Konzertkritik:Rockiges Gesamtkunstwerk

Perchting: EAV

Die Drei von der Schwank-Stelle: Reinhard Stranzinger, Klaus Eberhartinger und Alvis Reid (von links).

(Foto: Nila Thiel)

Die Erste Allgemeine Verunsicherung macht auf ihrer "Werwolf"-Tour im Perchtinger Stadel Station und begeistert ihre 1000 Zuhörer mit vielen alten und ein paar neuen Songs

Von Gerhard Summer, Starnberg

Diese Ungeheuer sind ungeheuer nett. Links und rechts auf der Bühne stehen überdimensionale Werwolf-Comics, sie sehen aus, als wäre der böse Wolf mit Lupo aus Fix und Foxi gekreuzt worden. Nacheinander treten schöne Frauen auf, Männer mit Frankenstein- oder Schweinemaske, mit Muskelbergen aus Plastik, Gummiboot und grün-gelbem Ruder, Polizisten und natürlich der Oberkasperl, der Klaus Eberhartinger heißt. Mal trägt er Glitzersakko, mal Sträflings-Outfit oder Geweihhelm. Dazu zuckt ein rot-blau-weißes Lichtgewitter, manchmal stehen die Musiker unter Lichtkegeln, als würden sie gleich wieder weggebeamt, zurück in die Achtzigerjahre. Eberhartinger singt "Werwolf-Attacke, jetzt dampft die Kacke". Und ja, das rockt mehr denn je. Der Bass pulsiert, die Gitarren kreischen, das Schlagzeug mit zwei Bassdrums stampft. Klingt sehr heavy und ganz, ganz entfernt nach Rammstein. Ist aber natürlich: EAV.

Erste Allgemeine Verunsicherung, ja gibt es die noch? Aber logisch. Das Konzert in Perchting ist seit zwei Wochen ausverkauft, 1000 Leute sind zu diesem "kulturellem Großereignis" gekommen, wie Eberhartinger das seit 40 Jahren organisierte Stadelfest unter der mächtigen Starkstromleitung nennt. Die meisten sind Fans und textsicher; wenn sie mitsingen sollen ("Hände an die Wand, Füße in die Höh'"), lassen sie sich nicht lange bitten. Was für ein gewaltiger Chor! Das passt wunderbar zu diesem Gesamtkunstwerk aus Kasperltheater, Klamauk, Kabarett, Schlagerparade, Alpenrap und Rock. Denn auch für die EAV dürfte es nach wie vor keinen Vergleich auf diesem mit Musik zugedröhnten Planeten geben. Sie fangen monströs pünktlich an. Sie fahren keine Großprojektionen auf, sondern Billigdeko mit Hand und Fuß. Und ihre Lyrics haben nichts gemein mit dem Innerlichkeitsgewinsel, das seit Jahren aus den Radios rinnt. Nein, EAV-Texte sind oft bös und scharf, aber nie zynisch, oft ernst zu nehmender Nonsense und in aller Regel ungeheuer komisch. Das liegt auch an den wunderbaren Reimen von Thomas Spitzer, der bei der "Werwolf"-Tour leider nicht dabei ist . Er kombiniert Chance mit Provence, Figuren mit Lemuren, Havarie mit Sellerie. Und im "Märchenprinz" ist ihm sein Meisterstück gelungen: "Weil es bei den Mädels tilt ist/wenn man riecht als wie ein Iltis." Das soll ihm erst mal jemand nachmachen.

Jede andere Band würde außerdem zu Beginn drei, vier Songs am Stück spielen, der Stimmung wegen, und nicht die Hälfte der Zeit mit Moderationen vertun. EAV können sich das aber leisten, weil die Musik im Wesentlichen dazu da ist, die Texte zu transportieren. Eberhartinger plaudert also und plaudert. Ab und zu scheut er auch vor Kalauern nicht zurück ("Loch Stress" hat den Menschen im Griff), veräppelt Helene Fischer ("Bargeldlos durch die Nacht") und dreht Pirouetten, um beim richtigen Stichwort für den nächsten Song zu landen. Aber der Mann ist eben Kabarettist und hat was zu sagen. Bodybuilder? Ja, da sind zuweilen "rechte und linke Schulter in verschiedenen Zeitzonen". Silvio Berlusconi? Der Beleg dafür, dass der Herrgott dem Menschen "Hirn und Schniedel gab, aber nicht genug Blut, um beides zu versorgen". Flüchtlinge? Schon Kinder lernen: Vorsicht vor den Fremden, "weil die sind nicht von da", aber später, wenn die Falten mehr werden, darf's schon mal "Fett mit Migrationshintergrund" sein. Kurzzeitig wird Eberhartinger dann ernst: Flüchtlinge aufzunehmen, "das müssen wir uns leisten", sagt er und Applaus rauscht auf.

Ohnehin ist die Stimmung bei vielen alten Hits und wenigen neuen Songs bestens. Schon beim dritten Lied, "Ba-Ba-Banküberfall", rudern die Mädels mit den Armen, und kurz vor Ende, nach eineinhalb Stunden, stehen dann alle im Stadel. Als Zugabe gibt's noch ein Medley und natürlich "Märchenprinz". Ovationen.

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