Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Schäden am Hochwald sind irreparabel

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Der Bau des umstrittenen Fußwegs durch ein städtisches Waldstück erfolgte unter Missachtung gängiger Vorschriften

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Anwohner haben protestiert, die Bauarbeiten blockiert, Unterschriften gesammelt, Gutachten gefordert und die Öffentlichkeit informiert. Der Bund Naturschutz war dagegen, das Landratsamt nicht informiert und der Stadtrat wusste nichts davon. Jetzt stellt sich heraus: Die Schäden am Baumbestand durch den Bau des umstrittenen Fußwegs am Hochwald, den die Stadtverwaltung auf Anordnung von Bürgermeisterin Eva John im Frühjahr 2016 anlegen ließ, sind irreparabel. Zwei von der Stadt beauftragte Gutachter kommen zum Ergebnis, den Zustand besser so zu belassen, wie er ist: Ein vollständiger Rückbau des Weges würde den Schaden nur vergrößern. Aus wirtschaftlichen Gründen sei allenfalls Schadensbegrenzung möglich durch eine Laubstreuschicht sowie Bewässerung in Trockenperioden. Ob das die geschädigten Bäume jedoch retten wird, steht in den Sternen.

Der Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität befasste sich am Montag erneut mit der Angelegenheit, die sich längst zum Politikum entwickelt hat. Auf Betreiben der Bürgerinitiative Hochwald und der CSU hatten sich gleich zwei Gutachter mit den Folgen des fragwürdigen Wegebaus befasst. Das Ergebnis der Expertisen ist eher ernüchternd. Nahezu alle untersuchten Bäume im Bereich des Weges weisen Wurzelbeschädigungen auf. Die Gutachter - Erik Brudi (Gauting) und Karla Melka-Müler (Großkarolinenfeld) - hatten dabei vier Fragen zu beantworten: Die Auswirkungen der Wegebauarbeiten auf die Baumgesundheit; die Darlegung, ob der Wegebau sach- und fachgerecht durchgeführt wurde; die Erarbeitung eines Behebungs- und Sanierungskonzepts, das auch Rückbau- und Renaturierungsmaßnahmen in Betracht zieht; eine Gegenüberstellung von Herstellungs- und Sanierungskosten.

Laut Brudi erfolgte die knapp 400 Meter lange Trassierung mit verdichtetem Mineralbeton durch den Waldstreifen mit bisherigem Trampelpfad unter Missachtung nahezu aller einschlägigen Vorschriften. Eine Fichte muss nun gefällt werden, eine Reihe weiterer untersuchter Bäume - überwiegend Rotbuchen - wurden an Fein- und Grobwurzeln verletzt. Diese Schäden sind Eintrittspforten für holzzersetzende Pilze wie Hallimasch oder Brandkrustenpilz, die möglicherweise das Todesurteil für die knapp 100 Jahre alten Bäume sein können. Dabei hätten die Wurzelschäden ohne Bodenabtrag und durch wurzelschonendes Arbeiten größtenteils vermieden werden können. Auch wurde der Abstand zwischen Wegesrand und nahestehenden Bäumen durchweg unterschritten. Beide Gutachter stellen fest, dass die Kriterien für einen Rückeweg missachtet wurden und zudem weitgehend nicht fachgerecht gearbeitet wurde; von einer professionellen Bauleitung oder Betreuung könne nicht die Rede sein. Durch den unprofessionellen Wegebau seien die Lebensbedingungen von 22 Bäumen verändert worden. Gleichwohl bezweifelt er, dass aufgrund der nicht fachgerechten Bauweise tatsächlich zahlreiche Bäume absterben werden.

Weiterhin unbeantwortet ist die Frage, warum Bürgermeisterin John - sie wohnt in der Nähe - den Weg anlegen ließ. Der Bebauungsplan sieht einen völlig anderen Verlauf vor. Die bislang zuständige Mitarbeiterin der Stadtverwaltung hat gekündigt. Doch insbesondere Hundebesitzer erfreut augenscheinlich der Umstand, dass sich die Tiere im Wald ohne Einsatz der üblichen Hundekotbeutel erleichtern können. Auch die Kostenfrage ist ungeklärt. Die Bürgerinitiative rechnet bislang mit 150 000 Euro. Damit aber ist das Ende nicht erreicht: Die Stadt ist fortan in einer höheren Verkehrssicherungspflicht. Folgekosten für die Stand- und Bruchsicherheit der Bäume sind unausweichlich, und auch das Monitoring - also die konsequente Begutachtung des Baumbestands - soll weiter fortgesetzt werden.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2017
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