Während die Stadt Starnberg dabei ist, rechtliche Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet in Schorn zu schaffen und der Landkreis die Herausnahme der Fläche aus dem Landschaftsschutz vorbereitet, formiert sich der Protest. In einer Bürgerinitiative organisierte Gegner haben sich am Mittwoch in Wangen getroffen. Notfalls werde die "BI Schorn" ein Bürgerbegehren starten, kündigte die Vorsitzende Ursula Lauer dort an. Vorbereitungen würden bereits getroffen. Zugleich kommt auch von Wirtschaftsvertretern ungewöhnlich deutliche Kritik, wie bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK) deutlich wurde, die zeitgleich in Wörthsee stattfand.
Bei der Versammlung der "BI Schorn" in Wangen rief Lauer die etwa 80 Besucher dazu auf, möglichst viele Einwände vorzubringen. Ein Musterschreiben wurde bereits formuliert. Bis Montag besteht Gelegenheit, Bedenken zu einem Bebauungsplan der Stadt zu äußern, der gerade entwickelt wird; eine große Mehrheit des Stadtrats steht zu dem Projekt.
UWG-Stadtrat Winfried Wobbe glaubt aber, das könne sich ändern, wenn viele Einwände kommen. Unter den Versammlungsteilnehmern waren Bürger aus Nachbargemeinden. Auch sie könnten ihre Bedenken vorbringen, erklärte Günter Schorn, der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz und stellvertretender BI-Vorsitzender.
Das überplante Gebiet an der Garmischer Autobahn zwischen der Polizeistation in Oberdill und einem Verteilzentrum der Post umfasst insgesamt 47 Hektar; nur ein Teil davon soll aber bebaut werden. Etwa 3000 Arbeitsplätze sollen dort entstehen. Als Projektentwickler tritt auch dort die Asto-Gruppe auf; das Münchner Architekturbüro Koch und Partner hat die Planung übernommen.
Schorn sprach angesichts der Größenordnungen von einem "Mega-Gewerbegebiet". Durch die zu erwartenden Emissionen seien negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen sowie eine Gefährdung des Trinkwassers zu befürchten, hieß es bei der Versammlung. Aussagen, wonach das Gebiet nicht schützenswert sei, sind nach Meinung der BI falsch. In einem eigenen Gutachten werden zahlreiche dort heimische, geschützte Tierarten wie Zauneidechse, Waldohreule, Rotmilan und 13 Fledermausarten aufgezählt. Der Landwirt und FDP-Stadtrat Anton Wiesböck erklärte, auf dem Areal befänden sich die besten Ackerböden im Landkreis.
Da lediglich ein Halbanschluss an die Autobahn vorgesehen ist, befürchtet die Bürgerinitiative, dass viel Verkehr durch Wangen fließt. Auch die Gemeindestraßen in Neufahrn und Schäftlarn seien betroffen. Hans-Jochen Iwan von der BN-Ortsgruppe Starnberg warnte, die 3000 neuen Arbeitsplätze könnten einen "Rattenschwanz" nach sich ziehen; er meint damit, dass Mieten steigen und mehr Kindergärten und Schulen gebaut werden müssten. "Es wird immer nach Gewerbesteuern gerufen, aber nicht gegengerechnet, was investiert werden muss", kritisierte die Grünen-Kreisvorsitzende und Starnberger Bürgermeisterkandidatin Kerstin Täubner-Benicke. Sie hält die Flächen am Briefzentrum Schorn, das 2021 aufgelöst werde, sowie im Gewerbegebiet beim Bahnhof Nord für in Starnberg für ausreichend.
Überraschend große Bedenken kommen auch aus der Wirtschaft. Unternehmer aus dem Landkreis haben sich bei einer Sitzung des IHK-Regionalausschusses in Wörthsee zum Teil sehr kritisch bis ablehnend über die Planungen geäußert, die der Architekt Michael Nahr vorgestellt hat. Am deutlichsten wurde Andrea Roever, die Geschäftsführerin des Tagungshotels La Villa in Niederpöcking: "Ich sehe nicht, dass wir das Gewerbegebiet überhaupt brauchen." Mit Blick auf Belastungen für das Fünfseenland durch Verkehr und Siedlungsdruck fragt sie sich: "Wie viele Menschen sollen denn noch hierher kommen? Das ist doch Wahnsinn". Carl Baasel, Gründer einer Lasertechnikfirma in Starnberg, vermisst innovative Akzente: "Gibt es hier irgendeine neue Idee? Ich habe keine gesehen." Und Thomas Vogl, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg, meint: "Wenn wir so ein Gewerbegebiet entwickeln, müssen wir mehr leisten als das hier."
Eine für den Mittwochabend vorgesehene Abstimmung über ein Positionspapier zu Schorn wurde angesichts des uneinheitlichen Meinungsbildes verschoben. Die IHK wird aber im Rahmen des laufenden Bebauungsplanverfahrens für das Gewerbegebiet trotzdem bis zum Montag eine positive Stellungnahme dazu abgeben. Es würden "wohnortnahe Arbeitsplätze geschaffen und Fachkräfte im Landkreis gehalten", heißt es darin. Der Campus Schorn trage dazu bei, "den Fortbestand und die Erweiterung der regionalen Gewerbebetriebe zu sichern und Wertschöpfung in der Region zu verankern."