Starnberg:Reife Vorstellung
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Regisseurin Nancy Camaldo und die Produzentinnen Natalie und Sandra Hölzel präsentieren mit "Windstill" ihre Abschlussarbeit an der Filmhochschule
Von Armin Greune, Starnberg
Hätte Festivalchef Matthias Helwig nicht schon zu Beginn Nancy Camaldo, Natalie und Sandra Hölzel vorgestellt, müsste man sich nach dem Abspann verwundert die Augen reiben. Was die erst 29-jährige Filmemacherin und ihre beiden kaum älteren, verschwisterten Produzentinnen als Abschlussarbeit an der Hochschule für Fernsehen und Film München vorgelegt haben, ist eine in jeder Hinsicht reife Leistung. "Windstill" erweist sich am Sonntag bei der Welturaufführung auf dem FSFF als atmosphärisch dichtes, gut gespieltes und hervorragend gefilmtes Familiendrama. Die Story hat Spannung und Tiefgang, ist stimmig und authentisch - aber dann folgt ein Ende, das ein wenig wie ein märchenhafter Fremdkörper wirkt.
Doch bis dahin entwickelt sich eine Geschichte, die gemessenen Tempos den Zuschauer in den Bann schlägt. In zwei parallelen Handlungssträngen erzählt Camaldo von der Jungbäuerin Ida (Barbara Krzoska), die mit ihrem Praktikanten Rafael (Anselm Bresgott) einen Berghof in Südtirol führt, und von einem Paar mit Säugling in München, das an der elterlichen und beruflichen Doppelbelastung zu zerbrechen droht. Lara (Giulia Goldammer) und Jacob (Thomas Schubert) kümmern sich zwar liebevoll um ihre Tochter, leben aber sonst nur noch, um zu arbeiten. Der Druck, dem Jacob in der Küche eines Restaurants ausgesetzt ist und die Leere, die Lara im Alltag als Mutter und in den Nächten als Taxifahrerin heimsucht, sind so überzeugend wiedergegeben, dass ihr Schicksal keinen Zuschauer kalt lassen kann.
Erst nach der Hälfte des Films - als Lara ausbricht, das Kind kommentarlos beim Vater zurücklässt und nach Südtirol flieht - wird klar, dass die beiden jungen Frauen Schwestern sind. Mehr als zwei Jahre lang war der Kontakt zwischen ihnen total abgeschnitten; dass sie Tante geworden ist, erfährt Ida erst, als auch Jacob und Olivia plötzlich in der Haustüre stehen.
Ihr sei wichtig gewesen, "dass beide Geschichten gleich viel Platz haben", sagte Camaldo nach dem Film. Die Verknüpfung der zwei Schicksale ist rundum gelungen, selbst wenn "der Schnittprozess manchmal grauenvoll" gewesen sei. Lukas Nikolaus' Kameraführung bleibt stets ganz nah an den Charakteren und findet eine eigenständige Bildsprache: So wagt er etwa, Jacob im langen Moment tiefster Verzweiflung nur von schräg hinten zu zeigen. Die heitersten Momente fängt er hingegen im Gesicht des Babys Olivia ein. Patricia Grafs schauspielerische Qualitäten könnten genetische Wurzeln haben, erklärte Camaldo in Starnberg auf die Frage einer Zuschauerin: Die Mutter des Säuglings arbeite selbst als Darstellerin. In "Windstill" zeigt sich das gesamte Ensemble - mit Ausnahme der unbedeutenden Nebenrolle einer Unfallfahrerin - glänzend disponiert. Allen voran müssen Goldammer und Schubert gelobt werden. Auch Krzoska und Bresgott überzeugen, vielleicht hätte ihnen das Drehbuch nur die etwas holprige Szene mit dem sexuellen Rollenspiel ersparen sollen. Diese Frage stellt sich auch für das Filmende, als Ida nach einem Sturz das Bewusstsein verliert und sich in einem abschließenden Bilderreigen nach dem Motto "und wenn sie nicht gestorben sind. . ." alle Lebenswünsche der Protagonisten erfüllen. "War das nötig?" musste auch Helwig im Filmgespräch fragen. "Es haut einen 'raus", räumte Camaldo ein. Doch eigentlich ließe man offen, ob das weitere Geschehen nach Idas Blackout nicht doch bloß ein Traum sei.