Süddeutsche Zeitung

Starnberger Seeanbindung:Weiße Ritter, rote Linien

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Mit einer "kleinen" Bürgerversammlung versucht Bürgermeister Patrick Janik, die Wogen im Kampf um das größte städtebauliche Projekt der Stadt zu glätten. Das gelingt zwar teilweise, doch die Finanzierungsprobleme bleiben ebenso wie die Ängste der Anwohner.

Von Peter Haacke, Starnberg

Es ist ein Jahrhundertprojekt, und es dürfte Jahrzehnte dauern, bis es vollendet ist: Die Starnberger Seeanbindung. Seit Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) mit der Deutschen Bahn (DB) quasi ein Stillhalteabkommen zur weiter anhängigen Schadenersatzklage über 170 Millionen Euro gegen die Stadt erreicht hat, ist das Thema aktueller denn je. Ein Infomarkt Anfang März skizzierte die technische Rahmenplanung, ließ aber viele Fragen unbeantwortet und schürte Befürchtungen. Eine "kleine" Bürgerversammlung am Donnerstag lockte nun knapp 250 Interessierte - überwiegend Anwohner, aber auch elf Stadträte (ohne WPS) - in die Schlossberghalle, um Antworten zum umstrittenen Vorhaben zu bekommen.

Janik eröffnete die mehr als dreistündige Veranstaltung zum Schwerpunkt Seeanbindung mit einem Vortrag über Hintergründe und Notwendigkeiten des Projekts aus Sicht der Stadt und der DB. Er verzichtete dabei bewusst auf einen Einstieg bei "Adam und Eva" - also die Grundzüge der Planungen, die sich auf der Homepage der Stadt finden - sondern kam gleich zu "Kain und Abel", hoffte auf einen "weißen Ritter" und zog "rote Linien": ein komplexes Thema. Im Anschluss bestand Gelegenheit, konkrete Fragen zu stellen. Im Gegensatz zu Veranstaltungen in der Vergangenheit erwies sich das Publikum als sehr diszipliniert: Es gab nahezu keine Zwischenrufe und - abgesehen vom irritierenden Beitrag eines ehemaligen WPS-Stadtrats - auch keine verunglimpfenden Statements.

"Selbst wenn wir einen Prozess gegen die Bahn gewinnen sollten, hätten wir nichts gewonnen."

Im Fokus stehen vor allem Finanzierbarkeit, Abstell- und Wendegleis, Lärm- und Lichtemissionen, betrieblich bedingte Notwendigkeiten, der Regionalzughalt, die Veröffentlichung der Bahnverträge sowie die Möglichkeit des Scheiterns aller Bemühungen mit der Folge einer jahrelangen juristischen Auseinandersetzung. Janik betonte, die Stadt werde im schlechtesten Fall angesichts einer "existenzbedrohenden Summe" dennoch mit "breiter Brust" in die Verhandlungen gehen, schränkte aber ein: "Selbst wenn wir einen Prozess gegen die Bahn gewinnen sollten, hätten wir nichts gewonnen." Denn dann hätte die DB alleiniges Planungsrecht auf ihren Grundstücken - ohne Mitspracherecht der Stadt. "Die Bahn wird dann bauen, was für sie am praktischsten ist", sagte Janik. Sollte der Prozess, an dem auch die Bahn nicht interessiert ist, verloren werden, zahle die Stadt für Nichts. Dritte Option: Weitere Verhandlungen. Das Planungsrecht der DB betreffe insbesondere Anforderungen an den Lärmschutz: Unabhängig von der Breite der Gleisanlagen am Bahnhof See müssten Lärmschutzwände gebaut werden, Sichtachsen aus der Stadt zum See wären verbaut. Bei Verzicht auf ein neues Wende- und Abstellgleis "hätten wir mehr Bahnanlage als jetzt", sagte der Bürgermeister, "das kann nicht im Interesse der Stadt sein, eine Horrorvorstellung".

Im Vertrag, der binnen acht Wochen nach rechtlicher Prüfung nun veröffentlich werden soll (Janik: "Nichts, was wir verstecken müssen"), ist eine technische Lösung fixiert und ein Zeitraum bis Jahresende vereinbart, um den finanziellen Spalt durch "einen weißen Ritter" zu füllen; gemeint sind Bund und Land. Janik ist verhalten optimistisch, bislang fehlende 80 Millionen Euro zu bekommen: Bahnanlagenbau ist laut Grundgesetz Aufgabe des Bundes. In diesem Zusammenhang forderte er eine andere Sichtweise: Nicht der Bund werde 100 Millionen Euro für Starnbergs Bahnanlagen ausgeben, sondern die Stadt werde den Bund aus Eigeninteresse mit 80 Millionen unterstützen. Allerdings gebe es angesichts beschränkter finanzieller Leistungsfähigkeit der Stadt auch "rote Linien". Gleiches gelte auch für die Bahn - ein sensibles und filigranes System, das für seine Leistungsfähigkeit einen klar definierten Betriebsablauf und eine funktionierende Infrastruktur als limitierendes Element erfordert. "So wichtig sind wir nicht", sagte Janik, "dass wir den Betriebsablauf im S-Bahn-System beeinflussen können".

Mit Ablauf und Feedback auf die Veranstaltung zeigte sich Janik zufrieden, auch wenn der Abend monothematisch blieb. Alle übrigen Anträge zur Bürgerversammlung werden vom Stadtrat binnen drei Monaten behandelt. Allerdings bezweifelt ein der FDP nahestehender Rechtsanwalt die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise. Er verlangt eine weitere Bürgerversammlung und hat auch die kommunale Rechtsaufsicht informiert.

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