Kreative ZwischennutzungSchuhhaus ist jetzt Kulturtempel

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Das Schuhhaus Linse in Starnberg beherbergt nun die Ausstellung "Ankommen".
Das Schuhhaus Linse in Starnberg beherbergt nun die Ausstellung "Ankommen". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das mittlerweile leerstehende Schuhhaus Linse in Starnberg soll eigentlich abgerissen werden. Bis das genehmigt ist, nutzen nun Künstler die Räume. Und die stellen sich in der aktuellen Ausstellung im Kern die Frage: Wie kann man die Stadt schöner machen?

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Als die Künstler Naomi und Patricia Lawrence vor vier Jahren nach Starnberg kamen, staunten sie nicht schlecht, dass die Stadt weder dem Klischee von Reichtum noch von Luxus oder Lifestyle entsprach. "Wir haben Überlegungen angestellt, wie man Starnberg schöner machen könnte", sagt Patricia Lawrence. Sie hat ein Konzept für die Unterführung am Bahnhof See entwickelt, wonach der Boden wie ein Schwimmbad konzipiert und die Wände mit Fotoansichten vom Starnberger Seeufer gestaltet werden könnte.

Die Stadt habe den Entwurf jedoch abgelehnt mit der Begründung, die S-Bahnnutzer könnten irritiert sein, wenn sie die Treppen vom Bahnsteig hinabgehen und in einem Schwimmbad landen, erklärt Lawrence - und die Enttäuschung ist ihr anzusehen. Sie hat sich aber nicht entmutigen lassen und sich mit mehreren Künstlern zur Gruppe "SK-Starnberg" zusammengeschlossen.

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Gemeinsam hat die Gruppe zwei Jahre lang ein Konzept für die Ausstellung "Ankommen" in Starnberg erarbeitet. Es habe nur noch ein geeigneter Ausstellungsort gefehlt, sagt Sprecherin Lawrence. Als sie erfuhr, dass das Schuhhaus Linse abgerissen werden soll, hat sie bei der Eigentümerfamilie nachgefragt, ob eine Zwischennutzung möglich sei. Christine, Sabine und Hans Linse waren begeistert von der Idee. "Für uns war das ein Geschenk des Himmels", freut sich Lawrence.

Insgesamt zehn Künstler haben in den vergangenen vier Wochen das Schuhhaus, das bis in die Sechzigerjahre ein Kino war, zu einem Ausstellungsraum umfunktioniert. Sie haben gewerkelt und gemalert. Sie legten die Schrift "Schloss-Theater" frei, die nun über dem Namen "Linse" am Haupteingang zu sehen ist. Sie haben innen die abgehängte Decke entfernt, darunter kam eine Stuckdecke zum Vorschein. Sogar die alten Auslassungen für die Filmprojektoren sind nun zu sehen.

Das Schuhhaus Linse heißt jetzt wieder Schloss-Theater. Verantwortlich für die Verwandlung waren (von links) Ute Schaeberle, Naomi Lawrence, Renate Hofer, Katja Gehrung, Hans Linse, Jo Reichard, Sabine und Christine Linse, Justyna Nizinska und Patricia Lawrence.
Das Schuhhaus Linse heißt jetzt wieder Schloss-Theater. Verantwortlich für die Verwandlung waren (von links) Ute Schaeberle, Naomi Lawrence, Renate Hofer, Katja Gehrung, Hans Linse, Jo Reichard, Sabine und Christine Linse, Justyna Nizinska und Patricia Lawrence. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Bis zum wahrscheinlichen Abriss des Gebäudes soll das Haus nun als Kunst- und Veranstaltungsraum genutzt werden.
Bis zum wahrscheinlichen Abriss des Gebäudes soll das Haus nun als Kunst- und Veranstaltungsraum genutzt werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nach Angaben von Christine Linse hieß der erste Film, der 1950 in dem Kino gezeigt wurde, "Aufruhr im Paradies". Der Enkel des damaligen Betreibers habe ihr das Programm sowie einen Nachdruck des Filmplakats geschenkt, freut sie sich. Nun werden in den kommenden vier Wochen Skulpturen, Malereien und Fotografien im ehemaligen Schloss-Theater zu sehen sein, die sich mit den schönen und weniger schönen Gesichtern der Kreisstadt Starnberg befassen. Auch die Schaufenster wurden in die Ausstellung mit einbezogen. Am vergangenen Freitag wurde die Ausstellung "Ankommen" eröffnet.

