Neues Gewerbegebiet an A95:Starnberg sucht Anschluss

Neues Gewerbegebiet an A95: Das neue Gewerbegebiet ist nur über Umwege zu erreichen.

Das neue Gewerbegebiet ist nur über Umwege zu erreichen.

Die Stadt will ihre Steuereinnahmen aufbessern und plant in Schorn ein Hightech-Gelände mit bis zu 3000 Arbeitsplätzen. Das Hauptproblem: Bisher ist das Gelände schwer zu erreichen. An diesem Mittwoch fällt eine Vorentscheidung.

Von Peter Haacke

Das Projekt soll sowohl ökonomisch als auch ökologisch neue Maßstäbe setzen: Der Ausbau des Gewerbegebietes Schorn steht schon lange auf der Starnberger Wunschliste. Östlich der A95 in unmittelbarer Nähe zum Autobahndreieck soll auf einer Fläche von 46,9 Hektar - das entspricht etwa einer Größe von 65 Fußballfeldern - ein Hightech-Standort der Superlative mit bis zu 3000 Arbeitsplätzen entstehen. Starnberg erhofft sich davon überlebenswichtige Steuereinnahmen. Doch das Vorhaben ist auch umstritten, von Beginn an stießen die Pläne der Asto Campus Starnberg GmbH auf massiven Widerstand. Jetzt muss der Stadtrat diesen Mittwoch (Beginn 18 Uhr, Schlossberghalle) anhand vieler Stellungnahmen abwägen, ob er dem Vorhaben weiterhin grundsätzlich zustimmt. Erstes Ziel ist die Herausnahme des Areals aus dem Landschaftsschutzgebiet durch den Kreistag.

Die Liste der Einwendungen gegen die Änderung des Bebauungsplans Nr. 7508 ist lang. Gemessen allein an der Beschlussvorlage zeichnet sich eine Sitzung in Überlänge ab: Selbst altgediente Stadträte können sich nicht daran erinnern, jemals Unterlagen mit mehr als 1000 Seiten Umfang zur Vorbereitung bekommen zu haben. 120 Einzelpunkte - Entwürfe, Berichte, Gutachten, Stellungnahmen, Untersuchungen und Analysen - stehen zur Einsichtnahme bereit, drunter mehr als 200 Einwendungen betroffener Bürger. Dennoch zeichnet sich im Vorfeld der Sitzung unter dem Vorbehalt von Änderungen im Gremium eine Mehrheit zugunsten der Pläne ab.

Die Kritik am Ausbau des Gewerbegebietes Schorn ist vielschichtig. Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob Starnberg tatsächlich ein derart großes Gewerbegebiet braucht, geht es unter anderem um Fragen des Naturschutzes, der Klimaveränderung, um Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und Landschaftsbild, Grundwasser, ÖPNV und Radverkehr sowie Folgen für die Infrastruktur der Kreisstadt. Größtes Manko dürfte jedoch die mangelhafte Verkehrsanbindung sein: Durch einen Halbanschluss an die Autobahn, wie er bislang geplant ist, würde auf Percha und Wangen sowie die Nachbargemeinden Neufahrn und Hohenschäftlarn laut Prognosen doppelt so viel Verkehr zukommen. Zwar könnten Fahrzeuge aus Richtung München problemlos anfahren und wieder zurück auf die Autobahn. Doch aus Richtung Starnberg kommend bliebe nur der Weg über Percha und Wangen - zumal der Bau einer Abfahrt auf Höhe von Gut Buchhof aus naturschutzrechtlichen Gründen unwahrscheinlich ist.

Noch problematischer ist die Angelegenheit aus Richtung Garmisch: Von der Anschlussstelle Schäftlarn müsste der Verkehr über Neufahrn und Wangen ins neue Gewerbegebiet geleitet werden. Eine Anfahrt über die "Milchstraße" parallel zur Autobahn ist nicht möglich, weil diese Verbindung überwiegend auf Gebiet der Nachbargemeinde Schäftlarn verläuft und sich der Gemeinderat einhellig gegen die Schorn-Erweiterung ausgesprochen hat. Zudem ist zwischen dem bereits bestehenden Gewerbegebiet und dem neuen Areal keine Verbindung vorgesehen. Die einzig sinnvolle Lösung der Problematik scheint daher nur der Bau eines Vollanschlusses im Bereich der Autobahnmeisterei bei Oberdill zu sein - darüber sind sich die meisten Fraktionen im Stadtrat einig. Doch ob es dafür eine Genehmigung gibt, ist noch fraglich. Als utopisch gilt die Annahme, jeweils 30 Prozent der Arbeitnehmer würden in wenigen Jahren per ÖPNV oder Radl ins Gewerbegebiet anreisen.

