Mehrere hundert Menschen haben am vergangenen Wochenende an Kundgebungen in Seefeld und Starnberg teilgenommen. Damit wollten sie ein Zeichen setzen für die Demokratie und gegen eine Spaltung der Gesellschaft. Sicherheitshalber dienten strategisch geparkte Privatautos als Schutz.
Kurz vor Beginn der Kundgebung um 11 Uhr auf dem Kirchplatz in Starnberg standen dort noch mehr Autos als Demonstrationsteilnehmer. Eine Polizeistreife fuhr über den Platz und verschwand wieder. Doch am Ende der vom Verein „gemeinsam demokratisch bunt“ organisierten Veranstaltung unter dem Motto „Spaltung überwinden – für Minderheiten eintreten“ beteiligten sich etwa 200 Menschen. Trotz frostiger Temperaturen und Schneetreibens und trotz des Anschlags in München war es ihnen wichtig zu zeigen, dass sie für die Demokratie eintreten und sich nicht unterkriegen lassen.
Die Veranstalter verstanden die Ängste der Bürger und hatten vorgesorgt. Damit kein Auto in die Menschengruppe fahren kann wie am vergangenen Donnerstag bei einer Demonstration der Gewerkschaft Verdi in München, hatten sie ihre eigenen Wagen als Sperre am Kirchplatz abgestellt, sodass die Zufahrten versperrt waren. „Ich verlasse mich auf die Sicherheitsbehörden“, sagte Judith Baumann aus Niederpöcking. Allerdings sei sie nach dem Anschlag in München nicht mehr so sicher. Dennoch werde sie weiterhin auf Demonstrationen gehen, weil es ihr wichtig sei, für die Demokratie einzutreten. Starnbergs Dritte Bürgermeisterin Christiane Falk (SPD) und Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger (UWG) betonten übereinstimmend: „Ich habe keine Angst.“ Ebenso, wie die Pöckinger Grünen-Gemeinderätin Sabine Stolicka sind sie überzeugt, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gebe. Das Schlimmste wäre es, denen Recht zu geben, die derartige Vorfälle instrumentalisierten, sagte Stolicka.
„Diese Vorgänge müssen aufgeklärt werden“, hatte die Vereinsvorsitzende Christiane Krinner schon nach dem Anschlag in Aschaffenburg gefordert. Die Bürger müssten besser vor diesen Taten geschützt werden. „Angst sorgt für Spaltung“, sagte Kirner und kritisierte das „Erregungsmanagement“, an dem sich ihrer Ansicht nach zu viele Politiker beteiligten. Es gehe nicht mehr um Fakten, sondern um gefühlte Wahrheiten. Doch die gefühlte Bedrohung mache Angst.

Nach Ereignissen wie in München sei es besonders schwierig, über Migration zu sprechen, erklärte die stellvertretende Priorin der Tutzinger Missionsbenediktinerinnen, Schwester Mechthild Hommel, die am Donnerstag in der Nähe des Anschlages war. Sie sei ebenfalls dafür, Gewalttäter zurückzuschicken und der illegalen Einreise zu begegnen, „aber nicht mit immer schärferen Asylgesetzen.“ Stattdessen sei es notwendig, die Integration Geflüchteter zu intensivieren, sagte die Schwester und berichtete über ihre meist positiven Erfahrungen mit Geflüchteten in Tutzing.
Wenn man überzeugt ist, dass Zuwanderung eine Chance sei, werde man die Angst verlieren, sagte der Münchener Demokratieberater Sercan Celik. Er beschwor die Bürger ebenso eindringlich wie der Vertreter von Fridays für Future, Tarek Luft aus Gauting, keine Parteien zu wählen, die mit rechten Parteien koalieren könnten.
„Mein Licht für die Demokratie“, lautet das Motto in Seefeld
Etwa 300 Teilnehmer waren am Samstag zu einer Lichterkette in Seefeld gekommen. Sie kamen mit Laternen, Windlichtern, Taschenlampen und Plakaten. „Mein Licht für die Demokratie“ stand auf einem, auf einem anderen „Rassismus ist ekelhAfD“. „Wir sind bei den Opfern und ihren Angehörigen“ auf einem weiteren. Auch diese Veranstaltung stand unter dem Eindruck des Münchner Attentats. Die Polizei habe deswegen ihre Präsenz verstärkt, erklärte ein Beamter, der mit seinen Kollegen das Geschehen begleitete. Der Terrorakt vom Donnerstag beschäftigte viele Teilnehmer. Angst verspüre sie aber nicht, betonte eine Frau, die mit ihrer Freundin aus Wörthsee gekommen war. Im Gegenteil: „Jetzt müssen wir erst recht ein Zeichen setzen“, meint sie.
Vertreter von Parteien und Vereinen, Kulturschaffende und engagierte Privatpersonen hatten zur Lichterkette unter dem Motto „Mein Licht für die Demokratie – Nie wieder ist jetzt“ eingeladen. Nach der großen Demonstration mit etwa 1500 Teilnehmern im vergangenen Jahr sollte es nun kurz vor der Wahl eine „ruhige und nachdenkliche Veranstaltung“ werden, erklärte Ortwin Gentz von der Bürgerinitiative Eichenallee. 300 Teilnehmer hatte er angemeldet.
Sie kamen aus Seefeld und den umliegenden Gemeinden, um ein Zeichen zu setzen gegen Rassismus, Rechtsextremismus und für Demokratie, Nächstenliebe und Toleranz. Familien waren dabei, Kinder mit Laternen und viele ältere Menschen. Bevor die Teilnehmer sich zu einer langen Lichterkette aufstellten, die vom alten Rathaus bis hinter das Krankenhaus reichte, gab es kurze Ansprachen.

Gegen rechten, aber auch linken Faschismus sprach sich Carola Wemmers vom Organisationsteam aus. Oswald Gasser (FDP) sprach seine Anteilnahme aus für die Opfer und Verletzten des Terroranschlags in München. Er betonte: „Wir werden jetzt erst recht zusammenstehen.“ Er plädierte für eine Demokratie aus der politischen Mitte der Bürgerschaft. Bürgermeister Klaus Kögel (CSU), der verreist war, dankte in seiner Grußadresse „für das Zeichen, die Demokratie wertzuschätzen“. Seine Partei hatte sich an der Lichterkette dieses Mal nicht offiziell beteiligt.
Der 80-jährige Schriftsteller Gert Heidenreich, noch geboren im Zweiten Weltkrieg, appellierte eindringlich, sich gegen die „Invasion der rechtsextremistischen Pseudopatrioten“ zu wehren. In ganz Europa hätten diese sich zusammengeschlossen, „um das einzige Friedensprojekt zu zerstören, das es in Europa geschafft hat, 80 Jahre lang zu bestehen: das Friedensprojekt der europäischen Demokratien“. Was sich „zusammenbraut, ist keine Alternative zur gegenwärtigen Demokratie, es ist der Missbrauch der Demokratie zum Zweck ihrer Zerstörung“, sagte Heidenreich. Zum Abschluss mahnte er: „Es geht um viel. Es geht um alles. Es geht um unser freies Land“.