Das Thema „Seeanbindung“ ist ein Dauerbrenner in Starnberg: Seit nahezu 35 Jahren gibt es Überlegungen, wie man die trennende Wirkung der Bahngleise zwischen Stadtkern und See mindern und den Bereich rund ums historische Bahnhofsgebäude und am Seeufer zumindest aufhübschen könnte. Doch den Stein der Weisen hat bislang noch niemand gefunden. Im Gegenteil: Die Situation ist hoffnungslos festgefahren, eine machbare Lösung allein aus finanziellen Gründen derzeit nicht in Sicht. Unzählige Ideen, Vorschläge und Pläne hat es schon gegeben, jetzt ist ein weiterer hinzugekommen: die „Seeanbindung 2.0“.
Von „Schöner zum See“ war in den vergangenen Monaten wenig zu hören. Der 2012 von einer Handvoll politisch motivierter, älterer Herren gegründete Verein, der seit jeher für eine Beteiligung der Bürgerschaft an den Umbauplänen am Bahnhof kämpft, hatte am Dienstag zur außerordentlichen Mitgliederversammlung eingeladen. Rund 40 Interessierte kamen ins MRSV-Vereinsheim, um mehr über eine weitere Idee zu erfahren: Vereinsvorsitzende Iris Ziebart präsentierte ihre Pläne zum Bau einer neuen Fußgängerunterführung unter Verzicht eines Umbaus der Gleisanlagen. Das inhaltlich fragwürdige Konzept soll laut einem Beschluss nun im Stadtrat erörtert und zur Grundlage neuer Gespräche mit der Deutschen Bahn AG werden.
Das Vorhaben „Seeanbindung“ steckt schon seit Jahren in einer Sackgasse. 1987 hatte die Stadt einen Deal mit der Deutschen Bahn ausgehandelt, der im Wesentlichen die Rückgabe nicht benötigter Bahngrundstücke an die Stadt und den Umbau der bestehenden Gleisanlagen auf Kosten der Stadt vorsah. Doch daraus wurde nie etwas, der Vertrag blieb nur teilerfüllt – unter anderem mit dem Bau des Bahnhofs Nord. 2017 scheiterten die Verhandlungen endgültig: Die DB reichte eine Schadenersatzklage über 170 Millionen Euro ein.
Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) gelang es zwar, 2022 eine einvernehmliche Lösung mit der Bahn auszuhandeln. Die Klage ruht seither, über die technischen Details herrschte Einvernehmen. Doch eine erhoffte Finanzierungszusage für das Projekt durch Land und Bund, für das 177 Millionen Euro angesetzt wurden, blieb aus. Es besteht eine Deckungslücke in Höhe von 80 Millionen Euro. Notgedrungen nahm Janik daher Anfang 2024 das vereinbarte Sonderkündigungsrecht in Anspruch: Es muss neu verhandelt werden. Zudem formierte sich Widerstand in der Bürgerschaft, weil im Süden der Stadt ein Wende- und Abstellgleis entstehen soll.
Dreh- und Angelpunkt in Ziebarts Vorschlag ist der Verzicht auf Änderungen an der bestehenden Gleislage und der Bau einer neuen Unterführung; die bisherige Unterführung könne dann zugeschüttet oder aber auch erweitert werden. Damit erübrige sich ein Betriebsbahnhof am Oberfeld mit Wende- und Abstellgleis, meint Ziebart. Alle Anbauten neben dem Bahnhof sollen abgerissen, ein zweites Bahnwärterhaus soll neu erbaut und der Bahnhofsvorplatz verkehrsberuhigt gestaltet werden. Mit der „Seeanbindung 2.0“ könne auch das Geschäftsviertel am Rondell aufgewertet werden.
Der Stadtrat wird die Idee öffentlich beraten
In der Veranstaltung gab es dazu zwar keinen Widerspruch. Gleichwohl blieben in der Präsentation mit wenigen, dafür kaum erkennbaren Vorlagen, die gravierendsten Hemmnisse unerwähnt: Lärmschutz, Seeaufschüttung, Hoch- und Grundwasserproblematik, Finanzierung, Vorgaben der Bahn, Denkmalschutz, juristische Aspekte des Bahnvertrags – all dies spielte keine Rolle an diesem Abend.
Aufmerksame Zuhörerin war auch Starnbergs Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl (CSU). „Man wird diesen Vorschlag mitnehmen und der Bahn zur Prüfung vorlegen“, sagte sie. Hoffnung, dass die Bahn auf die „Seeanbindung 2.0“ eingehen wird, hat sie nicht. Der Stadtrat wird sich am Montag, 8. Juli, in nicht öffentlicher Sitzung mit dem Thema befassen. Vertreter von BMS, WPS, FDP und BLS haben bereits eine öffentliche Beratung beantragt.