Starnberg:Radler spüren Rückenwind

Die Wiederentdeckung eines Fortbewegungsmittels: Der Landkreis überholt beim Stadtradeln die Landeshauptstadt, darf sich seit Oktober "fahrradfreundlich" nennen und plant nun sogar ein alltagstaugliches Wegenetz

Christiane Bracht

Seefeld, Dellinger Höhe,  Firma TQ, Fahrradfahrer

Seefeld, Dellinger Höhe, Firma TQ, Fahrradfahrer Seefeld, Dellinger Höhe, Firma TQ, Fahrradfahrer. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

Radeln ist in - spätestens seit diesem Jahr. Auch Leute, die sich seit Jahren nicht mehr in den Sattel geschwungen haben, holen plötzlich ihre staubigen alten Räder aus dem Keller und treten in die Pedale. Egal, ob es nur kurz zum Bäcker geht oder in die Arbeit. Manch einer ist sogar auf den Geschmack gekommen und unternimmt auch mal einen Ausflug zum See. Und so gibt es in vielen Firmen im Fünfseenland und auch an den Schulen im Sommer nur noch ein Thema: Stadtradeln. Fast 6000 Bürger helfen mit, Kilometer zu sammeln. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mehr als 850 000 Kilometer erstrampeln sie innerhalb von drei Wochen. Damit erreicht der Landkreis Starnberg bundesweit den zweiten Platz, noch vor der Landeshauptstadt München. Die Organisatoren sind begeistert. So einen Erfolg haben sie sich kaum erträumt. In den ersten Jahren konnten sie mit der Aktion vor allem die Sportler motivieren. Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Hauptsächlich Alltagsradler machen mit - heuer sogar 1000 mehr als im Vorjahr. "Die Aktion ist ein Auftrag für uns alle", sagte Organisator Gerhard Sailer.

Seefeld, Dellinger Höhe,  Firma TQ, Fahrradfahrer

Seefeld, Dellinger Höhe, Firma TQ, Fahrradfahrer Seefeld, Dellinger Höhe, Firma TQ, Fahrradfahrer. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

"Für den Radverkehr muss Geld in die Hand genommen werden", fordert er. Ein Alltagsradnetz, das heißt kurze schnelle Routen vom Gewerbegebiet zu den Einkaufsmöglichkeiten und den Bahnhöfen müssten gebaut werden. Idyllische Holperwege, die bei Regen kaum befahrbar seien, sind für Alltagsradler untauglich und bewegen auch niemanden dazu, sein Auto stehen zu lassen.

Die Botschaft ist angekommen: Der Landkreis Starnberg will jetzt ein alltagstaugliches Radwegenetz erarbeiten lassen. Es soll zeigen, wo Defizite und Lücken sind. Bei ihrer künftigen Straßenplanung sollen die Gemeinden es berücksichtigen. Den neuen Trend hat aber manch eine Kommune schon längst erkannt: So hat Krailling einen Radweg zum Gewerbegebiet KIM asphaltieren lassen, Tutzing hat gerade mit dem Bau einer Radroute nach Kampberg begonnen. Beides Vorhaben, die die Gemeinden viel Geld kosten. Wegen der schwierigen Bodenverhältnisse kostet die 1,3-Kilometer-Strecke in Tutzing 1,3 Millionen Euro investieren. Eine Summe, die nicht bei jedem auf Verständnis trifft.

In Gilching haben die Radler so viel Rückenwind, dass sie einen Bürgerentscheid gegen die geplante Umgehungsstraße durchsetzen können. Die Unterzeichner vermissen bei den Planungen sichere Rad- und Fußwege und wollen die Gemeinde zum Umplanen zwingen. Die Kommunalpolitiker indes haben Angst, dass der Bau der lang ersehnten Trasse dadurch um Jahre verzögert wird und setzen ein Ratsbegehren dagegen. Die Abstimmung wird Anfang Februar sein.

Der Landkreis ist indes schon voll im Trend: Er schmückt sich seit Mitte Oktober mit dem Titel "fahrradfreundlich". Als erster in Bayern dürfen die Starnberger sich so nennen. Den Ausschlag für die Auszeichnung gaben neue Radwege und das Fahrradverleihsystem, das die Firma Eos zusammen mit der Gemeinde Krailling eingeführt hat. Es hat nun Vorbildcharakter. Kritiker allerdings bemängeln, dass das Fünfseenland keineswegs fahrradfreundlich ist, schon weil es in Starnberg kaum Radwege gibt. Die Auszeichnung könne also nicht mehr als ein Ansporn sein.

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