Vom Klostergutshof zum Gewerbegebiet

Der Weiler Schorn ist eines der ältesten Siedlungsgebiete auf dem heutigen Gebiet der Stadt Starnberg: Bereits im Jahr 1140 wurde "Scorren" in den Traditionen des Klosters Schäftlarn schriftlich erwähnt. Neben Buchhof, Selcha und Heimathshausen gehörte Schorn über Jahrhunderte zu den vier großen östlich von Starnberg gelegenen Gutshöfen des Klosters, der sich vom 19. Jahrhundert an erfolgreich neuen Methoden in Landwirtschaft und Viehzucht widmete. Mitte der 1960er-Jahre begann die Umwandlung in ein Gewerbegebiet, Anfang der 1970er-Jahre erwarb die Milchverwertungsgesellschaft Bayerischer Landwirte 45 000 Quadratmeter des Gebiets: Im Milchwerk mit Käserei waren rund 300 Personen beschäftigt; der Betrieb wurde wegen Absatzschwierigkeiten rund 20 Jahre später geschlossen. Neben kleineren Gewerbe- und Handwerksbetrieben siedelte sich 1998 die Deutsche Post AG mit einem Briefsortierzentrum an, das aber in naher Zukunft nach Germering verlegt wird. Mit der Gemeindereform 1978 wurde Wangen - und damit auch Schorn - der Kreisstadt Starnberg zugeordnet. 2010 beschloss der Stadtrat die Erweiterung des Gewerbegebiets als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Das knapp 47 Hektar umfassende Gelände zwischen der Autobahnmeisterei Oberdill im Norden und dem bestehenden Gewerbegebiet soll ein Standort für Hightech Unternehmen werden. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist eine Herausnahme des Areals aus dem Landschaftsschutzgebiet, über die der Kreistag entscheiden muss.

Die Debatte über Schorn findet mit einen Jahr Verspätung statt. Bereits im November 2019 lagen die meisten Stellungnahmen und Einwendungen nach öffentlicher Auslegung der Pläne vor. Doch mit Blick auf die anstehende Kommunalwahl 2020 hielten es die meisten Gruppierungen in Starnberg für angebracht, das Thema "Schorn" angesichts eines offensichtlich schärfer werdenden Gegenwindes besser zu vertagen: Die Fraktionen B'90/Grüne in Stadtrat und Kreistag kündigten bereits massiven Widerstand gegen die Ausbaupläne von Schorn an.

Auch der Bund Naturschutz machte erhebliche Einwendungen geltend: Moniert werden unzählige Fehler, Auslassungen und falsche Bewertungen in den Ausarbeitungen der Planer. Diverse Vogelarten und Reptilien, Pflanzen und Insekten seien nur unzureichend untersucht worden, hinzu komme die "mangelnde Darstellung und Bewertung der Klimafolgen", die Gefährdung des Grundwassers und eine fehlende Abschätzung über Immissionen. Wiederbelebt wurde auch die "Bürgerinitiative Schorn", die sich unter anderem mittels einer Petition gegen den Ausbau stemmte.

Abgesehen von den Grünen werden die meisten Fraktionen der Planung wohl dennoch zustimmen - unter der Prämisse eines Autobahn-Vollanschlusses und einer maßvollen Anpassung der Planung. Dies gilt insbesondere für CSU, BLS, FDP und WPS. Die SPD ist, was des Schorn-Ausbaus betriftt, hin und her gerissen: Zwar sei die Fraktion im Grundsatz für das Gewerbegebiet, allerdings in kleinerem Rahmen, sagte Tim Weidner. Die UWG ist gespalten: Winfried Wobbe aus Wangen wird wegen der Verkehrsproblematik und der geplanten Größe gegen das Vorhaben stimmen, seine Fraktionskollegen Otto Gaßner und Thorsten Schüler aber seien mit Einschränkungen dafür, teilte Wobbe mit.

Spannend bleibt die Frage, wie Bürgermeister Patrick Janik die Vielzahl an Stellungnahmen und Einwendungen in nur einer einzigen Sitzung angemessen würdigen lässt - zumal die Tagesordnung noch fünf weitere Themen vorsieht.

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