Schöffengericht :Erst geflirtet und dann vergewaltigt?

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In einem Indizienprozess geht es um eine mutmaßliche Vergewaltigung einer jungen Frau auf einer Party in Starnberg. (Foto: Arlet Ulfers)

31-jährigem Mann wird vorgeworfen, die Gastgeberin einer Party in Starnberg zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Der Angeklagte bestreitet die Tat.

Von Christian Deussing, Starnberg

Mit seinem Freund hatte er im Februar 2022 eine Party in Starnberg besucht, ohne die damals 24 Jahre alte Gastgeberin zu kennen. Der 31-jährige Braunschweiger fühlte sich in der Runde gleich wohl und bändelte mit der Starnbergerin an. Bei einem Trinkspiel saß sie auf seinem Schoß, weil zu wenig Stühle da waren, und es kam zu einem flüchtigen Kuss in der Küche. Doch am Ende der Party soll sich der Angeklagte ungefragt ins Doppelbett der jungen Frau in eine Nische gelegt haben, weil die Couch schon von seinem Kumpel und dessen Freundin belegt gewesen war. Als die Gastgeberin dachte, dass der Besucher schlafen würde, begab sie sich auch ins Bett. Wenig später soll der Mann sie zweimal vergewaltigt haben. Das Opfer habe dabei Blutergüsse erlitten und sei erniedrigt worden, lautete die Anklage der Vergewaltigung vor dem Schöffengericht in Starnberg.

Der Fall musste am Montag nach gut vier Monaten neu aufgerollt werden. Es hatte sich herausgestellt, dass in dem Indizienprozess weitere Verhandlungstage notwendig sind, die aber nicht fristgerecht stattfinden konnten. Wie schon am ersten Tag verlas der Angeklagte nun recht gefasst eine Erklärung, in der er die Vorwürfe bestreitet. „Wir haben uns gut verstanden und entwickelten eine gegenseitige Sympathie“, erzählte der Elektroingenieur. In der Küche hätten sie „geknutscht“ und der Geschlechtsverkehr mit Kondom sei in ihrem Bett „komplett einvernehmlich“ verlaufen, behauptete der Angeklagte.

Auch der Verteidiger zeichnete das Bild eines harmonischen Flirtabends mit Zungenkuss und inniger Umarmung in der Küche. Zudem habe sich sein Mandant nicht ungefragt ins Doppelbett der Gastgeberin gelegt, betonte der Anwalt. Allerdings erlebte die Frau ihre Partynacht offenbar ganz anders: Das mutmaßliche Opfer ging mit einer Freundin noch am Abend nach der Feier zur Polizei und erstattete gegen den ihr zuvor unbekannten Gast Strafanzeige wegen Vergewaltigung. Die Frau sei „schockiert und emotional aufgewühlt gewesen“, hatte dazu eine Beamtin in der ersten Verhandlung berichtet und erklärt, dass sie die Aussagen der Starnbergerin für glaubhaft halte.

Bereits am Nachmittag nach der Party hatte die 24-Jährige dem Besucher aus Braunschweig eine Whatsapp mit der Mitteilung geschickt, dass sein Verhalten im Bett „sehr grenzwertig und übergriffig“ gewesen sei. Laut Chatprotokoll hatte damals der Angeklagte nur geantwortet, dass es ihm leidtue und „wohl was aus dem Ruder gelaufen“ sei. Sein Angebot, darüber zu sprechen, habe sie aber abgelehnt.

Er habe sie überrumpelt und ihre klare Ansage missachtet, sagt das mutmaßliche Opfer

Am Montag wurde auch erneut in einer Videoaufzeichnung die Vernehmung der Starnbergerin von einem Ermittlungsrichter gezeigt. Es habe in der Küche nur ein „Bussi“ gegeben und sie habe ihn auch nicht gestreichelt. Später habe sie gedacht, dass er schon schlafen würde, aber kaum sei das Licht am Bett aus gewesen, habe er sie überrumpelt und ihre klare Ansage missachtet, keinen Geschlechtsverkehr zu wollen. Sie habe noch versucht, ihn mit dem Ellenbogen wegzudrücken, doch er habe sie trotzdem weiter an sich herangezogen und habe ihre Leggings, Unterhose und den Schlafpullover heruntergezogen. Es sei alles sehr schnell passiert, sie sei „geschockt und wie gelähmt“ gewesen, sagte die junge Frau seinerzeit in der Videovernehmung.

In dem Zimmer – etwas abseits von der Doppelbett-Nische – hatten drei Gäste übernachtet, darunter der Freund des Angeklagten. Nach eigenen Angaben hätten sie nichts von den Vorfällen mitbekommen. Darauf verweist der Verteidiger, der die Schilderungen der Frau anzweifelt. Zudem stehe hier „Aussage gegen Aussage“. Am zweiten Prozesstag wird das mutmaßliche Opfer vernommen, außerdem wird eine Rechtsmedizinerin ihr Gutachten erläutern. In dem Verfahren, zu dem Zeugen erneut geladen wurden, droht dem Angeklagten eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren.

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