Schädlinge:Ratten in Starnbergs Vorzeigeviertel

Ratte

Solche Exemplare finden sich nun auch im Starnberger Achheimviertel - die Bewohner beunruhigt die schnelle Vermehrung.

(Foto: dpa)

Die Nager sind womöglich wegen der Gleisbauarbeiten am Bahnhof ins Wohngebiet umgezogen - und scheinen im Achheimviertel ideale Bedingungen zu finden. Eine Nachbarin hat acht Tiere auf einen Streich erwischt.

Von Peter Haacke

Im Starnberger Achheimviertel, dem historisch ältesten Wohnquartier der Stadt, herrscht offensichtlich eine Rattenplage. Ein Anwohner schlägt nun Alarm: Die pelzigen Nager, die diverse Krankheiten übertragen können, machen sich zunehmend in Gärten und Hinterhöfen breit. Zahllose Schlupflöcher und Gänge dokumentieren ihre Anwesenheit, die Ratten finden zwischen Bahnhof, Heimatmuseum, Bayerischem Hof und Theresienstraße offenbar ideale Lebensbedingungen. Wie groß die Population der extrem vermehrungsfreudigen Tiere ist, ist derzeit unklar. Ein Schädlingsbekämpfer soll dem Ganzen nun ein Ende bereiten.

Werner Netzel hat keinen Zweifel daran, dass sich im Quartier seit vergangenen Sommer ein Ratten-Clan eingenistet hat. In seinem kleinen Garten hat der 72-jährige Pensionär Giftköderboxen aufgestellt und die Holzterrasse entfernt, nachdem er ein Rattennest unter der Abdeckung und Kothäufchen auf einer Fußmatte fand. Die Enkel dürfen seither nicht mehr in den Garten. In der Nachbarschaft ist die Ratten-Tränke, ein kleiner Gartenteich. Die endgültige Bestätigung des Rattenbefalls kam durch seine Frau: Insgesamt acht Ratten hatten sich zum munteren Treffen in morgendlicher Sonne versammelt, auf einem Foto sind die Tiere deutlich zu erkennen.

Starnberg: Acheimstr.3a - Rattenprobleme

Werner Netzel hat sogar seine Holzterrasse zurückgebaut, nachdem sich die Nager darunte reingenistet hatten.

(Foto: Nila Thiel)

Nachdem Netzel schon vergangenen Sommer versuchte, der Plage Herr zu werden - eine 3000-Euro-Aktion, die nur wenige Monate von Erfolg gekrönt war - wandte er sich nun an Stadtverwaltung und Landratsamt. Seinen Beobachtungen zufolge kommen die Tiere, mit größter Wahrscheinlichkeit Wanderratten, vom Nachbargrundstück aus dem Umfeld des Bayerischen Hofs. Doch seine Bitte an die Behörden, sich des Themas Rattenbefall endlich konsequent anzunehmen, blieb zunächst ungehört. Nun aber scheint Bewegung in die Angelegenheit zu kommen: Nicolas Schrogl, Pächter des Bayerischen Hofs, sicherte - ungeachtet der Kündigung seines Vertrags - den Einsatz eines professionellen Schädlingsbekämpfers zu.

Schädlinge: Die Giftköderboxen sind nach wenigen Tagen leer gefressen, doch die Ratten (hier auf dem Rasen) bleiben.

Die Giftköderboxen sind nach wenigen Tagen leer gefressen, doch die Ratten (hier auf dem Rasen) bleiben.

(Foto: Privat)

Ratten sind extrem schlau und Überlebenskünstler mit untrüglichem Gespür für Nahrung. Als exzellente Kletterer erklimmen sie Vogelhäuschen, quetschen sich durch kleinste Spalten und ertauchen sich als gute Schwimmer ihre Nahrung sogar in der Kanalisation. Die Allesfresser sind nicht wählerisch, was Mensch, Hund und Katz schmeckt, verschmäht auch die Ratte nicht. Und das Angebot im Bereich des Starnberger Bahnhofs ist verlockend: Essenreste, die Passanten wegwerfen, Eiswaffelkrümel, Gastronomieabfall, Vogel-, Katzen- und Hundefutter.