Im See werden "Flaschenpostwünsche" an Bürgermeister Janik gesammelt

In der Mitte des hohen, großzügigen Raums hat Christine Linse ein maßstabsgerechtes Modell vom Starnberger See aufgebaut. Es soll mit echtem Wasser gefüllt werden. Die Besucher können Zettel mit Kommentaren und Anregungen in kleine Glasfläschchen stecken und diese in dem künstlichen See schwimmen lassen. Am Ende der Ausstellung im September sollen diese "Flaschenpostwünsche" an Bürgermeister Patrick Janik übergeben werden.

Das ehemalige "Schloss-Theater" wurde bis in die Sechzigerjahre als Kino genutzt.
Das ehemalige "Schloss-Theater" wurde bis in die Sechzigerjahre als Kino genutzt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Jetzt sammelt Christine Linse dort in einem Modell des Starnberger Sees Verschönerungsideen für die Stadt Starnberg.
Jetzt sammelt Christine Linse dort in einem Modell des Starnberger Sees Verschönerungsideen für die Stadt Starnberg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Christine Linse ist auch das bevorzugte Model für die streng in schwarz-weiß gehaltenen Fotografien von Justyna Nizinska, bei der sogar die Starnberger Schandflecke zu ästhetisch-schönen Ansichten werden. Sehr farbintensiv sind die großformatigen Acryl-Bilder mit Comic-Zitaten von Naomi Lawrence: Ein Motiv ist König Ludwig II., der Märchenkönig. Sie hat die Figur mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) zeichnen lassen und den Entwurf auf ihr eigenes Bild übertragen.

Als einzige Künstlerin, die nicht aus Starnberg ist, zeigt Katja Gehrung aus Fürth Kunstfotos zum Thema Aufbruch. Sie ist ihr eigenes Model. Ihre verfremdeten Selbstbildnisse zeigen sie mit Schuhen oder mit Badekappe - passend zu Starnberg und dem Schuhhaus. Mit Blick auf die vielen Baustellen in der Stadt will sie in der letzten Ausstellungswoche eine KI-Projektion zeigen zum Thema, wie man aus Starnberg wieder hinauskommt.

Die großformatigen Acryl-Bilder mit Comic-Zitaten von Naomi Lawrence sind sehr farbintensiv.
Die großformatigen Acryl-Bilder mit Comic-Zitaten von Naomi Lawrence sind sehr farbintensiv. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Ehepaar Ingrid und Jo Reichard befasst sich mit Upcycling, stellt also Kunstwerke aus Müll und Schrott her. Von Jo Reichard ist eine kräftig-rote Willkommensvase im Schaufenster zu sehen. Auch zerdrückte Cola-Dosen haben es ihm angetan. Und mit seinen dreidimensionalen "Multi-Pictures" will er den Starnberger Lifestyle auf die Schippe nehmen. Daneben sollen abstrakte Bilder sowie die Skulptur "Ankommen" aus Holz-Keilen von seiner Frau Ingrid Stimmungen und Gefühle verdeutlichen.

Die Bronze-Skulpturen von Ute Schaeberle strahlen Lebensfreude und Leichtigkeit aus. Und mit ihren Steinskulpturen, die in den Schaufenstern neben dem Haupteingang zu sehen sind, schafft Renate Hofer überraschende Durchblicke, beispielsweise zur Nepomuk-Unterführung. Patricia Lawrence zeigt neben ihrer Schwimmbecken-Fotoinstallation zur Starnberger Unterführung ein Glitzerwesen im Paillettenkleid auf einer Leiter als Symbol für den Glamour in der Stadt. "Ich male mit der Kamera", sagt die Fotokünstlerin von sich und zeigt auf verschwommene, verfremdete Unterwasseransichten.

Im September 2024 sollte die Baugenehmigung da sein, hoffen die Eigentümer

Sowohl die Künstler als auch die Familie Linse könnten sich durchaus vorstellen, dass weitere Ausstellungen, Musikveranstaltungen, Feiern und nach Möglichkeit auch Jugendpartys folgen. "Die Leute lechzen nach so einem Raum", ist Lawrence überzeugt.

Hans Linse hofft nach nunmehr fünfjähriger Planung auf eine Baugenehmigung im September 2024. Bis dahin sei die Familie gerne bereit, die Räumlichkeiten für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. "Das Konzept ist nicht schlecht", sagte er. Die Künstler indes sind überzeugt, dass es sogar sehr gut ist. Sie stellen sich "eine Insel für Kunst, Kultur und Bewegung" vor, ganz nach dem Motto: "Linse wird zur Insel". Allerdings brauche es dafür die Unterstützung der Stadt, sagt Lawrence. In dieser Hinsicht müsste ihrer Meinung nach aber noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

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