Im vergangenen Winter hatte der Starnberger Stadtrat noch in mehr oder weniger harmonischer Eintracht dem ausgehandelten Deal zur Seeanbindung zwischen Stadt und Deutscher Bahn zugestimmt. Damit hat die Stadt eine Schadensersatzklage der Bahn zunächst einmal abgewendet, ist aber im Gegenzug in der Pflicht, die Finanzierung für das 170-Millionen-Euro-Projekt innerhalb eines Jahres sicherzustellen und die Planungen voranzutreiben.
Diese Jahresfrist ist nun zur Hälfte verstrichen - und in der Stadtpolitik gibt es erste Zweifel, ob die Zeit reicht, um das Geld bei Bund und Freistaat einzutreiben. Konkret angemeldet hat diese nun der FDP-Ortsvorstand sowie Stadträtin Anke Henniger. Die größten Sorgen machen sich die Liberalen dabei ums Geld. "Die Finanzierung ist aus unserer Sicht nicht gegeben", sagt Stefan Zeil, gemeinsam mit Henniger Ortsvorsitzender.

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Die Stadt habe bislang viel zu wenig unternommen, um bei Bund und Freistaat Fördergelder zu erwirken, lautet die Kritik des FDP-Ortsvorstands. Dadurch sei es inzwischen nahezu unmöglich geworden, die erforderlichen Mittel in der verbleibenden Zeit aufzutreiben. Der Stadtspitze attestierte Zeil in puncto Finanzierbarkeit der Seeanbindung "Realitätsverweigerung".
Henniger zeigte sich zudem unzufrieden mit der Informationspolitik der Stadtspitze: Transparenz sei in Sachen Seeanbindung "extrem wichtig", sagte sie. Konkret fordert der Ortsverband der FDP deshalb in einem Zehn-Punkte-Plan unter anderem die Veröffentlichung aller Unterlagen zum Themenkomplex inklusive des Altvertrags von 1987 zwischen Stadt und Bahn, der Klage sowie der Mediationsunterlagen.
Des Weiteren plädiert der Ortsverband der Liberalen für eine monatliche Unterrichtung des Stadtrats zu aktuellen Entwicklungen bei der Seeanbindung. Zudem soll es die "Erarbeitung eines alternativen Konzepts zum Seebahnhof" geben. Und: Der Ortsverband will die Stadt dazu bringen, vom in der Vereinbarung mit der Bahn verankerten Sonderkündigungsrechts Gebrauch zu machen. Dafür will die Starnberger FDP notfalls auch ein Bürgerbegehren auf den Weg bringen, das letztlich in einen Bürgerentscheid münden könnte.
Zurück zum Ist-Zustand: sanieren statt verlegen
Man wolle mit diesem Vorgehen die Seeanbindung keineswegs torpedieren, erklärte Henniger. Vielmehr wolle man die Stadt dazu bewegen, nochmals über Alternativen nachzudenken. Den Liberalen schwebt dabei bereits eine Lösung vor: Wie Dietrich von Witzleben, der stellvertretende Vorsitzende des FDP-Ortsverbands, skizzierte, plädieren die Starnberger Liberalen dafür, die Bahnanlagen in ihrer bisherigen Form beizubehalten und diese lediglich zu sanieren, aber nicht zu verlegen. Dies steht im Gegensatz zu den bisherigen Planungen, wonach am Bahnhof See ein Gleis zurück gebaut und ein Wende- und Abstellgleis am Oberfeld entstehen soll. Von den freigewordenen Flächen im Starnberger Zentrum erhoffen sich die Verantwortlichen eine bessere Anbindung von Stadt und See, zudem sollen dort auch Wohnungen entstehen.

Die Pläne der Starnberger Liberalen stoßen in der Partei nicht überall auf Zustimmung. So stimmte der zweite Starnberger FDP-Stadtrat Marc Fiedler in vielen Punkten gegen den Plan seines Ortsverbandes. Auch der Kreisverband steht den städtischen Plänen zur Seeanbindung nicht so kritisch gegenüber wie der Starnberger Ortsverband: Am Freitag verschickte die FDP-Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge eine Mitteilung, in der es heißt, der mit der Bahn geschlossene Vertrag biete "Chancen für eine vielfältige Bebauung mit diversen Nutzungsmöglichkeiten". Zwar gebe es noch Diskussionsbedarf, insbesondere bei der Finanzierung sowie der geplanten Bebauung der Flächen am See. Doch in erster Linie gehe es nun darum, "die Seeanbindung zukunftsorientiert zum Wohle der Bürger zu beplanen".
Nach einem Rücktritt vom Vertrag mit der Bahn, wie ihn der Starnberger Ortsverband nun fordert, ist der Kreisverband also offenbar ein ganzes Stück entfernt. Und so scheinen die Liberalen wenige Monate vor der Landtagswahl in Bayern einmal mehr uneins - diesmal beim Starnberger Jahrhundertprojekt.