Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Schock und Aufklärung

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Eine Ausstellung im Starnberger Landratsamt zeigt die Entwicklung eines Menschen nach einer Aids-Diagnose und Möglichkeiten der Prävention.

Sabine Bader

Es sind die schwierigen und unpopulären Themen, denen sich Sophie von Wiedersperg widmet. Jene, bei denen die Leute lieber weghören: zum Beispiel bei Aids. Die Gleichstellungsbeauftragte und Mitarbeiterin der Schwangeren Beratungsstelle im Starnberger Landratsamt betreibt schon seit 20 Jahren Aufklärungsarbeit über die Erkrankung. Wachrütteln ist ihre Devise, Ängste abbauen und Verständnis schaffen für die Gefühle der Betroffenen. Und das tut Wiedersperg auch diesmal wieder mit einer Ausstellung, die sie im Vorfeld des Welt-Aids-Tags (1. Dezember) ins Foyer der Kreisbehörde geholt hat. Zwei Wochen lang sind dort nun überlebensgroße stilisierte Figuren ausgestellt, die unter dem Titel "Der weite Weg" die Stationen eines Menschen im Umgang mit der Diagnose "HIV-positiv" beschreiben.

Es ist eine plakative Ausstellung, und das ist auch gewollt. Sie erzählt viel über die Gefühlsschwankungen, denen Betroffene unterworfen sind - vom Schock über Trauer und Wut, erzählt von der Angst vor Ausgrenzung, aber von der Hoffnung und vom neuen Lebensmut. Zu schildern, was es für jemanden bedeutet, eine solche Diagnose zu bekommen, ist das eigentliche Ziel der Wanderausstellung. Wahrscheinlich ist sie mit ihren signalfarbenen Figuren und den kurzen Begleittexten auch deshalb so begehrt unter den bayerischen Behörden und Schulen, weil sie ganz und gar unkapriziös daherkommt, während sie eindrucksvoll schildert, wie schnell das Leben aus den Fugen geraten kann.

Wiedersperg ist sich dieses Vorzugs offenbar bewusst. Sie hat Erfahrungen mit Ausstellungen zu Problemthemen und sie weiß, wie man die Leute erreicht. Kein Wunder. Gerade, was die Aidsberatung angeht, kann das Starnberger Gesundheitsamt auf langjährige Erfahrung zurückgreifen. Seit 20 Jahren bietet die Kreisbehörde kostenlose und anonyme Aidstests an und begleitet Betroffene. Rund 150 Bürger lassen sich hier pro Jahr auf HIV testen. In fünf Jahren gab es drei positive Fälle, rechnet Wiedersperg vor. Das erscheint nicht viel, wenngleich diese Tatsache den Schock und die Verzweiflung der Betroffenen nicht schmälert. Auch ist die Dunkelziffer an Infizierten weit höher, da es weder Untersuchungs- noch Meldepflicht gibt. Alljährlich zum Welt-Aids-Tag werden neue bayernweite Statistiken veröffentlicht, Zahlen für den Landkreis gibt es aber keine. Dass die Diagnose HIV-positiv heute kein Todesurteil mehr ist, auch das will das Landratsamt vermitteln. "Unsere Aufgabe ist es auch, Barrieren abzubauen", sagt Wiedersperg. Und zwar nicht nur bei Betroffenen selbst, sondern auch bei denen, die mit HIV-Infizierten zu tun haben - bei den eigenen Partnern, bei Freunden, Verwandten und Arbeitskollegen.

Dass zur Beratung auch die Prävention gehört, versteht sich von selbst und ist mit eine Aufgabe von Daniela Ulbricht. Sie geht in Schulen, spricht mit Jugendlichen über das Thema Aids und gibt ihren praktische Tipps, wie sie eine Infektion vermeiden können. Das kommt offenbar gut an. "Die Jugendlichen - quer durch alle Schularten - sind sehr interessiert", sagt sie "und total offen für Diskussionen". Gut zu erreichen sei die Jugend, heißt es im Fachjargon. Schlechter sieht es da bei der Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen aus. Wenn sie nach Trennung oder Scheidung in neue Beziehungen gehen, vergessen sie gern alle Vorsicht. "Das ist ein Problem", sagt Wiedersperg.

Die Ausstellung im Foyer des Starnberger Landratsamts, Strandbadstraße 2, kann noch bis zum 15. November besucht werden.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2013
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