainstream-Sportart also: Funktioniert das wirklich? Oder wird der Segelschein schlicht unterschätzt?

SZ: Herr Glanz, Herr Mößbauer, in Ihren Sportbootführerschein Binnen-Kursen im Sommer fallen jährlich zwischen fünf und sieben Prozent durch. Haben diese Teilnehmer eine verquere Vorstellung vom Segelsport?

Dominik Mößbauer: Ich glaube, viele gehen mit einer völlig falschen Vorstellung rein. Sie halten das Segeln für einfach, dabei fehlt ihnen auf dem Wasser die Orientierung. Und auch die Theorie wird unterschätzt: Da fällt der Großteil durch.

Philip Glanz: Die Theorie-Prüfung ist tatsächlich für die meisten der schwierigere Teil. Viele fangen zu spät mit dem Lernen an. Sie haben nicht auf dem Schirm, wie umfangreich der Fragenkatalog mit seinen insgesamt 300 Fragen ist.

"Seit der Pandemie scheinen sich die Menschen mehr für Wassersportarten zu begeistern"

Dem Segelsport haftet etwas Elitäres an. Heute begleiten Sie Jahr für Jahr etwa hundert junge Menschen auf dem Weg zum Segelschein. Wird Segeln zum Trendsport?

Glanz: Das würde ich nicht sagen. Aber Segeln ist interessanter geworden. Früher war es eher eine Randsportart.

Mößbauer: Das Interesse wird auf jeden Fall größer. Vor allem seit der Pandemie scheinen sich die Menschen mehr für Wassersportarten zu begeistern.

Woran liegt das?

Glanz: Durch das Stand-up-Paddeln kommen viele Leute aufs Wasser und erleben, was man da alles machen kann. Ist das Interesse geweckt, kommen sie oft zum Surfen, Segeln - oder auch zum Motorbootfahren.

Mößbauer: Die Segelvereine und der DSV (Deutscher Segler-Verband, Anm. d. Red.) versuchen auch aktiv, den Sport breitentauglich zu gestalten. Zu zeigen, dass es eben nicht dieser elitäre Sport ist, den man sich vorstellt.

Die Kursgebühren für den achttägigen Intensivkurs sind mit 470 Euro für Jugendliche und 580 Euro für Erwachsene plus Prüfungsgebühren nicht gerade ein Schnäppchen. Ist Segeln ein Sport für Reiche?

Mößbauer: Naja. Das ist immer noch deutlich günstiger als ein PKW-Führerschein. Und in dem Betrag ist ja auch die Verpflegung mit drin. Den Preis haben wir sehr im Auge, wir wollen wirklich niemanden ausschließen. Das geht aber nur, weil unsere Bootsführer und Ausbilder ehrenamtlich tätig sind. Sonst wäre es deutlich teurer.

Glanz: Vorletztes Jahr waren wir 50 freiwillige Helfer. Die Rambeck Werft will von uns auch keinen Cent Geld dafür, dass wir hier in der Hauptsaison acht Tage lang den Hafen nutzen.

Mößbauer: Zusätzlich zur Werft kriegen wir die Boote von Privatleuten geliehen. Die gehören alle unseren Mitgliedern und solchen aus den benachbarten Clubs. Auch sie wollen, dass der Segelsport breitentauglicher wird.

Segeln als Breitensport: Philip Glanz und Dominik Mößbauer leiten im Sommer die Kurse für den Sportbootführerschein.

Philip Glanz und Dominik Mößbauer leiten im Sommer die Kurse für den Sportbootführerschein.

(Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)
Segeln als Breitensport: Abendstimmung auf dem See - auch die haben die Kursteilnehmer 2022 auf ihren Booten erlebt.

Abendstimmung auf dem See - auch die haben die Kursteilnehmer 2022 auf ihren Booten erlebt.

(Foto: privat)

Sie vergleichen den Segelführerschein mit dem Autoführerschein. Wie sehr trägt das?

Mößbauer: Es ist ein offizieller Führerschein. Wie ein Autoführerschein - nur eben der Sportbootführerschein.

Glanz: Man darf mit dem SBF Binnen (Sportbootführerschein Binnen, Anm. d. Red.) Boote bis zu 15 Meter Länge fahren. Motorboote dieser Größe können bis zu 120, 130 Stundenkilometer schnell werden. Da kann man viel Schaden anrichten. Gerade deshalb sollte man den SBF schon ernst nehmen. Da dieser am Starnberger See nicht verpflichtend ist, kann man immer wieder sehen, wie unerfahrene Menschen das Segeln und Motorbootfahren unterschätzen - und dann am See in Schwierigkeiten geraten.

Das ist das Schöne an den Kursen: Die Crews sind völlig durchmischt

130 Stundenkilometer, mehr als 300 Theoriefragen und leicht zu unterschätzen: Für wen ist der Sportbootführerschein Binnen denn überhaupt geeignet?