Die Seepromenade dürfte aus Sicht einer Ratte ein wahres Paradies sein, auch Gelbe Säcke werden mühelos durchnagt. Selbst Mülltonnen können die cleveren Tiere öffnen, kommen bei geschlossenem Deckel ohne Hilfe allerdings nicht wieder heraus. Hat ein Tier einen Giftköder gefressen und stirbt daran, meiden die übrigen Ratten die Quelle.

Ratten

Ratte ist nicht gleich Ratte. Hierzulande kommen nur zwei von weltweit 65 Arten vor: Die zunehmend seltener werdende Hausratte und die Wanderratte (Rattus norvegicus), von der die oft als Haus- oder Versuchstier gezüchtete Farbratte abstammt. Die Bisamratte gehört nicht dazu, sie zählt zu den Wühlmäusen. Ratten können - wie andere Wildtiere auch - bis zu 120 verschiedene Krankheiten übertragen. Sie gelten als Gesundheitsschädlinge und sind meldepflichtig. Zu den am häufigsten von Ratten übertragenen Krankheiten und Parasiten gehören Fleckfieber, Bandwürmer, Tollwut und Tuberkulose, die tödlich enden können. Auch Salmonellen und Zecken gehen bei Kontakt oft auf den Menschen über und verursachen Borreliose. Weitere Krankheiten sind Leptospirose (durch Urin), Hepatitis E und die Pest als bekannteste Seuche durch den Rattenfloh. Zudem übertragen sie womöglich multiresistente Darmkeime, die etwa bei Berliner Ratten stark verbreitet sind; eine Übertragung auf den Menschen ist nicht auszuschließen. Neben Mäusen sind auch Wanderratten Träger des Hantavirus.

Bei Reinigungsaktionen ist Vorsicht geboten: Wird eingetrockneter Rattenkot aufgewirbelt und der Staub eingeatmet, können schweres Fieber, Schmerzen, Haut- und Schleimhautblutungen, in schweren Fällen innere Blutungen und Nierenversagen die Folge sein. Beim Reinigen verschmutzter Räume sollte man daher stets Einweghandschuhe und Mundschutz tragen; Desinfektionsmittel und Alkohol töten Viren ab. Spaziergänger und Pilzsammler sollten sich ebenfalls in Acht nehmen: In manchen ländlichen Regionen treten von Ratten übertragene Erkrankungen auf und betreffen dann oft Menschen, die sich häufig in Wäldern aufhalten. phaa

Netzel vermutet, dass die Ratten in seinem Garten mit den Bahnarbeiten im Vorjahr zusammenhängen. Die Tiere sind geräuschempfindlich. Wegen des permanenten Lärms und weil ihre Nester zerstört wurden, könnten sie - so die These des Pensionärs - von der Seepromenade zum Bayerischen Hof umgezogen sein. Auch Hotelpächter Schrogl räumt ein, Ratten im Bereich des Müllhäuschens gesehen zu haben. Wie groß die Population mittlerweile ist, weiß niemand. Doch auch in anderen Bereichen der Innenstadt, etwa in der Ludwigstraße oder im Bereich des Georgenbachs, wurden schon Ratten gesichtet. Netzel warnt: Die Tiere vermehren sich rasant und können pro Jahr rund 50 Junge werfen, die bereits nach knapp drei Monaten selbst wieder geschlechtsreif sind.

Im Landratsamt gibt man sich derweil gelassen - und erklärt sich für nicht zuständig. Alle Beteiligten stünden in Kontakt, erklärt Pressesprecher Christian Kröck, der Schädlingsbekämpfer sei beauftragt und werde noch im März zur Tat schreiten. Allerdings "wissen wir auch nicht, wo die Ratten konkret hausen", sagt er, und verweist auf die Zuständigkeit des Grundstückseigentümers - also die Stadt Starnberg. Erst wenn "infektionsrelevante Belange" betroffen seien, werde das Gesundheitsamt eingreifen. Kröck: "Nur wenn da mal eine Ratte vorbeiläuft, heißt das ja noch nicht, dass es gleich gesundheitsschädlich ist."

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