Glanz: Eigentlich für jeden. Wir hatten schon alle möglichen Typen. Alter, Charakter, Vorerfahrung: In jedem Kurs ist wirklich von allem etwas dabei. Der eventuell schon etwas eingerostete, ältere Herr kommt dann mit dem hyperaktiven Jugendlichen zusammen aufs Schiff - und auf einmal funktioniert das mega. Oder der supergestresste Managertyp, der erstmal zwei Tage braucht zum Runterkommen. Ab dem dritten Tag ist er dann ganz entspannt. Das ist das Schöne an den Kursen: Die Crews sind völlig durchmischt.

Mößbauer: Ich würde da auch niemanden ausgrenzen. Jeder kann das gestalten, wie er möchte. Man braucht auch kein eigenes Boot.

Das heißt, es geht beim Sportbootführerschein um mehr als um das Segeln?

Mößbauer: Beim Segelsport steht das Gesellschaftliche schon immer mit im Vordergrund. Das wollen wir natürlich auch vermitteln. Viele unserer Mitglieder segeln überhaupt nicht mehr. Die haben sich irgendwann gesagt: Ach, eigentlich ist der Segelsport jetzt gar nicht so groß meins, da wird man immer nass. Wir bleiben lieber an Land, aber wir wollen trotzdem diese Stimmung mitnehmen.

Glanz: Es geht um die Gemeinschaft. Zusammen segeln, zusammen grillen, Regatten segeln, Sommerfeste veranstalten.

Viele, die sich wohlfühlen beim Segeln, helfen in den nächsten Jahren bei der Ausbildung

Wie führen Sie den Nachwuchs ins Segel-Soziotop ein?

Mößbauer: Beim Binnenführerschein haben wir hier so gut wie jeden Abend eine Veranstaltung. Unser Highlight ist der "Seemannsabend": Man muss sich ein Kostüm überlegen, das egal wie entfernt mit dem Thema Seemann, Seefrau, Seefahrt zu tun hat. Manche kommen als Boje, manche als Badeleiter, als Tau, Pirat oder Meerjungfrau, als Triton von Arielle, als Arielles Vater, als die Krabbe von Arielle - also alles. Unsere musikalischen Bootsführer spielen Klavier und Ukulele. Es werden Liederbücher ausgeteilt und es wird zusammen gesungen.

Glanz: Wir wollen die Teilnehmer bewusst auch nach den Kursen verbinden, ihnen das Segelclub-Leben näherbringen. So formen sich jedes Jahr aufs Neue langfristige Freundschaften.

Und wie geht es nach Kostümfest und Sportbootführerschein weiter?

Glanz: 65 bis 70 Prozent der Leute bleiben hängen, sind also mindestens zwei bis drei Jahre im Verein. Wir hatten letztes Jahr einen aus Hamburg, der hat bei uns seinen Schein gemacht, obwohl er eigentlich an der Quelle sitzen würde. Aber er kommt von hier, seine Oma und sein Opa kommen vom See und die haben alle einen Schein. Deswegen musste er hier jetzt auch seinen Schein machen. Er fand`s total cool und ist nach wie vor Mitglied.

Mößbauer: Viele, die sich schon wohlfühlen beim Segeln, helfen auch in den nächsten Jahren bei der Ausbildung. Uns ist es genauso ergangen.

Und was würden Sie Anfängern nun jenen raten, die von einer Weltumsegelung träumen?

Mößbauer: Lernt die ersten Schritte auf dem Wasser! Sobald der erste Einstieg geschafft ist, geht es dann von allein weiter. Auf keinen Fall abschrecken lassen, weder von der Theorie noch von den Durchfallquoten. Aller Anfang ist schwer.

Bis 1. Juli können sich Interessenten ab 14 Jahren noch für den diesjährigen Kurs zum Erwerb des Sportbootführerscheins Binnen im SCW anmelden. Der Kurs wird vom 29. Juli bis zum 6. August stattfinden.

Die Segelscheine in Deutschland im Überblick:

1. Der Grundschein (ab zwölf Jahren): Hier werden einfache Manöver erlernt. Der Schein gilt als Einführung in den Segelsport.

2. Der Sportbootführerschein Binnen (ab 14 Jahren, mit Motor: 16 Jahren): Der Schein befähigt zum Führen von Segel- und Motorbooten bis zu einer Länge von 15 Metern auf Binnengewässern. Er ist verpflichtend für Motorboote mit mehr als 15 PS. Für Segelboote ohne Motor ist der SBF Binnen nicht vorgeschrieben, wird häufig aber bei der Ausleihe von Booten gefordert. Ebenfalls ist kein Führerschein für Boote unter 15 PS sowie für Elektroboote unter zehn PS nötig.

3. Der Sportbootführerschein See (ab 16 Jahren): Der Pflichtschein für Motorbootfahrer und Hochseeskipper befähigt zum Führen von Motorbooten und Segelyachten über 15 PS in Küstenmeeren und angrenzenden Gewässern.

4. Weiterführende Scheine, wie der Sportküstenschifferschein, Sportseeschifferschein oder Sporthochseeschifferschein erweitern die Erlaubnisse um gewerblich genutzte Boote. Die Scheine werden größtenteils auch international anerkannt. Je nach Land müssen zusätzliche Regeln beachtet werden.

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